Berlin, Staatsoper: LA TRAVIATA, 14.02.2011
Musik: Giuseppe Verdi |
Libretto: Francesco Maria Piave, nach Alexandre Dumas LA DAME AUX CAMÉLIAS |
Uraufführung: 6. März 1853 In Venedig | Aufführungen in Berlin: 17.2. | 20.2. | 26.2. | 6.3. | 3.4. |10.4.2011
Kritik:
Auch das ist Berlin, die Stadt mit drei grossen Opernhäusern: Man braucht nur über die Strasse zu gehen und erlebt zweimal TRAVIATA innerhalb weniger Tage. Trotz Opernstiftung ist es anscheinend unmöglich, die Spielpläne der hoch dotierten Häuser einigermassen aufeinander abzustimmen. Was für Insider und Freaks ganz interessant sein mag, ist wohl für das durchschnittliche Opernpublikum des Guten zu viel. So blieben denn in der Staatsoper (im Ausweichquartier Schillertheater) trotz ermässigter Preise an diesem Montag einige Plätze leer. Doch vermochte auch die Qualität der Aufführung bei weitem nicht mit der Vorstellung in der Deutschen Oper Berlin mitzuhalten. Da ist zuerst mal die unsäglich nervende Inszenierung von Peter Mussbach: Die Violetta ist hier so eine Art Lady Di, eine Verfolgte. Ständig sieht man als Projektion die Autofahrt durch den Tunnel in Paris, Verfolgungsscheinwerfer und weitere Projektionen auf dem die gesamte Bühne und den Orchestergraben überziehenden schwarzen Gazevorhang verursachen ein Irrlichtern, welches von der eigentlichen Handlung ablenkt und nur stört. Ausser den Regentropfen auf der Windschutzscheibe, die sind Klasse. Führte die sechsspurige Strasse zu Beginn mit der hereintanzenden Violetta, von der man dank UV-Licht nur das weisse Kostüm sieht, noch zu einem durchaus effektvollen Bild, gab diese leere Bühne aber im Verlauf des Abends gar nichts mehr her. Da konnte sich Violetta noch so spastisch verrenken, diese Figur blieb dem Zuschauer fremd. Mit den Nebenfiguren, dem Chor, ja selbst mit Alfredo und Giorgio konnte der Regisseur gar nichts anfangen - sie blieben sich ebenfalls spastisch verbiegende oder statisch hermumstehende, am Ende in Embryonalstellung auf der Bühne herumliegende schwarze Gestalten, welche sich um die stets präsente, weissgekleidete und -geschminkte Violetta gruppierten.
Auch der musikalische Eindruck führte zu zwiespältigen Ergebnissen: Marina Poplavskaya liess sich bewundernswert auf diese abstruse Personenführung ein, überraschte mit einem dunklen, interessant gutturalen Timbre in den tiefen Lagen. Doch waren da auch die schrillen Spitzentöne, das manieriert-unmotivierte Auf- und Abschwellenlassen der Klänge und kaum kaschierte Registerbrüche, gepaart mit streckenweise unschönem Vibrato. Dass sie sich zum Sempre libera wie ein Derwisch drehen musste und trotzdem die Koloraturen schaffte, verdient schon mal Hochachtung. Immerhin konnte sie auch mit berührenden Momenten aufwarten, so im 2. Akt mit dem wunderschön intonierten Dite alla giovine oder dem Beginn des dritten Aktes. Ihre männlichen Partner blieben blass: Arnold Rutkowski hat zwar schönes Stimmmaterial vorzuweisen, sang jedoch eintönig zwischen mezzoforte und forte und konnte auch mit seiner Intonationsgenauigkeit nicht überzeugen, Schlusstöne kaum auf der Höhe halten. Dazu kam eine erschreckende darstellerische Unbeholfenheit (er war ein Dodi Al-Fayed), da kam überhaupt keine Emotion über die Rampe. Arme ausbreiten, Arme schliessen. Mehr an Bewegungsrepertoire schien er nicht intus zu haben. Erstaunlicherweise blieb auch Alfredo Daza als Vater Germont deutlich hinter den Erwartungen zurück. Unschön und mit brüchigem Piano und einem Zuviel an Vibrato gesungen war der Wunschkonzert-Hit Di Provenza il mar. Obwohl von der Regie nicht beachtet, sangen Simone Schröder eine wunderbare Annina und Christina Khosrowi eine mit sattem Mezzo glänzende Flora.
Da auch von der Staatskappelle unter Karl-Heinz Steffens wenig Impulse kamen (ausser wirklich schönen Streicherkängen in den beiden Vorspielen),einige ritardandi auf der Bühne (oder im Orchester) nicht aufgenommen wurden und so zu Verwacklungen führten, verliess man die Vorstellung ziemlich enttäuscht und unberührt.
Fazit:
Definitiv nicht "staatsopernwürdig"!
Werk:
LA TRAVIATA bildet zusammen mit IL TROVATORE und RIGOLETTO die so genannte Erfolgstrias aus Verdis mittlerer Schaffensperiode. Die drei Opern gehören nicht nur zu den populärsten und meistgespielten Werken Verdis, sondern des gesamten Repertoires. Die TRAVIATA vermochte sich zuerst nicht durchzusetzen. Erst nach einigen kleinen Änderungen (und einer Umbesetzung der korpulenten Sopranistin der Uraufführung) setzte das Werk seinen langsamen Siegeszug an. Indem Verdi und sein Librettist eine ausserhalb der anständigen Gesellschaft stehende Frau (wörtlich bedeutet LA TRAVIATA „Die vom rechten Weg abgekommene“) ins Zentrum einer Oper stellten, betraten sie inhaltlich Neuland, ja die TRAVIATA gilt sogar als Vorläuferin der veristischen Opern des späten 19. Jahrhunderts. Musikalisch ist die gefühlvolle Komposition ganz als Seelendrama der Protagonistin angelegt, die Sympathien Verdis für diese Ausgestossene werden deutlich hörbar. Nur schon das an trauriger Empfindsamkeit kaum zu übertreffende Vorspiel zum dritten Akt lässt keine Zuhörerin, keinen Zuhörer unberührt.
Inhalt:
In ihrem Salon begegnet die Kurtisane Violetta dem jungen, unerfahrenen Alfredo Germont. Diese Begegnung stürzt die kränkelnde Frau in einen Zwiespalt der Gefühle. Einerseits fühlt sie sich zu dem jungen, rücksichtsvollen Mann hingezogen, andererseits will sie ihr genussreiches Leben nicht einfach so aufgeben. Doch die beiden ziehen zusammen. Das wenige Geld ist jedoch bald aufgebraucht, Violetta veräussert ihren Schmuck. Alfredo findet das heraus, ist beschämt und versucht seinerseits Geld zu beschaffen. Während seiner Abwesenheit trifft Alfredos Vater ein und verlangt von Violetta um der Familienehre willen, die Beziehung zu seinem Sohn zu beenden. Schweren Herzens stimmt Violetta zu, auch im Wissen um ihre Krankheit (Tuberkulose). In einem Brief teilt sie Alfredo mit, dass sie sich entschieden habe, zu ihrem alten Leben zurückzukehren. Alfredo lässt sich von seinem Vater nicht zur Rückkehr in den Schoss seiner Familie überreden. Er reist Violetta nach. Auf einem Ball macht er Violetta schwerste Vorwürfe und bezeichnet sie als Hure. Die Gaäste, unter ihnen auch der Vater Germont, sind entsetzt. Violetta wird immer schwächer und kränker. Der alte Germont enthüllt seinem Sohn die Wahrheit über Violettas Verzicht. Alfredo und die sterbende Violetta können sich ein letztes Mal in die Arme schliessen und sich gegenseitig um Verzeihung bitten. Violetta meint, ihre Lebensgeister wieder erwachen zu spüren - sie ehebt sich und stirbt.
Musikalische Höhepunkte:
Libiamo ne' lieti calici, Trinklied Alfredo, Violetta, Akt I
A fors' è lui .... sempre libera, Violetta, Akt I
De miei bollent spiriti, Alfredo, Akt II
Pura siccome un angelo, Violetta – Germont, Akt II
Amami Alfredo, Violetta, Akt II
Di Provenza il mar, Germont, Akt II
Alfredo, Alfredo, die questo core, Violetta, Finale Akt II
Vorspiel Akt III
Addio del passato, Violetta, Akt III