Zürich: LA FORZA DEL DESTINO, 27.05.2018 & 10.07.2019
Oper in vier Akten | Musik: Giuseppe Verdi | Libretto: Francesco Maria Piave (Urfassung), Antonio Ghislanzoni (Mailänder Fassung), nach Ángel de Saavedras Drama DON ÁLVARO O LA FUERZA DEL SINO | Uraufführung: 10. November 1862 in St.Petersburg, Neufassung: 27. Februar 1869 in Mailand | Aufführungen in Zürich: 27.5. | 30.5. | 2.6. | 7.6. | 10.6.6 | 13.6. | 17.6. | 20.6. | 28.6. 2018
Kritik:
Wiederaufnahme (Vorstellung vom 10.7.2019)
Oftmals ist es durchaus lohnend, sich eine Inszenierung, die man bei der ersten Begegnung als fremd oder unverständlich empfunden hat, nochmals anzusehen. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass diese für einen erst unverständliche Sicht auf das Werk plötzlich in hellerem Licht erscheint. (so geschehen bei mir z.B. mit Sebastian Baumgartens DON GIOVANNI oder Robert Wilsons NORMA). Bei Andreas Homokis ins Groteske verzerrter Interpretation von LA FORZA DEL DESTINO war dies leider nicht der Fall. Auch in der Wiederaufnahme blieb die eigentliche „Story“ der Oper auf der Strecke. Sicher sind da einige beeindruckende Arrangements auf der Bühne zu sehen. Doch noch immer fehlt es an Empathie für die Figuren, an Zeichnung der Charaktere. Im geometrischen, abstrakten und immer noch ausgesprochen hässlich wirkenden Bühnenbild von Hartmut Meyer sind die Figuren ziemlich verloren und greifen auf traditionelle Operngestik zurück, da das Setting nichts an Ambiente hergibt. Auch das Bewegungsvokabular in den Chorszenen kommt einem plötzlich sehr bekannt vor: Hände ringen, um einen geometrischen Körper hetzen, plötzlich zu Boden fallen – das hat man doch eben kürzlich auch in Homokis NABUCCO sehen können. Vokal allerdings gibt's beim Chor (Chor der Oper Zürich, Zusatzchor und SoprAlti) nichts zu bemängeln, das hatte mitreissende Kraft, packend von A bis Z.
Von der Premierenbesetzung übrig geblieben sind der Dirigent, GMD Fabio Luisi, Georg Petean als Don Carlo di Vargas und Jamez McCorkle als Trabuco. Luisis Interpretation war erneut bis ins letzte Detail fein ausgehorcht, wunderbar sauber und präzise spielte die Philharmonia Zürich im Graben. Da liessen viele Soli aufhorchen, die Violine des Konzertmeisters beim Vergine degli angeli, die Klarinette, die Flöte, die Harfe, die Fanfarenstösse des Blechs – alles ganz fantastisch und berührend musiziert. Georg Petean wiederholte seine grossartige Leistung als Don Carlo, begeisterte mit wohltuend gepflegtem Gesang, unforciert und doch überaus präsent, perfekt phrasiert und mit schön gerundetem Bariton gestaltend. Urna fatale ein Höhepunkt des Abends, ganz im Dienste der Musik und des Textes gestaltet, die Cabaletta zum Niederknien! Jamez McCorkle gab erneut einen wenigen, diabolischen Trabuco als Teil des von Homoki konzipierten Strippen ziehenden Trio infernale, zu dem auch noch der stimmlich und szenisch überragende Melitone von Renato Girolami (Kapuzinerpredigt und Szene vor dem Kloster im vierten Akt) und die mit sattem, üppigem und durchschlagenden Mezzosopran und intensiver Bühnenpräsenz aufwartende Elena Maximova als Preziosilla gehörten. Neu besetzt in dieser Wiederaufnahme war auch die Rolle des Marchese di Calatrava (welcher hier auch als Reinkarnation in der Figur des Padre Guardiano wiederkehrt) mit dem überragenden Wenwei Zhang. Welch ein profunder, sicher intonierender und wunderbar eindringlich gestaltender Bass!
Bleibt das unglückliche Liebespaar Leonora und Don Alvaro. Maria Pia Piscitelli sang die Leonora mit edel timbriertem Sopran, differenziert gestaltend, nie überforcierend, kontrolliert und mit schöner, nur zu Beginn leicht verengter Höhe. Im Verlauf des Abends öffnete sich diese leichte Verengung aber schnell, schon die Klosterszene geriet ganz grandios und erst recht die Arie Pace, pace, bei der auch die Maledizione – Rufe nicht wie so oft gebellt waren, sondern schön ausgesungen wurden. Und dann war da noch das „Ereignis“ des Abends, der Alvaro von Yonghoon Lee. In den vergangen 50 Jahren habe ich in diesem Haus wohl noch nie eine dermassen laute Stimme erlebt, wie diesen Mark und Bein durchdringenden Tenor des Koreaners. Laut, lauter am lautesten – immer wenn man dachte, die Schmerzgrenze sei nun erreicht, vermochte er noch ein paar Dezibel draufzusetzen. Unglaublich! Der Mann scheint über unerschöpfliche, unbegrenzte Kraftreserven zu verfügen. Und das Erstaunlichste: Seine Stimme macht das problemlos mit, alles klingt, abgesehen von einigen manierierten und gaumigen Eindunklungen in der Tiefe, quasi bombensicher (gab's Risse im Putz?) und irgendwie – man wagt es kaum einzuräumen – faszinierend. Gerade ich, der oft an diesem Haus die allzu exorbitante Lautstärke bemängelt, lauschte dieser herrlich virilen Stimme gebannt, aber auch erschlagen, wie vom Donner gerührt. Gerührt war man auch von der Inszenierung dann doch noch am Ende, denn das letzte Bild ist Homoki wirklich bewegend gelungen. Die Familie Calatrava (alle sind ja tot) umarmt sich im utopischen Jenseits, Alvaro bleibt ausgeschlossen von dieser Idylle alleine im Tal der Tränen, das diese Erde nun mal ist, zurück.
Kritik der Premiere vom 18.5.2018
Der abergläubische Fluch, welcher sich seit der Uraufführung über diese Oper von Verdi gelegt hatte, schien sich anlässlich der Premiere gestern Abend im Opernhaus Zürich fortzusetzen. Es reicht ja nicht aus, dass sich das Wort MALEDIZIONE durch das Werk zieht, dass in der ersten Fassung Alvaro am Ende gar die gesamte Menschheit verflucht. An diesem Premierenabend war es, als ob jemand vor der Aufführung MACBETH gepfiffen hätte („Pfeife nie MACBETH“ – auch so ein Aberglaube auf der Bühne): Erst stürzte ein Mann im Foyer so schwer auf den Steinboden, dass die Ambulanz gerufen werden musste, dann verhakte sich, während die Ouvertüre bei offenem Vorhang gespielt wurde, ein Zugseil eines Bühnenelements - die zur Ouvertüre geplante Aktion konnte nicht ausgeführt werden. Vorhang. Doch Fabio Luisi und die Philharmonia Zürich spielten Verdis wohl grandioseste Ouvertüre unverdrossen zu Ende – und wie! Das war zum Niederknien schön, von einer mitreissenden Dramatik erfüllt, die Kontraste zwischen aufpeitschenden, schneidenden, schicksalsschwangeren Akkorden und zarter Innigkeit aufs Herrlichste herausgearbeitet. Dann ging der Vorhang hoch, der Intendant (und Regisseur dieser Produktion), Andreas Homoki, bat um Verständnis – und liess die Vorstellung gleich nochmals von vorne beginnen. Man kam also in den Genuss einer Reprise der Ouvertüre, diesmal klappte auch die Bühnenaktion einigermassen. (Beim ersten Mal allerdings hatte die Ouvertüre noch besser geklungen als bei dieser ungewollten Wiederholung.) Doch damit nicht genug der unheilvollen Vorzeichen: Im Vorfeld der Premiere erkrankte der Sänger des Alvaro (Yonghoon Lee), Marcelo Puente übernahm. Wenige Tage vor der Premiere erkrankte auch noch Ruben Drole, der die (in dieser Inszenierung besonders wichtige) Partie des Fra Melitone hätte singen sollen. Gezim Myshketa sprang ein - ein absoluter Glücksfall!!! Seine Auftritte als Melitone gerieten zu den musikalischen Höhepunkten des Abends, die Kapuzinerpredigt war eine Wucht. Als Bestandteil des von Regisseur Homoki konzipierten „Trio infernale“ war Melitone zusammen mit Preziosilla und Trabuco ständig präsent auf der Bühne, sang neben dem Melitone auch noch den Alcade und den Chirurgo. In seiner Ansage nach dem Zwischenfall mit der blockierten Wand sprach Homoki von einem „sophisticated“ Bühnenbild (Hartmut Meyer). Nun das war es in der Tat, denn die vier riesigen Flügeltüren liessen unzählige Möglichkeiten der Raumaufteilung (und damit der Schauplatzveränderung, welche gerade in dieser Oper so häufig gefordert werden, wie in kaum einer andern) zu. Diese vier Wände konnten sich nach vorne oder hinten öffnen und schliessen, eine fest gefügte gerade oder gezackte Rückwand oder einen Kubus bilden (geometrische Körper auf der Bühne scheint Homoki zu mögen, so kann man den Chor rundherum jagen). Die Bühne war also wirklich „sophisticated“, aber auch ausgesprochen hässlich: Die vier Wände waren in einem graugrünen Farbton gestrichen (wie man sie von Armee-Panzern kennt, mit weissem Mittelstreifen, der wie eine Sicherheitslinie auf einer Strasse aussah). Boden und Bühnenabschluss nach hinten waren rot-schwarz gestreift, die Streifen auf dem Boden diagonal verlaufend, hinten auf der einen Seite vertikal, auf der andern horizontal. Aber natürlich passte diese unansehnliche Bühne ausgezeichnet zum Grundkonzept der Inszenierung, nämlich das Panoptikum des Welttheaters, welches diese grossflächig angelegte Oper Verdis auszeichnet, ins Groteske zu ziehen. Verdi hat wie kaum ein anderer seiner Zeit die Devise Victor Hugos (das shakespearsche Nebeneinander von Erhabenem und Lächerlichem, von Sublimem und Groteskem) in LA FORZA DEL DESTINO umgesetzt. Andreas Homoki dreht jedoch in seiner Regiearbeit diese Schraube vielleicht einen Dreh zu weit, indem er sich eben praktisch ausschliesslich diesem Schrillen, Absurden zu widmen scheint, die eigentliche Tragik des Geschehens links liegen lässt, das Ganze als einen albtraumhaften Verarbeitungsprozess Leonores sieht. So verschmelzen Homoki und sein Team wie erwähnt die Nebenrollen zu einem dauerpräsenten, dämonisch-diabolischen Trio, welches fies in die Handlung eingreift, dem Schicksal ganz konkret nachhilft. Auch der in dieser Oper so wichtige Chor ist hier eine krude Ansammlung von grotesken Gestalten, meist müssen die Sängerinnen und Sänger in gebückter Haltung, mit geknickten Knien über die Szene schleichen, genau wie das Trio infernale. Die Kostüme von Mechthild Seipel für den Chor und für Preziosilla, Melitone und Trabuco sind ganz grosse Klasse, alle in Schwarz gehalten, mit roten Accessoires (Schärpen, Krawatten, Haare ...), die Gesichter auffallend weiss geschminkt, mit akzentuierten schwarzen Augenumrandungen. Das hat was Puppenhaftes (könnte von Achim Freyer sein), Bedrohliches, Marionettenhaftes – und passt zum kasperlehaften Touch, den die Inszenierung so kriegt. Was allerdings auf der Strecke bleibt, ist das Drama, die fatalen Beziehungen zwischen den Hauptpersonen werden kaum ausgeleuchtet, noch erhalten diese besonderes Profil. Weder Rassendiskriminierung, noch Standesdünkel, noch väterlicher Machtmissbrauch, noch kollektive Kriegslust sind ein grosses Thema. Wer also mit dieser Inszenierung der Oper zum ersten Mal begegnet, tut gut daran, sich vorgängig mit dem Inhalt auseinanderzusetzen. Für seine Sichtweise auf das Werk erhielt dann das Inszenierungsteam an der Premiere auch nicht nur Zustimmung.
Fabio Luisis grossartiges Dirigat konnte man wie erwähnt schon in der Ouvertüre geniessen, die Philharmonia Zürich glänzte auch im weiteren Verlauf mit einer Leistung auf allerhöchstem Niveau, besonders auch die solistischen Passagen (Klarinette, Harfe, Solovioline) erklangen mit eindringlicher Finesse. Der von Janko Kastelic einstudierte Chor der Oper Zürich (inklusive Zuzüger, Zusatzchor und SoprAlti) meisterte seine immensen Aufgaben vortrefflich, klangschön und mit voluminöser Plastizität gestaltend, von feiernden, unbeschwerten Studenten, über betende Mönche zum kriegslüsternen Rataplan, um dann am Ende als kriegsversehrte Bettler um Brot zu bitten.
Neben dem bereits eingangs gelobten Gezim Myshketa als Fra Melitone gehörten J'Nai Bridges als Preziosilla und Jamez McCorkle zum dämonisch die Strippen ziehenden Trio der Nebenfiguren. J'Nai Bridges besitzt einen angenehm gefärbten Mezzosopran und gestaltete die Rolle mit enormer szenischer Präsenz. In den schnelleren Passagen (Viva la guerra) mogelte sich sich ab und an etwas über die Präzision hinweg. Jamez McCorkle gab einen wendigen, agilen Trabuco.
Bleiben die vier Protagonisten (Leonoras Vater und Pater Guardiano waren zu ein und derselben Person in diesem Albtraum zusammengezogen – ähnlich wie in Herheims Inszenierung in Berlin, nur dass dort der sexuelle Missbrauch und Inzest im Zentrum stand): Hibla Gerzmavas Rollendebüt wurde zu Recht stürmisch gefeiert. Sie besitzt die bruchlose Rundung der Stimme für die anspruchsvolle Partie, kann wunderbar differenziert singen, bereits ihre Romanze im ersten Akt eine kleine Offenbarung. Im zweiten Akt legte sich ihre Stimme mit schönster Intensität über das Gebet der Pilger. Etwas zu viel Härte mischte sich phasenweise in ihre Arie vor dem Kloster. Wunderbar dann das Duett mit Padre Guardiano, dem Christof Fischesser (wie erwähnt sang er auch den Marchese di Calatrava im ersten Akt) mit seinem phantastisch klar geführten Bass eindringliche Profundität verlieh. Sehr gelungen dann das Vergine degli angeli, prächtig unterstützt von den Männern des Chores, welche sich allerdings schnell von Mönchs-Schlümpfen wieder in die grotesken, schwarz-roten Fratzen des Albtraums verwandelten. Kitschige Kerzenstimmung kam nie auf ;-)). Im dritten Akt hat Leonore nichts zu suchen, aber weil dies hier ja ihr Albtraum ist, geistert sie auch in diesem Akt auf den Kriegsschauplätzen herum. Und selbst in der Szene vor dem Kloster im vierten Akt taucht sie auf, obwohl sie sich ja zum Dahindarben in der Einsiedelei verpflichtet hatte ... . Die bekannteste Arie Leonoras (und Standard-Arie in vielen Solorezitals bedeutender Sopranistinnen) Pace, pace, mio Dio wurde von Hibla Gerzmava mit warmer Stimmgebung und immenser Eindringlichkeit vorgetragen und mit unter die Haut gehenden Maledizione-Ausbrüchen beendet. Ihr rachsüchtiger, auf Blutrache fixierter Bruder Don Carlo wurde von George Petean dargestellt. Sein kerniger, satter Bariton sass ausgezeichnet. Darstellerisch konnte er der Rolle zwar nicht allzu viel Profil verleihen, doch seine Arie Urna fatal und die Treue-/Kampf-Duette mit Alvaro oder die Wahrsage-Szene mit Preziosilla waren schon bemerkenswert sicher und begeisternd gesungen, wenn auch alles ein wenig im lauteren Bereich. Dieses laute Singen traf noch extremer auf den Don Alvaro von Marcelo Puente zu, bei dessen Vortrag sich auch noch stellenweise ein unschönes Vibrato auf die eh schon nicht ganz frei schwingende Stimme legte.
In Zürich spielte man Verdis zweite Fassung (zweifelsohne die bessere dieser Oper) von 1869, an deren Ende eben nicht Alvaros Selbstmord steht, sondern die Utopie der sterbenden Leonora, dass in dem gelobten Land, in welches sie nun voranschreitet, der Kampf ein Ende habe und Friede einkehre. Szenisch wurde diese Utopie von Andreas Homoki und Hartmut Meyer und der intensiven Lichtgestaltung von Franck Evin sehr klug gestaltet: Das familiäre Trio (Leonora, Carlo, Marchese) liegt sich friedlich und versöhnt in den Armen, doch die Wand schliesst sich – der einzige Überlebenden (Alvaro) wird nicht zum Bestandteil der familiären Idylle, der Randständige bleibt draussen vor der Tür. Die drei Dämonen werden ihr brutales Spiel mit dem Schicksal der Menschen auf Erden fortsetzen.
Insgesamt muss man sagen, dass Verdis Meisterwerk LA FORZA DEL DESTINO in Zürich immer noch einer restlos überzeugenden Interpretation harrt. Dies war die dritte Neuinszenierung von Verdis Oper innerhalb der letzten 26 Jahre in Zürich (also gar nicht seltener neu inszeniert als RIGOLETTO, MACBETH oder OTELLO). Doch weder Tony Palmer (1992), noch Nicolas Joël (2005) vermochten kluge Akzente zu setzen. Immerhin hebt sich diese Neuinszenierung des Hausherrn mit ihrem ins Groteske zielenden Ansatz von den nichtssagenden Vorgängerproduktionen ab. Der Schlussapplaus war jedoch ausgeprochen kurz.
Meine persönlichen Favoriten sind aber nach wie vor Herheim (Staatsoper Berlin), Neuenfels (Deutsche Oper Berlin) oder die fulminante Produktion von Sebastian Baumgarten vorletztes Jahr in Basel.
Inhalt:
Der Marchese di Calatrava widersetzt sich einer Verbindung seiner Tochter mit dem Inkaspross Don Alvaro. Er überrascht die Liebenden bei ihrer geplanten Flucht. Alvaro will nicht kämpfen und wirft seine Pistole weg. Dabei löst sich ein tödlicher Schuss aus der Waffe, dem Leonoras Vater erliegt. Sterbend verflucht er Leonora. Der Bruder Leonoras, Don Carlo, schwört Rache an seiner Schwester und ihrem Mestizen-Liebhaber. Leonora und Alvaro fliehen und verlieren sich dabei aus den Augen.
In einem Gasthaus treffen wir auf den als Studenten verkleideten Don Carlo. Auch seine Schwester Leonora ist hier, als Mann verkleidet. Sie belauscht eine Unterhaltung Don Carlos und erfährt, dass ihr Geliebter Don Alvaro nicht - wie sie vermutet hatte - tot ist. Leonora macht sich davon, bevor sie entdeckt wird. Preziosilla, eine junge Zigeunerin, tritt auf und wirbt freiwillige für den Krieg in Norditalien an. Auch Don Carlo tritt dieser Freiwilligen Armee bei, da er jegliche Hoffnung aufgegeben hat, seine Schwester jemals wieder zu finden.
Unterdessen hat Leonora Zuflucht in einem Kloster gefunden. Sie will da als Einsiedlerin ihre Schuld büssen. Fra Melitone, der Pförtner, will sie zuerst nicht einlassen. Doch sie klärt den Prior Pater Guardiano über ihre wahre Identität auf. Sie verspricht, diese Einsiedelei nie mehr zu verlassen. Die Mönche schwören, dieses Geheimnis zu bewahren und jeden, der es breche, soll der Fluch des Himmels treffen.
Auch Don Alvaro hat sich aus Verzweiflung über die Trennung von Leonora als Soldat verdingt. Bei einem Angriff rettet er ausgerechnet Don Carlo das Leben – er ist sich nicht bewusst, dass es sich dabei um Leonoras Bruder handelt. Beide schwören sich ewige Freundschaft. In der Schlacht wird Alvaro verwundet. Er übergibt Don Carlo ein Päckchen mit Briefen, das dieser verbrennen solle. Dabei fällt ein Bild Leonoras aus dem Päckchen. Nun erkennt Don Calo die Identität seines Freundes – er fordert ihn nach dessen Genesung zum Duell. Sie werden von den Wachen jedoch getrennt und Alvaro, der immer friedliebend war, beschliesst ins Kloster zu gehen. Fra Melitone predigt auf dem Schlachtfeld über die Sünden der Menschen. Preziosilla stimmt den kriegerischen Rataplan-Chor an.
Vor dem Kloster streitet sich Fra Melitone mit den hungrigen Bettlern. Alvaro lebt unterdessen in diesem Kloster als Bruder Raffaele. Carlo stürmt bewaffnet ins Kloster und will Alvaro (Raffaele zum Kampf herausfordern. Doch dieser weigert sich. Daraufhin haut ihm Carlo eine runter. Nun kann sich auch Alvaro nicht mehr zurückhalten. Kämpfend nähern sich die beiden Leonoras Einsiedelei. Alvaro verwundet Carlo tödlich. Er klopft an die Tür von Leonoras Klause um einen priesterlichen Beistand für den sterbenden Carlo zu finden. Er kann seinen Augen nicht glauben, als er im Einsiedler Leonora erkennt. Sie beugt sich über den verletzten Bruder. Der nimmt seine letzte Kraft zusammen und ersticht seine Schwester. Schwer verletzt liegt sie in den Armen ihres Geliebten Alvaro. Pater Guardiano ist unterdessen auch herbeigeeilt. Alvaro verflucht die Macht des Schicksals, doch Guardiano und die sterbende Leonora versprechen ihm Gottes Vergebung. (In der Urfassung stürzt sich Alvaro von einem Felsen in den Tod.)
Werk:
LA FORZA DEL DESTINO steht am Übergang von Verdis erfolgreichen Opern aus der mittleren Schaffensperiode (RIGOLETTO, LA TRAVIATA, IL TROVATORE, UN BALLO IN MASCHERA) zu den reifen Spätwerken AIDA, OTELLO und FALSTAFF. Oft hat man sich über die „Zufälle“ und Ungereimtheiten des Librettos lustig gemacht, dabei beinhaltet es eine geradezu shakespearsch anmutende Konfrontation von tragischen, grotesken und komischen Elementen. Zudem beinhalten die Vorlage des spanischen Dichters und ihre Umsetzung durch Verdi nicht nur Anklänge an die Schauerromantik, sondern auch Strömungen anti-klerikaler und anti-legalistischer Art und unverhohlener Kritik an kriegerischer Art der Problemlösung. Die wechselnden Schauplätze (Schlafzimmer Leonoras, Wirtshaus, Schlachtfeld, Kloster) boten Verdi vielfältige Möglichkeiten zur kontrastreichen Zeichnung von individuellem Schicksal und grossflächigen Chor- und Volksszenen. Wichtige Themen wie Rassendiskriminierung, Standesdünkel, Blutfehde, Familienehre, Kriegslust und – elend stellen die Pfeiler dieser nur auf den ersten Blick abstrusen Oper dar. Zudem hat Verdi mit der Überarbeitung für die Aufführung in Mailand eine etwas abgemildetere Fassung erstellt, die sich schliesslich erfolgreich durchsetzte. Mit seinem berühmten trocken-schwarzen Humor sagte der Komponist nach einer Aufführung in Rom: „ Bei so vielen Mängeln und so vielen Absurditäten des Librettos ist es ein Wunder, dass nicht wenigstens der Impresario (der Römer Oper) davon getötet worden ist.“
Die Musik zu LA FORZA DEL DESTINO gehört zu Verdis effektvollsten Partituren und bietet den Solisten und dem Chor überaus dankbare Aufgaben.