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St.Gallen, Theater: MACBETH; 01.02.2025

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Macbeth

copyright: Edyta Dufaj, mit freundlicher Genehmigung Theater St.Gallen

Verdis eindringliche Oper blickt in psychische Abgründe, Neuprokduktion in der Regie von Krystian Lada

Oper in vier Akten | Musik: Giuseppe Verdi | Libretto: Francesco Maria Piave und Andrea Maffei | Uraufführung der ersten Fassung: 14. März 1847 in Florenz | UA der zweiten Fassung: 21. April 1865 in Paris | Aufführungen in St.Gallen: 1.2. | 10.2. | 23.2. | 6.3. | 23.3. | 28.3. | 30.3. | 23.4. | 13.5.2025

 

Kritik: 

Unheil pflastert den Weg dieses „schottischen Stücks“, dessen Name gemäss einem alten Theateraberglauben nicht genannt werden darf: Erst war König James I. nicht glücklich mit dem Sujet, so dass die Uraufführung des Dramas von Shakespeare um fünf Jahre verschoben werden musste. Dann starb während der Uraufführung der Darsteller der Lady (damals waren noch keine Frauen als Schauspielerinnen zugelassen) hinter der Bühne, und der Autor musste die Rolle selbst übernehmen. Mitte des 19. Jahrhunderts führten in New York gleich zwei Theaterkompanien das Drama um den schottischen König auf; es kam zu Strassenschlachten zwischen den Anhängern der jeweiligen Hauptdarsteller, 25 Menschen starben, die Nationalgarde musste eingreifen. Einmal fiel eine Darstellerin der Lady in der Schlafwandlerszene 4,5 m tief in den Orchestergraben. In der John Gielgud Inszenierung des Stücks in den 1940 er Jahren starben in der Aufführungsserie drei Schauspieler und der Kostümbildner beging nach der Premiere Selbstmord. Sir Lawrence Olivier wurde in der Titelrolle einmal beinahe von einem herabfallenden Bühnenelement erschlagen. 1947 starb der Darsteller des Macduff in Manchester nach einer Stichverletzung durch einen Degen, die er sich während der Aufführung zugezogen hatte. Die Liste könnte noch beinahe endlos weitergeführt werden, z.B. mit durch echte Messer vertauschte Theaterwaffen, die zu realen Morden auf der Bühne führten – und nun reiht sich die Aufführung von Verdis Oper über den schottischen König in St.Gallen (beinahe) in diesen Unglücksreigen ein. Denn es hat selten etwas Gutes zu bedeuten, wenn vor dem Beginn einer Aufführung der Theaterdirektor vor den Vorhang tritt. Jan Henric Bogen vermied es dann auch tunlichst, das Stück oder dessen Protagonisten beim Namen zu nennen – und hatte doch Schauerliches zu berichten über die Geschehnisse im Ensemble im Vorfeld dieser Premiere. Nicht nur dass Chor, Orchester und einige Solist*innen mit starken Grippesymptomen zu kämpfen gehabt hatten (alle waren jedoch bis zur Premiere einigermassen genesen, nur der Interpret des schottischen Königs liess sich sicherheitshalber ansagen). Schlimmer war, dass sich Libby Sokolowski, die Darstellerin der Lady, bei er der ersten B/O-Probe die Kniescheibe disloziert hatte (besonders schmerzhaft) und der Darsteller des Fleancio und Sänger einer der Erscheinungen, Kio Bruderer, beim Snowboarden am Tag vor der Premiere die Hand gebrochen hatte. Doch beide, Libby Sokolowski und Kio Bruderer, liessen sich durch ihre Unfälle nicht davon abhalten, diese Premiere zu retten. Was sich dann nach dem Heben des Vorhangs auf der St.Galler Bühne abspielte, kann man gut und gerne als „Das Wunder von St.Gallen“ betiteln. Denn alle Mitwirkenden trotzten mit geballter Energie dem Fluch des Stücks und das Premierenpublikum kam in den Genuss eines ungemein packenden, begeisternden und mitreissenden Theaterabends, ja einer geradezu exemplarischen Aufführung von Verdis MACBETH (jetzt darf man den Namen ja nennen!).

Verdis Oper erhielt erst spät die ihr zustehende Anerkennung. Doch seit einigen Jahrzehnten taucht sie zum Glück sehr häufig auf den Bühnen auf – zu Recht. Es ist ein unglaublich starkes, konzentriertes Werk, der Vorlage Shakespeares ebenbürtig. Stark ist auch die Arbeit des Inszenierungsteams in St.Gallen (Regie, Bühne und Video: Krystian Lada, Kostüme: Adrian Bärwinkel, Licht: Aleksander Prowaliński), mit herausragender Transparenz und feiner Ziselierung spielt das Sinfonieorchester St.Gallen unter der Leitung von Carlo Goldstein, grandios und stimmgewaltig interpretieren der Chor des Theaters St.Gallen und der Opernchor St.Gallen (einstudiert von Filip Paluchowski) die Hexenszenen, das Leiden der Vertriebenen und das Entsetzen der Gäste in der Bankettszene und der Hofgesellschaft nach der Ermordung König Duncans. Die Protagonist*innen gestalten allesamt ihre anspruchsvollen Partien mit überragender stimmlicher und darstellerischer Präsenz. Vincenzo Neri in der Titelpartie merkt man überhaupt nichts mehr von seiner Grippeerkrankung an. Sein herrlicher Bariton strömt mit einnehmender Wärme und selbstverständlicher Souveränität. Eindringlich bringt er den Aufstieg und Fall des Usurpators über die Rampe, sein Abgleiten in den Wahnsinn geht unter die Haut. Wie der auch sexuell impotente Mann (er kann die Lady nur noch oral befriedigen) gegen Ende von der Schuld, die er durch die Morde auf sich geladen hatte, erdrückt wird und sein Geist sich in Halluzinationen verliert, ist beeindruckend dargestellt. Zu Beginn des dritten Aktes sitzt er am Rande des Balkons im Saal, seine Mimik wird auf den Gazevorhang projiziert. Er verfolgt mit irrem Blick und Lächeln, was auf der Bühne vor sich geht, sieht sein Double (den Tänzer Al Haji) mit Kindern spielen, eine Familienidylle mit Spass und Goofy-Posen, wie er sie gerne selbst gehabt hätte. Aus dem Graben erklingt dazu die Ballettmusik, welche Verdi für die Pariser Fassung komponieren musste. Welch grandiose Idee des Produktionsteams in St.Gallen: Die Musik ist wahrlich nicht schlecht und so intelligent umgesetzt macht sie an dieser Stelle tatsächlich Sinn. Die von den Hexen evozierte Erscheinung der Könige ist eine Konfrontation des immer schwächer werdenden Macbeth mit dem Idealbild des Mannes: Hedonistische Darstellung von Muskelpaketen durch drei Bodybuilder mit perfekten, halbnackten Körpern. Nur mit Kilt und - entsprechend ihrem Rang – übergrossen pelzigen Sporrans (Taschen, die über dem Gemächt getragen werden) bekleidet. Der Mord an den drei Kindern (sie sind die Kinder Macduffs) gibt Macbeth dann den Rest: Er erwürgt sein Alter Ego in einem letzten Aufwallen des Gewissens. Danach ist ihm in geradezu obszönem Fatalismus alles egal, der Selbstmord seiner Gattin, der unsinnige Kampf gegen den heranrückenden Wald von Birnam, sein eigener Tod im Kampf gegen Macduff. Wenn Vincenzo Neri dann kurz vor Ende noch die grosse Arie Pietà. Rispetto, Amore mit zu Herzen gehender warmer Stimme singt und gebrochen das Mal per me (aus der Urfassung der Oper) gestaltet, hat man schon fast Mitleid mit dem durch seinen unbändigen Ehrgeiz Gefallenen. Ein Ehrgeiz, an dem seine Lady natürlich erheblichen Anteil hatte. Sie ist zu Beginn die starke Frau, die hinter jedem (schwachen) Mann steckt. Libby Sokolowski mag bewegungsmässig durch das dislozierte Knie erheblich eingeschränkt gewesen sein, ihrer stimmlichen Kraft und Ausdrucksstärke hat das nicht geschadet. Die Sopranstimme dieser fantastischen Sängerin bricht sich mit differenziert eingesetzter Urgewalt Bahn. Von der Auftrittsarie Vieni t'affretta über das unheimlich Flackernde in La luce langue und das Brindisi im zweiten Akt bis zur Intensität der Sterbeszene Una macchia è qui tutt'ora spannt sich ein in den Bann schlagender Spannungsbogen. Fasziniert folgt man diesem komplexen Charakter auf seinem Weg in den Abgrund. Wie Libby Sokolowski und Vincenzo Neri das Spannungsverhältnis zwischen Gewalt und Sex deutlich machen, muss man gesehen haben. Nur schon diese Blicke!!! Eine bedeutende Rolle nimmt Macbeths' Kriegskumpel Banco ein. Brent Michael Smith interpretiert ihn mit grosser Eindringlichkeit mit seinem schwarzen, souverän geführten Bass. Zu Beginn scheinen er und Macbeth beste Freunde zu sein, ja geradezu eine Bromance zu pflegen. Sie waschen sich gegenseitig das Blut der Schlacht von ihren Körpern. Doch zunehmend wird Banco misstrauisch, versucht dem Treiben am mörderischen Hof zusammen mit seinem Sohn Fleancio zu entkommen. Zu spät. Er wird vom Mörder gemeuchelt (dargestellt von Jonas Jud, der mit seiner beängstigenden szenischen Dauerpräsenz als Schicksal, Messerschleifer und Arzt beeindruckt). Fleancio (Kio Bruderer) kann fliehen und taucht dann neben seinem Vater im Hexenbild des dritten Aktes als Erscheinung (mit zartem Knabensopran singend) wieder auf. Der potenteste Gegenspieler Macbeth' ist Macduff. Mit tenoraler Kraft, trauerumflorter Stimme und überzeugender Eindringlichkeit reisst er die Vertriebenen aus der Lethargie (Arie O figli, figli miei). Dass Banco und Macduff aber nicht nur Lichtgestalten sind, zeigt der Regisseur beim kindischen Auftritt der beiden zusammen mit dem wohl etwas senilen König Duncan (David Maze) und dessen Sohn Malcolm (Sungjune Park mit aufhorchen lassender Tenorstimme im Duett mit Macduff vor der Schlacht). Szenisch überzeugend aufgewertet hat der Regisseur Krystian Lada die Rolle der Dame der Lady. Er nennt sie Lady Malcolm, sie ist die hochschwangere Gattin des nach England geflüchteten legitimen Thronfolgers Malcolm. Mit ihrer Schwangerschaft hält sie der Lady Macbeth natürlich stets den Spiegel der Unfruchtbarkeit vor. Mack Wolz spielt (und singt die wenigen Passagen) mit beeindruckender Intensität. Ein zentrales Thema bei Shakespeare ist ja genau diese Unfruchtbarkeit des Herrscherpaars. Sowohl der Schrei der Eule als Ankündigung des Unglücks, sowie das Thema „Nacht“ sind im Stück wichtig. Beide Elemente hat das Inszenierungsteam aufgegriffen: Die Eule schwingt sich in einer beeindruckenden Videosequenz in die Nacht. Das Unheimliche der Nacht ist durch einen erst schwarzen, dann in Silber glitzernden Mond vertreten. Überhaupt ist diese Bühne ein echter Hingucker: Semitransparente, schmale Plastikbahnen bilden einen Vorhang, schliessen sich in einem Halbrund hinter der Spielfläche, lassen dahinter Personen verschwommen erscheinen, Hände schieben sich zwischen den Bahnen hindurch. Manchmal wird der ganze Vorhang hochgezogen oder fällt nieder. In der Bühnenmitte steht ein achteckiges Podest als Spielfläche, als Tisch, als Grab Bancos. Die Erde haben die versehrten Krieger aus der Schlacht zurückgebracht: Verbrannte Erde als einzige Kriegsbeute in ihren Sporrans. Eine symbolschwangere Rolle spielt auch der Ring aus einer Leuchtröhre, der manchmal über den Köpfen schwebt, Personen auf dem Podest einfängt, sich senkrecht stellt und bedeutungsschwanger in kaltem, majestätischem Blau oder blutigem Rot leuchtet. Überhaupt verdient das exzeptionelle Lichtdesign eine ganz besondere Erwähnung: Starke Scheinwerfer blenden ab und zu vom Bühnenhintergrund her die Zuschauer*innen im Saal, doch nie zu lange oder zu stark. Stimmungsvoll wechselt die Gesamtbeleuchtung mal zu giftigem Grün, taucht die Bühne dann wieder in Rot oder Blau. Auch die Dramaturgie der Kostüme in ihrem Mix aus schottischer Tradition, zeitloser Alltagskleidung und Camouflage-Look funktioniert bestens. Die Hexen tragen geblümte Röcke, darüber Männersakkos oder Mäntel. Sie werden im ersten Akt zu Soldatenfrauen mit Hauben, die auf die Rückkehr ihrer Väter und Söhne warten. (Vielleicht eine Spur zu störend agierend, da gleichzeitig die Lady ihre diffizile Auftrittsarie zu singen hat – ich bin ein entschiedener Gegner szenischer Ablenkungen während grosser Arien ... . ) Die Lady tritt zu Beginn noch im langen schwarzen Pelzmantel auf, am Ende ist sie dann auch „gewöhnlich“ geworden, mit geblümtem Kleid. Selbst der heranrückende Wald von Birnam entlockt ein Schmunzeln: Pummelige, fleischgewordene Bäumchen mit dicken Ästen bewaffnet (sie sehen aus wie nordische Trolle in einem Comic) schreiten aus dem Bühnenhintergrund auf Macbeth zu. Doch die Äste entpuppen sich als Leuchtröhren, mit denen zu Verdis kunstvoller (und vom Sinfonieorchester St.Gallen mit wunderbarer Transparenz gespielter) Fuge gekämpft wird. Es gäbe noch so Vieles an erwähnenswerten Details über diese spannende Aufführung zu berichten (und auch von wenigen Dingen zu schreiben, die man beim ersten Ansehen vielleicht noch nicht ganz verstanden hat). Aber noch besser: Hingehen und sich faszinieren lassen von einer Produktion, die allen Widrigkeiten des Macbeth- und Hexenfluchs mit Mut, Energie und musikalischer Grösse getrotzt hat und ein bewegendes Zeugnis für das Genie Verdis (und Shakespeares) ablegt.

Inhalt:

Schottland Mitte des 11. Jahrhunderts

Auf dem Rückweg von einer siegreichen Schlacht begegnen den beiden Feldherren Macbeth und Banquo Hexen, von denen sie sich die Zukunft prophezeien lassen. Für Macbeth sagen die Hexen voraus, er werde bald Than (ein hoher schottischer Edelmann) von Cawdor und später König sein, Banquo hingegen werde Vater von Königen werden. Ein Soldat grüsst Macbeth darauf als Than von Cawdor, der Amtsvorgänger sei hingerichtet worden – die erste Prophezeiung der Hexen hat sich erfüllt.

In einem Brief ihres Gemahls erfährt Lady Macbeth von den Prophezeihungen. Die ehrgeizige Frau will den Voraussagen etwas Nachschub verleihen und überredet ihren zögernden Gemahl zum Königsmord. Die Gelegenheit ist günstig, denn der König Duncan hat sich mit seinem Gefolge zum Besuch auf Macbeths Anwesen angekündigt. Macbeth vollbringt in der Dunkelheit der Nacht die Tat, die Lady besudelt die schlafenden Wachen mit Blut und lenkt so die Schuld auf diese.

Macbeth wird nun König. Doch da ist noch Banquo – ein Mann der Verdacht schöpft und (gemäss den hexen) Vater zukünftiger Könige sein wird. Also beschliesst Macbeth auch seinen Waffengefährten und dessen Sohn zu töten. Banquo wird von gedungenen Mördern umgebracht, doch sein Sohn kann fliehen.

Anlässlich eines Banketts bringt die Lady Trinksprüche aus, Macbeth hingegen verfällt zusehends in Grübeleien und sieht Banquos Geist an seinem Platz sitzen. Den Adligen fällt Macbeths merkwürdiges Verhalten auf. Besonders der edle Macduff wird misstrauisch und flieht.

Macbeth will noch einmal die Hexen befragen: Sie sagen ihm, dass kein auf natürliche Weise Geborener ihm gefährlich werden könne und er sich keine Sorgen zu machen brauche, bis der Wald von Birnam gegen sein Schloss vorrücke. Die Lady überredet ihren Gemahl, Macduffs Familie auszulöschen.

Macduff hat seine mit ihm geflohenen Anhänger mit dem Heer des Duncan-Sohnes Malcolm vereinigt. Im englischen Exil planen sie die Befreiung Schottlands vom Usurpator Macbeth. Als Tarnung verwenden sie Äste aus dem Wald von Birnam.

Unterdessen ist die Lady an der Grenze zum Wahnsinn angelangt: Sie sieht Blutflecken an ihren Händen die nicht verschwinden wollen. In einer der grossartigsten Szenen der Oper gesteht sie ihre Schuld und sinkt entseelt nieder. Macbeth lässt der Tod seiner ambitionierten Frau kalt. Er hat andere Sorgen, da der Wald von Birnam gegen ihn anrückt. In der Schlacht vermeint er zu triumphieren, doch Macduff schreit ihm im Zweikampf entgegen, dass er seiner Mutter bei der Geburt aus dem Leib gerissen worden sei – die letzte Prophezeiung der Hexen erfüllt sich ebenfalls und Macbeth stirbt durch Macduffs Schwert. Malcolm wird neuer König.

Werk:

Zeitlebens hat sich Verdi mit Shakespeare beschäftigt, erkannt in dessen Werken riesiges Potential für das Musiktheater und setzte drei Werke des englischen Dichters in Musik: MACBETH, OTELLO und FALSTAFF. Mit KING LEAR beschäftigte er sich ebenfalls ausgiebig, gelangte jedoch nie zur Niederschrift einer Partitur und vernichtete schliesslich sämtliche Skizzen.

MACBETH stellte 1847 geradezu ein revolutionäres Werk dar: Keine Liebesgeschichte, eine Handlung voller Blut und Düsternis, der Tenor in einer Nebenrolle (Macduff). Von der Kritik wurde das Werk abgelehnt, das Publikum der Uraufführung feierte zwar den Komponisten mit 38 Vorhängen, doch so richtig durchsetzen konnte sich MACBETH nie. Für Paris arbeitete Verdi seine Lieblingsoper etwas um, fügte das obligate Ballett ein, komponierte für die Lady eine neue Arie im zweiten Akt (La luce langue), der Chor der vertriebenen Schotten (O patria oppressa) und ein neuer Schluss für den vierten Akt kamen dazu. Dafür wurde Macbeths Sterbeszene geopfert, welche zum jedoch seit Erich Leinsdorfs Dirigat an der Met 1950 oft auch in die Zweitfassung (Paris 1865) aufgenommen wird. Als Schlachtmusik griff Verdi, der sonst mit traditioneller Schulmusik nicht allzu viel am Hut hatte, auf eine Fuge zurück, da ihm deren Reibungen und Gegenüberstellungen von Themen als besonders angemessen dafür erschienen. Doch auch die Pariser Fassung war seinerzeit heftig kritisiert, ja gar als „unshakespearisch“ bezeichnet worden, was den Shakespeare-Kenner und –Verehrer Verdi ganz besonders schmerzte. Erst nach 1920 erkannte man die immensen Qualitäten des Werks und seine herausragende Stelle im Schaffen des Komponisten auf dem Weg von den konventionellen Anfängen zum echten Musikdrama, mit psychologisch feinsinnig und intelligent durchformten Charakteren. Gerade mit der Figur der Lady ist ihm eine Gestalt gelungen, die sich wie ein erratischer Block aus der italienischen Opernlandschaft erhob: Eine Frau, die mit hässlicher, rauer, hohler aber auch Mark und Bein durchdringender Stimme und dann wieder in tragfähigstem Piano flüsternd zu singen hatte, keine Sympathien erwecken durfte – eine Sängerin mit diabolischer Klangfarbe ist gefordert. Die Partie wurde im 20.Jahrhundert sowohl von Sopranistinnen (Callas, Rysanek, Barstow, Zampieri), hochdramatischen Sopranen (Nilsson, Dame Gwyneth Jones) als auch von dramatischen Mezzosopranistinnen erfolgreich verkörpert (Cossotto, Verrett, Ludwig).

Musikalische Höhepunkte:

Vieni, t´affretta, Briefszene und Arie der Lady, Akt I

Fatal, mia donna, Duett Macbeth-Lady, Akt I

Schiudi, inferno, Finale Akt I

La luce langue, Arie der Lady, Akt II

Studia il passo, Szene und Arie des Banquo, Akt II

Si colmi il calice, Brindisi der Lady, Akt II

Che fate voi, Szene Macbeth-Hexen, Akt III

Patria oppressa, Chor Akt IV

O figli, figli miei, Arie des Macduff, Akt IV

Una macchia, Wahnsinns- und Sterbeszene der Lady, Akt IV

Pietà, rispetto, amore, Arie des Macbeth, Akt IV

Mal per me, Sterbeszene des Macbeth aus der Urfassung, Akt IV

Karten

 

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