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Wiesbaden: TOSCA, 05.12.2019

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Tosca

copyright: Martin Kaufhold, mit freundlicher Genehmigung Hessisches Staatstheater Wiesbaden

Oper in drei Akten | Musik: Giacomo Puccini | Libretto : Giuseppe Giacosa und Luigi Illica | Uraufführung: 14. Januar 1900 in Rom | Aufführungen in Wiesbaden: 1.12. | 5.12.2019 | 5.1. | 11.1. | 29.2. | 12.4. | 28.5.2020

Kritik:

TOSCA – das ist Sex and Crime, ein Thriller, bei dem von Puccini keine Note zu viel oder zu wenig gesetzt wurde,  ein atemberaubender Ritt durch knapp 24 Stunden – von den Schöpfern komprimiert auf zwei - , der am Ende drei Menschenleben fordert. Die Regisseurin der Wiesbadener Produktion (Premier war 2007), Sandra Leupold, schreibt denn auch im Programmheft, dass TOSCA nicht zu nobel daherkommen solle, um die Brutalität des Geschehens nicht abzumildern. Da hat sie natürlich recht. Doch trotzdem schafft sie durch die Inszenierung im ziemlich hässlichen Einheitsbühnenbild von Tom Musch eine unnötige Distanz zwischen Aufführung und Publikum. Wir sehen also eine Art Theaterfoyer im Betonbunker-Look, viele Ausgänge, aber nur einen Eingang in der Mitte, Fenster, hinter denen sich Marienstatuen befinden, im größten Fenster der Gekreuzigte. Für den zweiten Akt werden diese Fenster durch rote Samtvorhänge verhüllt, der Gekreuzigte bleibt aber sichtbar (Toscas Kantate bei der Königin wird davor aufgeführt, und später wird Cavaradossi da auch gefoltert, mit goldener Dornenkrone – das ist dann ein wenig gar dick aufgetragen, man kann ein Libretto auch zu wörtlich nehmen). Besonders störend sind die grün flackernden Neonröhren an der Decke. Angesiedelt haben die Regisseurin und die Kostümbildnerin Marie-Luise Strandt die Handlung etwa zur Entstehungszeit der Oper, das kann man gut machen, wobei die Erwähnung Bonapartes dann natürlich etwas deplatziert wirkt, ist aber von der politischen Konstellation her durchaus passabel und kann man so durchgehen lassen... . Allerdings sind die Kostüme von Tosca nun keineswegs weniger nobel geraten, als in konventionellen Inszenierungen, von daher ist dann die Inszenierung kaum mutiger, als viele andere des Werks auch. Und wie gesagt, der oft etwas arg strapazierte Kniff vom Theater auf dem Theater schafft eine kühle Distanzierung, welche gerade bei TOSCA nicht notwendig ist. Selbstverständlich kann Tosca hier am Ende nicht von der Engelsburg springen (ist schwierig vom Bunker aus). Sie schnappt sich Spolettas Pistole, mit der er zuvor Cavaradossi erschossen hatte, und richtet sich so selbst. Interessant ist jedoch der Einfall, den Klerus und die Politiker bei der fingierten Scheinhinrichtung anwesend sein zu lassen. Auch dass sich die Schergen wie Buben auf die Hinrichtung freuen und gar mittels Münzenwurf den Schützen auslosen, ist eine ausgezeichnete Idee. Überhaupt, das muss man der Spielleiterin Silvia Gatto zugute halten (die Produktion ist ja angekündigt als „Inszenierung nach Sandra Leupold“), überzeugt die starke Personenführung und Charakterzeichnung dermaßen, dass man die wenig Atmosphäre ausstrahlende Bühne dann doch schnell vergisst und so trotzdem in den soghaften Strudel der Handlung eintauchen kann. Das liegt natürlich auch und vor allem an den exzellenten Sängerdarstellern. Adina Aaron bringt alles mit, was die Tosca braucht: Eine mühelos ansprechende Stimme für alle Lagen, ein warmes, erotisch-dunkles Timbre, Koketterie, Dramatik, Eifersucht und die starke Liebe, die sie zur Mörderin macht! Ganz wunderbar interpretiert sie die diversen komplexen Gefühlswelten von Tosca, kulminierend im innig und zart vorgetragenen Gebet Vissi d’arte im zweiten Akt. Rodrigo Porras Garulo singt den Cavaradossi mit herrlich strahlendem Tenor, wunderbarer Phrasierung – ein Stimme, der man gespannt folgt, die ohne Schluchzer und Drücker auskommt, frisch, unverbraucht, eine wahre Wonne! Daneben verfügt er aber auch über unforcierte Kraft für die beeindruckenden Vittoria! – Ausrufe im zweiten Akt nach der Folterszene und für rührende Innigkeit bei E lucevan le stelle im dritten Akt. Von Morgenstimmung ist da allerdings nichts zu sehen, die genau komponierten Glockenklänge Puccinis verhallen im Orchester ohne Entsprechung im Beton-Theater-Foyer auf der Bühne. Nur der Hirte (Stella An) tritt im Rokoko-Kostüm auf und verbreitet etwas (gerade hier aber unnötiges) Kolorit. Es lohnt sich aber auf jeden Fall, dem Orchester genau zuzuhören, denn Christoph Stiller und das Hessische Staatsorchester Wiesbaden spielen einen unerhört feinnervigen, wunderbar auf die wechselnden Stimmungen ausgehorchten Puccini. Weich, transparent fließend, sehr schön gerundet und trotzdem die Modernität der Instrumentierung nicht vernachlässigend. Großartig! Die wenigen Klangballungen sind präzise gesetzt und gerade im Te Deum äußerst effektvoll aufgebaut, unterstützt vom klangprächtigen Chor und Extrachor des Hessischen Staatstheaters (einstudiert von Albert Horne) und der Kinderkantorei der Ev. Singakademie Wiesbaden. Dieses Te Deum verfehlt seine Wirkung nicht, denn Kammersänger Thomas de Vries als Polizeichef Scarpia stimmt mit seinem fantastisch subtil geführten Bariton in den Kirchengesang ein, verleiht ihm die unterschwellig bedrohliche Note. Überhaupt ist seine Zeichnung des Bösewichts Scarpia überaus differenziert gehalten. Er zeigt das Fiese, das Durchtriebene und die Geilheit durchaus auch mit Charme und faszinierendem Sarkasmus, eine sehr intelligente Charakterzeichnung. Gelungen auch die Interpretation des Mesners von Benjamin Russell, eine unterwürfige, scheinheilige Naschkatze. Den Schergen des Polizeichefs, Spoletta und Sciarrone, verleihen Erik Biegel und Daniel Carison starkes Profil. Der Flüchtling Angelotti, der das ganze Drama eigentlich auslöst, wird von Young Doo Park mit wohlklingendem Bass interpretiert. Viel verdienter Applaus für alle Ausführenden im nicht ganz voll besetzten Haus!

Inhalt:

Die Oper spielt am 17./18. Juni 1800 in Rom.
Der Maler Cavaradossi bietet dem flüchtigen Staatsgefangenen Angelotti ein Versteck an. Der brutale Polizeichef Scarpia hat es auf Cavaradossis eifersüchtige Geliebte, die Sängerin Floria Tosca, abgesehen. Er nutzt ihre Eifersucht und ihren Hang zur Theatralik für seine Interessen aus. Damit will er den Rivalen Cavaradossi und den politischen Gegner Angelotti aus dem Weg räumen. Ein teuflisches Spiel beginnt, in dem Tosca zu spät erkennt, dass nicht sie Scarpia, sondern er sie täuschte. Scarpia verspricht ihr eine Scheinhinrichtung des Fluchthelfers Cavaradossi. Als sie sich Scarpia dafür sexuell hingeben soll, tötet sie ihn. Die scheinbare Hinrichtung Cavaradossis auf der Engelsburg erweist sich als Betrug, Cavaradossi wird erschossen. Tosca stürzt sich vor den Augen der Verfolger von der Brüstung in die Tiefe.
 
Werk:
Puccinis TOSCA zählt zu den bekanntesten und meistgespielten Opern des gesamten Repertoires. Das kommt nicht von ungefähr. Mit seinem untrüglichen Theaterinstinkt erkannte der italienische Komponist auf Anhieb die Bühnenwirksamkeit des Stoffes (sex, power and crime), kaum hatte er das Schauspiel von Sardou mit Sarah Bernhardt in der Titelrolle gesehen.
Die für die Bühne geforderte Einheit von Ort und Zeit ist in geradezu idealer Weise gewahrt, läuft die Handlung doch innerhalb von nicht einmal 24 Stunden in Rom ab. (Kirche, Palazzo Farnese, Engelsburg). Obwohl der Zeitpunkt des Geschehens klar fixiert ist (17. Juni 1800, Rom), darf nicht übersehen werden, dass Puccini durchaus auch einen Kommentar zu seiner eigenen Gegenwart (restaurative Tendenzen unter Umberto I.) und somit auch einen allgemeingültigen abgab und die oft verhängnisvolle Entente zwischen Kirche und Staatsmacht anprangerte und das Streben nach der Freiheit des Individuums betonte.
 
Die Musik ist von dramatischer Durchschlagskraft, peitscht die Handlung atemlos vorwärts, die ruhenden Pole, die Arien und Duette, sind relativ kurz gehalten, dafür von unermesslicher Schönheit.
Die Kritik stand dem Werk lange abwertend gegenüber, es wurde als „schäbiger Schocker“ bezeichnet, als „Folterkammermusik“ und „Affenschande“. Doch wird Puccini unterschätzt: Seine TOSCA ist eine dramatisch äusserst stringente Oper, die keine Stilbrüche enthält, wie z. B. die im selben Jahrzehnt entstandenen Werke von Richard Strauss (SALOME / ELEKTRA) mit ihren Walzereinschüben.
 
Musikalische Höhepunkte:
Recondita armonia, Arie des Cavaradossi, Akt I
Non la sospiri la nostra casetta, Arioso der Tosca, Akt I
Va, Tosca! (Te deum), Scarpia, Finale Akt I
Vittoria, vittoria, Szene Cavaradossi, Scarpia, Tosca, Akt II
Vissi d’arte, Arie der Tosca, Akt II
E lucevan le stelle, Arie des Cavaradossi, Akt III
O dolci mani, Cavaradossi-Tosca, Akt III

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