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Zürich: PARSIFAL, 23.03.2013

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Parsifal

copyright: Suzanne Schwiertz, mit freundlicher Genehmigung Opernhaus Zürich

Bühnenweihfestspiel in drei Akten | Musik: Richard Wagner | Libretto: vom Komponisten, nach dem mittelalterlichen Epos von Wolfram von Eschenbach und anderen Quellen | Uraufführung: 26. Juli 1882 in Bayreuth | Aufführungen in Zürich: 23.3. | 28.3. | 1.4.2013

Kritik:

„Nie hört' ich, nie träumte mir, was jetzt ich hört' ...“ war man am Ende des zweiten Akts (in leichter Abänderung von Parsifals Worten) versucht auszurufen. Denn dieser zweite Akt geriet gestern Abend im Opernhaus Zürich zu einer zauberhaften musikalischen Offenbarung mit geradezu süchtig machender Sogwirkung. An diesem musikalischen Wunder wirkten sowohl die mit ausgesprochen subtiler Klangfarbenmischung aufwartende Philharmonia Zürich unter Mikko Francks sensiblem Dirigat als auch Angela Denoke (Kundry), Stuart Skelton (Parsifal), Tobias Schabel (Klingsor) und die Blumenmädchen (Ivana Rusko, Herdis Anna Jónasdóttir, Daria Telyatnikova, Sen Guo, Susanne Grosssteiner, Irène Friedli) und der Chor der Damen ebenbürtig mit.

Mikko Franck evoziert einen wunderbar ruhig fliessenden, die Motive mit feinfühliger Transparenz an- und aufeinander legenden, sanft und doch zielstrebig und spannungsgeladen voranschreitenden PARSIFAL. Er schafft wunderbar gebaute Ruhepunkte in denen die Musik still zu stehen scheint (... zum Raum wird hier die Zeit), doch vermeidet er geschickt das Aufbauen schwülstiger Kathedralen. Die Steigerungen wirken stets kontrolliert, die Klangmassierungen sind nie breiig. Die Streicher spielen mit einschmeichelnder Wärme, Holz- und Blechbläser mischen ihre meist dunklen Klangfarben mit ausgewogener Subtilität bei. Obwohl die Tempi getragen wirken, kommt einem die lange Oper nicht lange vor. Dies liegt natürlich auch an der Inszenierung von Claus Guth, welche durch ihre Verortung in die Zeit der Parsifal-Hysterie (ab 1913 - vor ziemlich genau 100 Jahren fand ja die erste Aufführung ausserhalb Bayreuths in Zürich statt) den Gottesdienstcharakter des Werks vermeidet und eine feinsinnige, das Werk jedoch in keinster Weise missachtende Gesellschaftskritik zur Diskussion stellt. Dazu verweise ich auf meine Besprechung der Premiere von 2011: http://www.oper-aktuell.info/kritiken/details/artikel/zuerich-parsifal-26062011.html

Von den InterpretInnen der Hauptpartien sind Stuart Skelton (Parsifal) und Pavel Daniluk (ein grossartiger, durch die Inszenierung eindringlich aufgewerteter Titurel) sowie einige Blumenmädchen noch dabei. Besonders gespannt war man natürlich auf das Hausdebüt von Angela Denoke als Kundry – und wurde nicht enttäuscht. Sie ist durch und durch das rätselhafte, durch die Jahrhunderte schwebende Wesen, zeigt Mütterlichkeit und betörende weibliche Verführungskünste mit erotisierender Wärme und blühender, jubelnder Intensität in der Stimme, scheut die verhexten, irren Ausbrüche nicht, erreicht mühe- und bruchlos das lange und sicher gehaltene H (bei „Gottheit“ im zweiten Akt)! FANTASTISCH!!! Genauso atemberaubend ist Stuart Skelton als Parsifal in seiner Erkenntnis des Schmerzes, des Mitleids. Er zeichnet den Weg des tollpatschigen, tumben Toren zum „Heilsversprecher“ und Führer in der viel zu engen Uniform mit wunderschön ebenmässiger Tongebung und vortrefflicher Phrasierung nach. Geradezu ein Ereignis ist das Rollen- und Hausdebüt von Tobias Schabel als Klingsor: Keine vor Hässlichkeit triefenden Töne verströmt sein prachtvoller, mit Eleganz geführter Bass, sondern runde, autoritäre Klänge. Eine Interpretation, welche ausgezeichnet zur Inszenierung passt: Klingsor, der verstossene Sohn des Titurel und Bruder des Amfortas, ein smarter, auf subtile Rache sinnender junger Mann. Damit ist er seinem Bruder zumindest ebenbürtig: Detlef Roth zeigt mit hell timbriertem und sehr deutlich artikulierendem Bariton berührend das schmerzvolle Leiden des Gralskönigs. Jan-Hendrik Rootering als Gurnemanz erhielt nicht ganz so viel Applaus wie seine Kollegen, eigentlich unverdient. Denn sein mit väterlich-grossväterlicher Güte und Wärme strömender, ungemein sauber intonierender Bass liess die unendlichen, schwierig zu bewältigenden Textfluten des priesterlichen Grunemanz nie uninteressant erscheinen. Andreas Winkler und Boguslaw Bidzinski sind überzeugend nachfragende Knappen. Berührend ist Irène Friedlis als Stimme aus der Höhe mit bewegender Emphase vorgetragene Phrase „Durch Mitleid wissend ...“ . Eindrucksvoll, wenn auch von der schwierigen Koordination her ab und an etwas wackelnd die Chöre aus dem Off, umso präsenter dann dafür die Leistungen der Männerchöre (Chor, Zusatzchor und SoprAlti der Oper Zürich) auf der Bühne. Erwähnenswert auch die vortreffliche Darstellungskunst der Pantomimen, welche die psychisch und physisch verwundeten Soldaten in diesem „Zauberberg-Sanatorium“ darstellen.

Fazit: Grossartig, ohne falsches Pathos und Schwulst – und der zweite Akt ein musikalischer Hochgenuss!

Besetzung:

Amfortas: Detlef Roth (23. und 28.3.) Egils Silins 1.4.

Gurnemanz: Jan-Hendrik Rootering

Kundry: Angela Denoke

Parsifal: Stuart Skelton

Klingsor: Tobias Schabel

Dirigent: Mikko Franck

Werk:

PARSIFAL, das letzte Bühnenwerk Wagners, fügt sich nahtlos in sein Schaffen ein. Die Thematik des Erlösungsgedankens, welcher seit seinem FLIEGENDEN HOLLÄNDER sein Werk und seine (zum Teil kruden) Philosophien durchzogen hatte, wird in dieser Oper nochmals in aller Deutlichkeit veranschaulicht: Die Erlösung des Menschen von seinen Sünden durch eine von Mitleid erfüllte, reine Seele. Hier ist es Parsifal, der reine Tor, welcher durch Mitleid wissend wird.

Nach dem Willen Wagners (und vor allem seiner zweiten Frau Cosima) sollte PARSIFAL ausschliesslich in Bayreuth gespielt werden dürfen. Doch die Metropolitan Opera verletzte den Urheberrechtsschutz bereits 1903 mit einer szenischen Aufführung in New York. 1913 lief die offizielle Schutzfrist aus. Cosima kämpfte vergeblich um eine Verlängerung. Das Opernhaus Zürich zeigte die erste legitime und vollständige Aufführung ausserhalb Bayreuths.

Musikalisch gehört Wagners Partitur zum Erhabensten, was der Komponist geschaffen hatte, auch wenn, wie oft bei ihm, gewisse Passagen vor Geschwätzigkeit nur so strotzen (die unendlich langen Erzählungen Gurnemanz'). Doch dann beglückt die Musik wieder mit einem berührenden, nie leeren Pathos, einer unendlichen Schönheit, Tiefe und Reinheit, einem „ausserordentlichen Gefühl, Erlebnis und Ereignis der Seele im Grunde der Musik, das Wagner die höchste Ehre macht.“ (Friedrich Nietzsche, der sich von Wagner abgewandt hatte, nachdem er das Vorspiel I gehört hatte.)

Neben aller Erhabenheit und Schönheit der Musik ist PARSIFAL aber auch ein inhaltlich streckenweise kaum geniessbares Konglomerat aus christlichen (Fusswaschung, Taufe, Abendmahl, heilige Lanze, Christi Blut), buddhistischen (Figur der Kundry mit ihren Wiedergeburten, Verbot des Tötens von Tieren) und freimaurerischen (Initiationsriten, Männerbünde) Ingredienzen. Es wurde als unmenschliches, frauenfeindliches und die sterile Männerwelt und ihre militärisch-mönchischen Ideale verklärendes Spektakel bezeichnet. (Wapnewski). Der von Wagners Witwe Cosima begründete Kult der beinahe alljährlichen „Enthüllung“ des Grals, sprich Aufführung des PARSIFAL im Festspielhaus auf dem grünen Hügel, begründete den an pseudoreligiöse Hysterie gemahnenden Gottesdienstcharakter, welchen eingefleischte Wagnerianer in diesem Werk erleben wollen. Für andere hingegen war PARSIFAL (und seine Zelebrierung in Bayreuth) eine „Geschichte, die ordentlich schlecht riecht wie die Kirche, die nie gelüftet worden ist … eine Weihrauchmuffelei, eine ungesunde geistliche Wundmalverzückung … fast ein Brechmittel.“ (Elisabeth von Herzogenberg).

Inhalt:

Vorgeschichte: Titurel, der Hüter des Heiligen Grals (Kelch, in welchem das Blut Christi vom Kreuz aufgefangen wurde) und des Heiligen Speers (mit welchem Christus am Kreuz die Seitenwunde zugefügt wurde) ist alt geworden. Sein Sohn Amfortas soll sein Nachfolger als Gralshüter werden. Bei einer Auseinandersetzung mit dem abtrünnigen Gralsritter Klingsor erliegt er fleischlichen Verlockungen und hat zudem den Heiligen Speer an diesen verloren. Klingsor fügte ihm damit eine Wunde zu, welche sich seither nicht mehr schliesst.

Oper: Gurnemanz, ein alter Gralsritter, trifft das Weib Kundry, eine Gefallene zwischen Heiliger und Hexe (sie verspottete einst Christus am Kreuz und muss seither unerlöst durch die Welt ziehen). Sie bringt einen Balsam, welcher Amfortas Linderung verschaffen soll. Doch gemäss einer Prophezeiung wird dies nur ein „reiner Tor“ schaffen, der durch Mitleid wissend geworden ist. Dieser scheint in dem Burschen Parsifal gefunden zu sein, welcher in den Park einbricht und einen Schwan erlegt. Doch die weihevolle Enthüllung des Grals, zu welcher ihn Gurnemanz mitnimmt, lässt den Jungen sprachlos zurück. Gurnemanz jagt ihn davon. Parsifal gelangt ins Reich Klingsors. Dieser will ihm mit Hilfe Kundrys die Unschuld rauben. Doch ihr Kuss macht ihm Amfortas' Qualen und deren Ursachen bewusst, er stösst Kundry von sich. Ihr hysterischer Ausbruch ruft Klingsor herbei, welcher Parsifal mit dem Heiligen Speer töten will. Doch der Speer bleibt über Parisfals Haupt schweben, er ergreift ihn, schlägt damit das Kreuzeszeichen und bringt so Klingsor und sein Zauberreich zum Verschwinden. Nach langer Irrfahrt findet Parsifal an einem Karfreitag den Weg zur Gralsburg wieder. Titurel ist unterdessen gestorben und Amfortas hat sich seither geweigert, den Rittern die Gnade und die Kraft der Enthüllung des Grals zuteil werden zu lassen. Parsifal schliesst mit dem Speer endlich Amfortas' Wunde und enthüllt den Gral. Als Zeichen der göttlichen Gnade schwebt ein weisse Taube vom Himmel. Kundry ist erlöst von ihrem Fluch, sinkt zu Boden. Parsifal ist der neue König und Hüter des Grals.

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