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Stuttgart: LA TRAVIATA, 21.02.2015

Erstellt von Kaspar Sannemann | | La Traviata

copyright: A.T. Schaefer, mit freundlicher Genehmigung Staatstheater Stuttgart

Musik: Giuseppe Verdi | Libretto: Francesco Maria Piave, nach Alexandre Dumas LA DAME AUX CAMÉLIAS | Uraufführung: 6. März 1853 In Venedig | Aufführungen in Stuttgart: 21.2., 24.2., 28.2., | 6.3., 9.3., 15.3., 19.3.2015

Kritik:

Es gibt Stimmen, in die man sich schon bei der ersten Phrase verliebt – Mirella Bunoaica besitzt eine solche. Diese Darstellung und Interpretation der Violetta werde ich so schnell nicht vergessen. Mirella Bunoaica bringt alles mit, um die Rolle der von der tödlichen Krankheit gezeichneten, noch ein letztes Mal Hoffnung schöpfenden Kurtisane glaubhaft und eindringlich zu verkörpern. Ja, verkörpern, denn Mirella Bunoaica ist neben allen stimmlichen Qualitäten eine expressive Darstellerin und eine wunderschöne Bühnenerscheinung, sei es im weissen Damen-Frackanzug inmitten der schwarz gekleideten Gäste in ihrem Salon, im schlichten Kleid mit weisser Schürze in ihrem Landhaus oder im hautengen und transparenten schwarzen Abendkleid bei Floras Fest im dritten Bild (Kostüme: Marie-Luise Strandt). Ihre Stimme verfügt im ersten Akt über die leicht ansprechenden, blitzsauberen Koloraturen für die Cabaletta Sempre libera, die Tiefe der Empfindung für die Arie Ah, fors`è lui, die Zerbrechlichkeit und Traurigkeit für die Auseinandersetzung mit Giorgio Germont und die emotionale Berührungskraft mit ihren Aufwallungen des Lebenswillens in der Sterbeszene. Hier singt ein wahrer Engel das Addio del passato, eine Gefallene, die doch mit Noblesse und Würde stirbt. Ihr leuchtstarker Sopran enthält genau den notwendigen Anteil an (biegsamem) Edelmetall, wirkt manchmal kühl, doch nie kalt. Und vor allem wirkt sie authentisch und bewegend, so zum Beispiel auch im wunderschön intonierten Dite alla giovine im zweiten Bild, mit dem sie ihren schmerzvollen Verzicht auf Alfredo gegenüber Giorgio Germont bestätigt. Die eindringlichste Szene ist der Regisseurin Ruth Berghaus mit dem Schluss gelungen: Violetta spürt keine Schmerzen mehr, und um dies zu beweisen hält sie ihre Hand über eine brennende Kerze, singt in aufwühlendem Sprechgesang ihre letzte Phrase Cessarono, gli spasmi del dolore. In me rinasce... m'agita Insolito vigore! Ah! io ritorno a vivere. O gioia! - die Hand fällt auf die Kerze, diese und Violettas Leben erlöschen.

Überhaupt ist es der Oper Stuttgart hoch anzurechnen, dass sie diese Inszenierung der Grande Dame des oft so schlecht geredeten „Regietheaters“, Ruth Berghaus, im Repertoire behält und so sorgsam pflegt. Die Inszenierung wirkt wie aus einem Guss: Bühnenbildner Erich Wonder hat stark mit schwarz-weiss Kontrasten gearbeitet. Im ersten Akt befindet sich die Gesellschaft in einem gläsernen, schwarzen Foyer. Alle tragen Handschuhe, ausser Violetta und Alfredo, wie um sich vor der Ansteckung durch Violettas Tuberkulose zu schützen. Die nur oberflächlich lustige Gesellschaft wirkt steif und unterkühlt, das Geschehen wurde von Ruth Berghaus, der studierten Choreografin, punktgenau in Szene gesetzt. Stark auch der Einfall, dass Alfredo die Scheibe zerschlägt, in der sich Violetta eben so krank gespiegelt hatte. Durch dieses Loch in der Scheibe singt sie dann die hoffnungsvollen Phrasen ihr neues Leben betreffend. Das erste Bild des zweiten Aktes mag zuerst etwas verstören, denn wir befinden uns nicht in einem traditionellen französischen Landhaus. Die Bühne ist getrennt, links eine Art Kontor, rechts ein tunnelartiges Lagerhaus, in dem ein Gleis mit Handwagen zu sehen ist, welches zu weissen Haufen führt. Ist es Baumwolle, mit der sich Violetta verspekuliert hatte? Jedenfalls hängen überall schon die Verpfändungsetiketten, auch an ihrem eleganten Abendkleid, das sie dann auf Floras (mit ausgezeichneter Präsenz dargestellt und gesungen von Maria Theresa Ullrich) Empfang trägt, und die Alfredo in widerlicher Boshaftigkeit den Gästen präsentiert, bevor er Violetta mit dem im Spiel gegen Douphol (Ashley David Prewitt singt ihn prägnant) gewonnenen Geld aufs Tiefste demütigt. Diese Bild spielt wiederum im schwarz-gläsernen Foyer, die Gäste drängen aus dem im Hintergrund sichtbaren Schneetreiben herein. Doch Wärme findet sich nirgends in dieser Inszenierung. Es ist kalt geworden in der kapitalistischen Welt. Der letzte Akt spielt dann in zwei ins Endlose führenden, unterirdischen Gängen, welche durch einen Lichtschacht getrennt sind. Hier hat sich Violetta ihr ärmliches Lager eingerichtet, nur umsorgt von Annina (sehr gut dargestellt von Karin Torbjörnsdóttir) und dem besorgten Arzt Grenvil (Mark Munkittrick).

Als Alfredo konnte man Arnold Rutkowski erleben: Schüchtern und leicht verloren hat der Landjunge seinen ersten Auftritt im Pariser Salon, stimmt aber mit virilem Timbre das Brindisi an, singt auf dem Rücken liegend ein wunderschön intoniertes Un di felice mit sauberer Kadenz zusammen mit Violetta. In seiner grossen Arie im zweiten Bild De' miei bollenti spiriti überzeugt er mit seiner herrlich ansprechenden, leicht aufgerauten Stimme und restlos begeistert er mit dem mit schlanker Stimme gesungenen Parigi o cara im Schlussakt. Bei Motti Kastóns Giorgio Germont vermisste man an diesem Abend etwas die baritonale Wärme. Zu oft klang die Stimme larmoyant, was zwar zu seinem ersten Auftritt passte, als er sich bei Violetta über die Unschicklichkeit ihrer Beziehung zu seinem Sohn beklagte und dass sie doch Mitleid mit Alfredos Schwester haben müsste. Leider wurde auch bei seiner Arie Di Provenza il mar das nicht sehr für sich einnehmende Timbre hörbar, keine Hand rührte sich zum Zwischenapplaus.

Am Pult des mit Akkuratesse spielenden Staatsorchesters Stuttgart stand Giuliano Carella. Empfindsam weich fliessend und mit feinem Gespür für Sentiment dirigierte er das Vorspiel zum ersten Akt, Traurigkeit und Trost zugleich verbreitete die von den Streichern so herrlich gespielte Einleitung zum dritten Akt. Carella verstand es vortrefflich, Eleganz und Italianità zu verbinden, mit subtil gesetzten Akzenten den Kitsch zu vermeiden, impressionistisch gefärbte Passagen gegen tänzerische Rhythmen abzusetzen. Der Staatsopernchor Stuttgart begeisterte vor allem im dritten Bild mit den präzise und herrlich federnd gesungenen Zigeuner- und Stierkämpferweisen.

Grosser und verdienter Applaus für alle Beteiligten.

Kleine Anmerkung: Auf einige Menschen im Publikum sprangen anscheinend Violettas Mykobakterien direkt über. Jedenfalls wurde die Aufführung an vielen Stellen durch lautstarkes Husten im Saal empfindlich gestört. Zu Hause im Bett eine Erkältung auszukurieren scheint nicht mehr in Mode zu sein ... .

Werk:

LA TRAVIATA bildet zusammen mit IL TROVATORE und RIGOLETTO die so genannte Erfolgstrias aus Verdis mittlerer Schaffensperiode. Die drei Opern gehören nicht nur zu den populärsten und meistgespielten Werken Verdis, sondern des gesamten Repertoires. Die TRAVIATA vermochte sich zuerst nicht durchzusetzen. Erst nach einigen kleinen Änderungen (und einer Umbesetzung der korpulenten Sopranistin der Uraufführung) setzte das Werk seinen langsamen Siegeszug an. Indem Verdi und sein Librettist eine ausserhalb der anständigen Gesellschaft stehende Frau (wörtlich bedeutet LA TRAVIATA „Die vom rechten Weg abgekommene“) ins Zentrum einer Oper stellten, betraten sie inhaltlich Neuland, ja die TRAVIATA gilt sogar als Vorläuferin der veristischen Opern des späten 19. Jahrhunderts. Musikalisch ist die gefühlvolle Komposition ganz als Seelendrama der Protagonistin angelegt, die Sympathien Verdis für diese Ausgestossene werden deutlich hörbar. Nur schon das an trauriger Empfindsamkeit kaum zu übertreffende Vorspiel zum dritten Akt lässt keine Zuhörerin, keinen Zuhörer unberührt.

Inhalt:

In ihrem Salon begegnet die Kurtisane Violetta dem jungen, unerfahrenen Alfredo Germont. Diese Begegnung stürzt die kränkelnde Frau in einen Zwiespalt der Gefühle. Einerseits fühlt sie sich zu dem jungen, rücksichtsvollen Mann hingezogen, andererseits will sie ihr genussreiches Leben nicht einfach so aufgeben. Doch die beiden ziehen zusammen. Das wenige Geld ist jedoch bald aufgebraucht, Violetta veräussert ihren Schmuck. Alfredo findet das heraus, ist beschämt und versucht seinerseits Geld zu beschaffen. Während seiner Abwesenheit trifft Alfredos Vater ein und verlangt von Violetta um der Familienehre willen, die Beziehung zu seinem Sohn zu beenden. Schweren Herzens stimmt Violetta zu, auch im Wissen um ihre Krankheit (Tuberkulose). In einem Brief teilt sie Alfredo mit, dass sie sich entschieden habe, zu ihrem alten Leben zurückzukehren. Alfredo lässt sich von seinem Vater nicht zur Rückkehr in den Schoss seiner Familie überreden. Er reist Violetta nach. Auf einem Ball macht er Violetta schwerste Vorwürfe und bezeichnet sie als Hure. Die Gaäste, unter ihnen auch der Vater Germont, sind entsetzt. Violetta wird immer schwächer und kränker. Der alte Germont enthüllt seinem Sohn die Wahrheit über Violettas Verzicht. Alfredo und die sterbende Violetta können sich ein letztes Mal in die Arme schliessen und sich gegenseitig um Verzeihung bitten. Violetta meint, ihre Lebensgeister wieder erwachen zu spüren - sie ehebt sich und stirbt.

Musikalische Höhepunkte:

Libiamo ne' lieti calici, Trinklied Alfredo, Violetta, Akt I

A fors' è lui .... sempre libera, Violetta, Akt I

De miei bollent spiriti, Alfredo, Akt II

Pura siccome un angelo, Violetta – Germont, Akt II

Amami Alfredo, Violetta, Akt II

Di Provenza il mar, Germont, Akt II

Alfredo, Alfredo, die questo core, Violetta, Finale Akt II

Vorspiel Akt III

Addio del passato, Violetta, Akt III

Karten

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