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Zürich: TOSCA, 01.01.2023

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Tosca

Copyright: Toni Suter, mit freundlicher Genehmigung Opernhaus Zürich

Oper in drei Akten | Musik: Giacomo Puccini | Libretto : Giuseppe Giacosa und Luigi Illica | Uraufführung: 14. Januar 1900 in Rom | Aufführungen in Zürich (Wiederaufnahme): 17.12. | 20.12. (mit Jonas Kaufmann als Cavaradossi) | 29.12. 2022 | 1.1. | 4.1. 2023 (mit Yusif Eyvazov als Cavaradossi)

Standardrepertoire in Luxusbesetzung

 

Premiere dieser Inszenierung war 2009, Zürich reihte sich damit in die Stationen Antwerpen, Barcelona und Hamburg ein, welche alle diese Produktion von Puccinis TOSCA durch den Regisseur Robert Carsen auf ihren Spielplan gesetzt hatten. Es ist dies eine der unnötigen "Theater auf dem Theater" - Inszenierungen, die weder die Wirkung dieses Opernthrillers zu intensivieren vermögen, noch zur psychischen Durchdringung der Protagonisten Entscheidendes beitragen. Das im Geiste des Verismo konzipierte Stück braucht keine szenischen Umwege über "Theater auf dem Theater" um zu fesseln, im Gegenteil! Aber da die Personenführung nicht allzu komplex gehalten ist, bietet die Produktion die Möglichkeit, sie lange und in wechselnden Besetzungen im Repertoire zu halten. (Ich verweise für Details auf meine Rezensionen zur Premiere und der letzten Wiederaufnahme, welche man durch Anklicken der untenstehenden Links lesen kann.)

Die Wiederaufnahme in dieser Saison allerdings wartet mit einer wahrhaftigen Luxusbesetzung der drei Hauptpartien auf, mit Rollenvertreter*innen, die gegenwärtig zu den bedeutendsten weltweit gehören dürften. Sondra Radvanovsky in der Titelpartie überwältigt mit ihrem raumfüllenden Sopran, einem hoch interessanten, leicht gaumig-dunklem Timbre und einer herausragenden Darstellungskraft für die emotionale Achterbahn der Gefühle, welche die Diva innerhalb eines Tages durchleben muss. Sondra Radvanovsky wird all diesen emotionalen Seelenzuständen voll gerecht: Sie ist die kokett Eifersüchtige, die verzweifelt Liebende, die Erpressbare, die naiv auf die Verprechungen Scarpias Hereinfallende, wird zur Mörderin, schöpft wieder Hoffnung auf die Zukunft und springt am Ende entschlossen in den Tod. Mit grosser Emphase geht sie das zentrale Gebet Vissi d'arte an und beglückt dabei mit wunderschön auf den Atem gelegten Phrasen. Als Cavaradossi durfte man in der von mir besuchten Vorstellung Yusif Eyvazov erleben. (Die ersten beiden Vorstellungen dieser Wiederaufnahme sang Jonas Kaufmann - wie bei der Premiere 2009 - , seine dritte musste er indisponiert absagen. Kurzfristig sprang Vittorio Grigolo ein.) Eyvazov hatte einen ganz starken Abend. Nur zu Beginn schimmerte kurz sein manchmal etwas quäkendes Timbre in der Mittellage auf, doch überstrahlte seine bombensichere und durchschlagskräftige Höhe jegliche Einwände. Er verstand es auf einnehmende Art und Weise, subtile farbliche Schattierungen einzubauen, zeichnete so differenziert sowohl den aufmüpfigen Anhänger des freiheitlichen Gedankenguts von Voltaire als auch den etwas machohaften Latin Lover. Sein Seufzer nach Toscas Abgang in der Eifersuchtsszene in der Kirche (hier Theaterbühne) war umwerfend.

Star des Abends war für mich jedoch Sir Bryn Terfel als Polizeichef Scarpia. Sein rabenschwarzer Bassbariton war an diesem Abend in grandioser Verfassung! Seine an Jago angelehnte Selbstanalyse erregte Gänsehaut, sowohl vor dem überwältigenden Te Deum im ersten als auch zu Beginn des zweiten Aktes. Die ruchlose Brutalität, mit der er seine Folterknechte instruierte, als auch die hinterlistige Art, wie er Tosca zum Verrat des Verstecks Angelottis leitete, waren der absolute Hammer! Eine Interpretation, die man sich spannungsgeladener kaum vorstellen kann.

Gianandrea Noseda am Pult der Philharmonia Zürich kostete die Feinheiten der Partitur aufs Allerschönste aus, denn gerade in Tosca arbeitete Puccini mit vielen vorausblickenden, nachhallenden und untermalenden Erinnerungs- und Ankündigungsmotiven, kleingliedrigen Verästelungen, welche Noseda und das Orchester mit famoser Intensität und Transparenz zum Erklingen und zum Leuchten brachten.

Mehr als nur adäquat besetzt waren die wenigen, aber wichtigen Nebenfiguren: Der Hirte von Claire Schurter, der Engelsburg-Flüchtling Angelotti von Brent Michael Smith, der Sciarrone von Aksel Daveyan, der Kerkermeister von Benjamin Molonfalean. Ausgezeichnet gestalteten Valeriy Murgu den Mesner und Martin Zysset den unterwürfig speichelleckenden Schergen Spoletta.

Letzte Vorstellung morgen Mittwoch, lohnt sich trotz der nicht gerade inspirierten Inszenierung.

Von mir erlebte Aufführungen der TOSCA in Zürich:

Ende 60er/Anfang 70er Jahre, meine erste TOSCA als Galavorstellung: Dirigent: Nello Santi, Inszenierung: Tito Gobbi, mit Tito Gobbi als Scarpia (leider habe ich das Programmheft nicht mehr, wenn jemand mir da helfen könnte, äre ich dankbar. Die folgenden Aufführungen sind zum Glück genau dokumentiert (Dirigent/Regisseur, Tosca, Cavaradossi, Scarppia):

13.05.1975 Thomas Blum/Tito Gobbi, Anigone Sgourda, Ion Buzea, Kari Nurmela

22.09.1980 Charles Mackerras/Tito Gobbi; Anna Tomowa-Sintow, Michael Sylvester, Norman Mittelmann

02.11.1980 Nello Santi/Tito Gobbi, Montserrat Caballé, José Carreras, Norman Mittelmann

29.04.1981 Nicola Rescigno/Tito Gobbi; Eva Marton, Luciano Pavarotti, Kari Nurmela

03.10.1984 Elio Boncompagni/Tito Gobbi; Natalia Troitskaja, Lando Bartolini, Franco Bordoni

26.12.1990 Nello Santi/Ulrich Peter; Gwyneth Jones, Alberto Cupido, Alfred Muff

30.12.1990 Nello Santi/Ulrich Peter; Sophia Larson, Giorgio Tieppo, Alfred Muff

23.03.1991 Marcello Panni/Ulrich Peter; Grace Bumbry, Peter Dvorsky, Lajos Miller

22.09.1991 Nello Santi/Ulrich Peter; Grace Bumbry, Giacomo Aragall, Giorgio Zancanaro

07.12.1996 Nello Santi/Ulrich Peter; Mara Zampieri, Fabio Armiliato, Juan Pons

17.09.1998 Marcello Viotti/Ulrich Peter; Gabriele Lechner, Giuseppe Giacomini, Giorgio Zancanaro

13.02.2000 Nello Santi/Gilbert Deflo; Elena Prokina, Vincenzo LaScola, Ruggiero Raimondi

16.04.2005 Nello Santi/Gilbert Deflo; Fiorenza Cedolins, Vincenzo La Scola, Renato Bruson

10.01.2007 Nello Santi/Gilbert Deflo; Norma Fantini, Marcello Alvarez, Ruggiero Raimondi

29.03.2009 Paolo Carignani/Robert Carsen; Emily Magee, Jonas Kaufmann, Thomas Hampson

Inhalt:

Die Oper spielt am 17./18. Juni 1800 in Rom.
Der Maler Cavaradossi bietet dem flüchtigen Staatsgefangenen Angelotti ein Versteck an. Der brutale Polizeichef Scarpia hat es auf Cavaradossis eifersüchtige Geliebte, die Sängerin Floria Tosca, abgesehen. Er nutzt ihre Eifersucht und ihren Hang zur Theatralik für seine Interessen aus. Damit will er den Rivalen Cavaradossi und den politischen Gegner Angelotti aus dem Weg räumen. Ein teuflisches Spiel beginnt, in dem Tosca zu spät erkennt, dass nicht sie Scarpia, sondern er sie täuschte. Scarpia verspricht ihr eine Scheinhinrichtung des Fluchthelfers Cavaradossi. Als sie sich Scarpia dafür sexuell hingeben soll, tötet sie ihn. Die scheinbare Hinrichtung Cavaradossis auf der Engelsburg erweist sich als Betrug, Cavaradossi wird erschossen. Tosca stürzt sich vor den Augen der Verfolger von der Brüstung in die Tiefe.
 
Werk:
Puccinis TOSCA zählt zu den bekanntesten und meistgespielten Opern des gesamten Repertoires. Das kommt nicht von ungefähr. Mit seinem untrüglichen Theaterinstinkt erkannte der italienische Komponist auf Anhieb die Bühnenwirksamkeit des Stoffes (sex, power and crime), kaum hatte er das Schauspiel von Sardou mit Sarah Bernhardt in der Titelrolle gesehen.
Die für die Bühne geforderte Einheit von Ort und Zeit ist in geradezu idealer Weise gewahrt, läuft die Handlung doch innerhalb von nicht einmal 24 Stunden in Rom ab. (Kirche, Palazzo Farnese, Engelsburg). Obwohl der Zeitpunkt des Geschehens klar fixiert ist (17. Juni 1800, Rom), darf nicht übersehen werden, dass Puccini durchaus auch einen Kommentar zu seiner eigenen Gegenwart (restaurative Tendenzen unter Umberto I.) und somit auch einen allgemeingültigen abgab und die oft verhängnisvolle Entente zwischen Kirche und Staatsmacht anprangerte und das Streben nach der Freiheit des Individuums betonte.
 
Die Musik ist von dramatischer Durchschlagskraft, peitscht die Handlung atemlos vorwärts, die ruhenden Pole, die Arien und Duette, sind relativ kurz gehalten, dafür von unermesslicher Schönheit.
Die Kritik stand dem Werk lange abwertend gegenüber, es wurde als „schäbiger Schocker“ bezeichnet, als „Folterkammermusik“ und „Affenschande“. Doch wird Puccini unterschätzt: Seine TOSCA ist eine dramatisch äusserst stringente Oper, die keine Stilbrüche enthält, wie z. B. die im selben Jahrzehnt entstandenen Werke von Richard Strauss (SALOME / ELEKTRA) mit ihren Walzereinschüben.
 
Musikalische Höhepunkte:
Recondita armonia, Arie des Cavaradossi, Akt I
Non la sospiri la nostra casetta, Arioso der Tosca, Akt I
Va, Tosca! (Te deum), Scarpia, Finale Akt I
Vittoria, vittoria, Szene Cavaradossi, Scarpia, Tosca, Akt II
Vissi d’arte, Arie der Tosca, Akt II
E lucevan le stelle, Arie des Cavaradossi, Akt III
O dolci mani, Cavaradossi-Tosca, Akt III

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