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Zürich, Opernhaus: LOHENGRIN; 04.05.2025

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Lohengrin

copyright aller Bilder: Toni Suter, mit freundlicher Genehmigung Opernhaus Zürich

Stellar cast: Piotr Beczała, Simone Schneider, Martin Gantner, Anna Smirnova, Christof Fischesser singen unter der Leitung von Axel Kober

Romantische Oper in drei Akten | Musik: Richard Wagner | Libretto: vom Komponisten | Uraufführung: 28. August 1850 in Weimar | Aufführungen in Zürich (Wiederaufnahme): nur noch übermorgen Sonntag, 4. Mai2025

Kritik: 

Diese „Lohengrin-goes-Bierzelt-Inszenierung von Andreas Homoki sah ich nun bereits zum dritten Mal – und sie gefällt mir von Mal zu Mal besser. Die Personenführung und Charakterisierung der Protagonist*innen und des Chors ist von unaufdringlicher aber bestechend sinnfälliger Genauigkeit, das Setting im bäuerlichen Ambiente des Freistaates Bayern ist zum Stoff passend gewählt. Somit kann ich (leicht aktualisiert) getrost zitieren, was ich über die Inszenierung vor beinahe elf Jahren geschrieben hatte: „Zwei brennende Herzen (Anspielung auf „Zwei Herzen, die vor Liebe brennen“ aus der Zauberflöte?) prägen die Befindlichkeit Elsas: Übergross ziert das Votivbild den Zwischenvorhang, en miniature hängt es an der Wand des schmucklosen Wirtshauszimmers (einmal mehr eine eher triste Einheitsbühne von Wolfgang Gussmann, der auch die putzigen Lodenjanker, Krachledernen und Trachtenschürzen zu verantworten hat). Immer wieder stellt sich Elsa andächtig vor das Bild, träumt vom „(Liebes-) Glück, das ohne Reu’“. Mutwillig durchbohrt Ortrud das geliebte Bild mit der Faust in ihrem fulminanten Auftritt im zweiten Akt vor dem Münster (welcher hier natürlich auf den hübsch drapierten Wirtshaustischen stattfindet). Wenn sich der Zwischenvorhang hebt, sind wir mitten in der kleinbürgerlich-rückständigen Welt eines Alpenvolkes. Elsa wird wie eine Sau durchs Dorf getrieben, da sie angeblich unzüchtig war und sogar ihren Bruder ermordet haben soll. Wir wähnen uns auf den ersten Blick in einem Ludwig Ganghofer Roman – doch was für unvorbereitete Zuschauer leicht als Lohengrin-Persiflage interpretiert werden könnte, entpuppt sich sehr schnell als stringente, klug durchdachte und sehr genaue Analyse der Konflikte, welche in der wohl schönsten und traurigsten Oper Wagners angelegt sind. Die Vorgeschichte müssen wir als Bebilderung des Vorspiels über uns ergehen lassen, indem der Zwischenvorhang transparent wird und wir Anteil haben können am dörflichen Geschehen: einem Begräbnis (Elsas und Gottfrieds Vater), einer geplatzten Hochzeit (Elsa brüskiert ihren Vormund Telramund, welcher sich dann eher aus Not als aus Liebe die einflussreiche Bäuerin Ortrud nimmt). Das Getrampel auf der Bühne stört leider etwas die sphärischen Klänge des Vorspiels, welches von der Philharmonia Zürich unter der Axel Kober so exquisit und mit grandiosem crescendo dargeboten wird. 

Aus den ersten Klängen aus dem Graben heraus entwickelt sich allerdings ein Wagner-Abend der richtiggehend einfährt, eine grandiose Sogwirkung entfaltet und - und das ist das Erstaunlichste - das gewöhnungsbedürftige, nüchterne Guckkasten-Wirtshaus-Ambiente mit dem Personal im alpenländischen Trachtenlook nach wenigen Minuten vergessen lässt. Die Inszenierung berührt, zieht einen in ihren Bann – wenn man bereit ist, sich auf die grundsätzlichen Überlegungen des Regisseurs einzulassen. Andreas Homoki legt keinen Wert auf überladen-romantisierendes, heldenhaftes Getue (wie Claus Helmut Drese in der Vor-Vorgänger Inszenierung und davor Hans Peter Lehmann mit seinem impressionistisch lichten LOHENGRIN an diesem Haus), sondern schält mit klarer Hand die dem Stück inhärenten zwischenmenschlichen und politischen Konflikte heraus. Er bezieht eindeutig Stellung und flüchtet sich nicht in abstrakte Installationen (wie Bob Wilson in der Vorgängerinszenierung.) Wischiwaschi ist ihm nach eigenem Bekunden ein Graus. Gut so! Mit ungemein präziser Hand führt er die Massen: Da sind sie, die trutzig an ihrer Unabhängigkeit festhaltenden, moralisierenden, abergläubischen Kleinstaatler. Sie finden sich in Kärnten, im Berchtesgadener Land, in Obwalden oder eben auch in Brabant), welche breitbeinig auf den Holzstühlen hocken, selbstsicher in ihrer engen, beschränkten Welt. Die „fremden Fötzel“, die autoritär-grossflächiger denkenden Männer um König Heinrich werden skeptisch beäugt. Diese müssen mit Tricks, mit Zuckerbrot und Peitsche versuchen, die Hinterwäldler ins Boot (oder eben in fremde Händel) gegen den Feind von Osten zu holen. Gekonnt manipuliert Heinrich (mit tatkräftiger Hilfe seines fürs grobe zuständigen Adlatus, dem Heerrufer) die Massen, spielt mit deren Glauben an Wunder, hält demagogische Wirtshausreden (Für deutsches Land das deutsche Bier – oder so). Damit umschifft Homoki auf amüsante und doch einsichtige Weise die Klippen des nach den Erfahrungen des vergangenen Jahrhunderts und dem Missbrauch der Lohengrin-Musik durch Nazi-Deutschland, des aus heutiger Sicht allzu martialisch-chauvinistisch klingenden Textes. “ Unterdessen wurde auch textlich die letzte Phrase Lohengrins abgeändert: Das Wort „Führer“ ist in einigen Kreisen zum Unwort geworden, stattdessen singt nun Lohengrin am Ende: „Zum „Schützer“ sei er euch ernannt“, wenn Gottfried sich langsam aus embryonaler Haltung im weissen Nachthemd zum jungen Mann transformiert. Genau, wie auch Lohengrin im ersten Akt in diesem bayerischen Wirtshaus als Erlöser erschienen ist – wie der ertrunkene Knabe im Wunder von Altötting … .“

Die Derniere dieser Wiederaufnahme-Serie knapp elf Jahre nach der Premiere hielt das Versprechen, das die Besetzungsliste angekündigt hatte. Ja mehr als das: Dieser LOHENGRIN hatte eindeutig Wagner-Festspiel-Qualität. Das Publikum war am Ende zu Recht ganz aus dem Häuschen und bedankte sich mit Jubelstürmen bei allen auf der Bühne Beteiligten. Der Hausherr und Regisseur Andreas Homoki sass in der Intendantenloge – zeigte sich aber nicht vor dem Vorhang. Axel Kober und die bestens disponierte Philharmonia Zürich sorgten für die die so wunderbar ätherischen Klänge des Vorspiels, liessen eine bestechende Transparenz der klanglichen Disposition aufschimmern, eine Interpretation, welche die wunderbar atmenden Melodiebögen freizulegen imstande war. Die Holz- und Blechbläser und die warm intonierenden Streicher sorgten für farbenreiche Momente, brachten die so reine, tonale Partitur zu beglückendem, Geist und Gefühle erhebendem Klingen. Und beglückend und unter die Haut gehend war auch der Gesang der Solist*innen und des mit einer breiten Ausdruckspalette dynamisch differenziert und klangstark intonierenden Chors, Zusatzchors und der SoprAlti der Oper Zürich (Einstudierung Janko Kastelic). Piotr Beczała ist wohl neben Klaus Florian Vogt (er sang die Rolle vor elf Jahren hier in Zürich) DER Star-Interpret Lohengrins unserer Tage. Sein Gesang, seine kluge Phrasierung, seine Textverständlichkeit und sein edles Timbre sind schlicht von überragender Schönheit. Ausgerechnet während der Gralserzählung hatte er das Pech eines kurzen Aussetzers (Aufstossen, Frosch im Hals?), der nur wenige Sekunden dauerte und den er souverän meisterte. Das ist halt live und menschlich. Nur an wenigen Pianostellen wurde die Stimme etwas dünner (Abschied vom Schwan) – aber immerhin wagte er es, wirkliche Piani zu singen und nicht im sicheren, bequemeren mf-bis ff Bereich zu verharren. Alles in allem eine Bravour-Leistung! Die Elsa von Simone Schneider war grandios: Leicht eingedunkeltes, wunderbar warmes Timbre, volle Strahlkraft und bestechend sicher in der Intonation. Mit grosser Einfühlsamkeit in die seelische Befindlichkeit Elsas sang sie ihre Auftrittsarie Einsam in trüben Tagen und den Nachtgesang Euch Lüften, die mein Klagen. Fantastisch war ihre herrliche Durchschlagskraft in Ensembleszenen (die „Concertati“ erinnern an Belcanto-Opern) und Finale. Als Ortrud entpuppte sich Anna Smirnova als eine Wucht: Wie sie da als derb-fesche Bäuerin von Berghof stand, Blumenbouquets von den Tischen kickte, die Arme in die Hüften gestemmt und ihr bösartig-intigantes Spiel betrieb, das war umwerfend gut. Dazu eine Stimme, die durch Mark und Bein geht, mit Falschheit schmeicheln und höhnisch brüllen kann. Einfach Klasse! Ihr schadenfreudiges Gelächter, das mitten ins Finale des zweiten Aufzugs krachte, wäre einer Klytämnestra würdig gewesen. Drei Sänger waren bereits vor elf Jahren dabei, alle drei befanden sich gestern Nachmittag erneut in Bestform und alle drei gestalteten ihre Partien mit exzeptioneller Diktion. Christof Fischesser gab mit seinem klangvollen Bass einen starken, jugendlich klingenden König Heinrich. Martin Gantner vermochte der nicht gerade als Sympathieträger angelegten Partie des Telramund mit intensiv wuchtigem Bariton als Telramund differenzierte Facetten abzuringen und Michael Kraus trumpfte mit geradliniger Autorität als Heerrufer auf. Das gesamte Solisten-Sextett verlieh der Aufführung eine fesselnde, theatralische Lebendigkeit, weckte Interesse und zog mit ausserordentlich packendem Wagner-Gesang in seinen Bann. Ein Abend der Spitzenklasse, der auch zeigte, auf welch hohes Niveau Andreas Homoki das Opernhaus Zürich während seiner Intendanz gehoben hat. Man verliess die (restlos ausverkaufte) Aufführung beglückt und voller Dankbarkeit.

Werk:

Während seiner Beschäftigung mit dem TANNHÄUSER stolperte Wagner auch über den mittelalterliche LOHENGRIN-Stoff und erkannte in dem strahlenden Ritter sich selbst als einen von Gott gesandten und von der öden Welt missverstandenen Künstler. So lässt sich LOHENGRIN auch als autoritär-patriarchalisches Seelen- und Künstlerdrama begreifen. Das Frageverbot Lohengrins (dieses musikalische Motiv durchzieht die gesamte Oper) kommt geradezu dem göttlichen Verbot des Genusses der Früchte vom Baum der Erkenntnis im Alten Testament gleich und mit dem Brechen des Verbotes durch Elsa landet Wagner einmal mehr bei der Ur-Schuld des Weibes. Elsas Gegenspielerin Ortrud ergeht es durch Wagners Behandlung auch nicht besser: Durch ihre Zerstörung spricht Wagner als reaktionärer Anhänger der „Revolution von oben“ den Frauen jegliche Einmischung in Politik und Kunst ab.

Der Uraufführung (von seinem späteren Schwiegervater, Franz Liszt, geleitet) in Weimar konnte der Komponist nicht beiwohnen, da er wegen Mitbeteiligung an den revolutionären Aufständen steckbrieflich gesucht wurde und sich ins Schweizer Exil begab. Erst 1861 erlebte er erstmals eine (unbefriedigende) Aufführung seiner Oper in Wien.

Nur schon das Vorspiel zum ersten Akt offenbart das kompositions- und orchestrierungstechnische Genie Wagners. „Wir haben hier in der Tat ein gewaltiges, langsames crescendo, welches, auf dem höchsten Grade der Klangfülle angelangt, im umgekehrten Sinne sich zu einem Ausgangspunkte zurückwendet und in einem fast unhörbaren Säuseln endigt. ..für mich ist es ein Meisterwerk.“ (Hector Berlioz)

Obwohl das Drama ganz vom Text her erschlossen und musikalisch durchgestaltet ist, lassen sich in der durchkomponierten Grossform eingebettete „Nummern“ erkennen. Elsas Traumerzählung „Einsam in trüben Tagen“, Elsas Szene „Euch Lüften, die mein Klagen“ und das anschliessende „Duett“ mit Ortrud, welches in der unübertrefflich schönen Phrase endet „Es gibt ein Glück, das ohne Reu' “, der Brautchor im dritten Akt, die Liebesszene im Brautgemach „Wir sind allein“ und Lohengrins Gralserzählung „In fernem Land“.

Giuseppe Verdi sah sich mit dem Vorwurf konfrontiert, die sphärisch klingenden geteilten Streicher der TRAVIATA Vorspiele Wagners Grals-Klängen im LOHENGRIN abgekupfert zu haben. Dies trifft jedoch kaum zu, da Verdi den Lohengrin erstmals 1871 in Bologna, beinahe 20 Jahre nach der Entstehung seiner TRAVIATA, gesehen hatte und sich auch sonst der LOHENGRIN vorerst nur zögerlich verbreitete. Heute gehört dieses Werk zu den beliebtesten Opern Richard Wagners.

Inhalt:

König Heinrich I. versucht in Brabant ein Heer zu sammeln, um das Deutsche Reich gegen Einfälle der Ungarn im Osten zu bekämpfen. Doch bald tritt diese Aufgabe in den Hintergurnd, da er Gericht halten muss über einen Erbfolgestreit in Brabant. Die Kinder des verstorbenen Herzogs, Elsa und Gotthelf, sind dem Grafen Freidrich von Telramund anvertraut worden. Telramund klagt Elsa des Brudermordes an, da Gottfried verschwunden sei. Telramund hat Ortrud, eine Nachfahrin eines Friesenfürsten geheiratet und begehrt nun den Thron Brabants. Elsa bestreitet jegliche Schuld und berichtet von einem Traum, in welcher ihr ein Ritter beigestanden sei. Da Aussage gegen Aussage steht, ordnet Heinrich ein Gottesgericht an. Zunächst erscheint jedoch kein Ritter, wlcher für Elsa kämpfen will. Doch plötzlich erscheint ein wundersamer Mann und bürgt für Elsa. Zugleich will er Elsa unter der Bedingung, dass sie ihn nie nach seinem Name und seiner Herkunft befrage, zur Gemahlin nehmen. Im Zeikampf besiegt der strahlende Ritter Telramund, tötet ihn jedoch nicht.

Telramund ist entehrt und bezichtigt seine Gemahlin Ortrud der Schuld. Beide beschliessen, Elsa zur verhängnisvollen Frage zu bewegen und damit ihr Glück zu zerstören. Ortrud schmeichelt sich bei Elsa ein und sät den Zweifel in ihrem Herzen. Als sich der Brautzug mit dem Ritter und Elsa vom Münster her nähert, tritt Ortrud dazwischen und klagt Elsa an, die nicht einmal den Namen ihres Gatten kenne, während sie selbst von adliger Herkunft sei. Telramund klagt den Ritter des Zaubers an, doch König Heinrich weist alle Klagen ab. Auch Elsa bleibt – vorerst – ihrem Versprechen gegenüber noch standhaft.

Doch die üble Saat des Zweifels geht in der Brautnacht auf. Elsa kann nicht länger widerstehen und stellt die verhängnisvolle Frage. Gleichzeitig dringt Telramund mit Verbündeten ins Brautgemach ein. Der Ritter erschlägt ihn. Vor dem König und dem versammelten Volk klagt der Fremde Elsa der Untreue an, da sie ihm die verbotene Frage gestellt habe. Er will sie zwar beantworten, kann aber aus diesem Grund nicht länger in Brabant weilen. In der Gralserzählung schildert er seine Abstammung vom Gralskönig Parzival und nennt seinen Namen: Lohengrin. In schrecklichem Triumpf berichtet Ortrud, dass sie selbst den Herzog Gottfried in einen Schwan verzaubert hätte, in den selben Schwan, welcher nun den Nachen des Ritters zieht. Gottfried wird durch ein Gebet Lohengrins vom Zauber erlöst, Ortrud sinkt tot nieder, Elsa sinkt ebenfalls erschöpft zu Boden und stirbt. Lohengrin entschwindet, unendlich traurig.

Von mir besuchte Vorstellungen von LOHENGRIN am Opernhaus Zürich:

8.5.1977

ML: Ferdinand Leitner, Inszenierung: Hans Peter Lehmann; L: Sven Olof Eliasson, E: Jeannine Altmeyer, O: Carol Smith, T: Roland Hermann, König: Werner Gröschel

13.1.1982

ML: Ferdinand Leitner, I: Claus Helmut Drese; L: Siegfried Jerusalem, E: Kathrine Montgomery-Meissner, O: Rose Wagemann, T: Roland Hermann, K: Matti Salminen

12.2.1982

ML: Christoph Escher, I: Claus Helmut Drese; L: Mario Brell, E: Lisbeth Balslev, O: Ute Vinzing, T: Roland Hermann, K: Matti Salminen

10.4.1985

ML: Ferdinand Leitner, I: Claus Helmut Drese; L: Siegfried Jerusalem, E: Beatrice Niehoff, O: Eva Randova, T: Roland Hermann, K: Matti Salminen

29.9.1991

ML: Ralf Weikert, I: Robert Wilson; L: Gösta Winbergh, E: Lucia Popp, O: Anja Silja, T: Rolf Haunstein, K: Matti Salminen, Heerrufer: Rodney Gilfry

4.9.1993

wie 29.9.1991, ausser Elsa: Gabriele Lechner

21.9.2014

ML: Simone Young, I: Andreas Homoki; L: Klaus Florain Vogt, E: Elza van den Heever, O: Petra Lang, T: Martin Gantner, K: Christof Fischesser

8.7.2015

wie 21.9.2014

Karten

 

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