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Zürich: DER ROSENKAVALIER, 30.06.2013

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Der Rosenkavalier

copyright: Suzanne Schwiertz, mit freundlicher Genehmigung Operrnhaus Zürich

Komödie für Musik in drei Aufzügen | Musik: Richard Strauss | Libretto: Hugo von Hoffmannsthal | Uraufführung: 26. Januar 1911 in Dresden | Wiederaufnahme in Zürich: 30.6. | 4.7. | 9.7. | 12.7.2013

Kritik:

Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding ... Aber dann auf einmal, da spürt man nichts als sie singt die Marschallin in ihrem Monolog. Tatsächlich, die Zeit kann einem lange vorkommen in diesem Konversationsstück, welches mit einer Aufführungsdauer von weit über vier Stunden zu den ganz grossen Brocken des Musiktheaters zählt. Allein, man muss sich auch vor ihr nicht fürchten philosophiert die Marschallin weiter. Genau das trifft auch auf diesen Abend zu, vor einem ROSENKAVALIER in einer dermassen konzentriert-analytischen und doch berührenden Qualität braucht sich niemand zu fürchten. Manchmal wäre man am liebsten aufgestanden und hätte die Uhren alle, alle stillhalten lassen, weil's gar so schön war. Das liegt natürlich einerseits an der geradezu genialen Zusammenarbeit von Komponist und Librettist, andererseits an der stimmigen, geradlinigen und ungezuckerten Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf in der Aussstattung von Rolf und Marianne Glittenberg, an der Besetzung der drei Frauenrollen und am Dirigat von Fabio Luisi, welcher mit der bestens disponierten Philharmonia Zürich einen unsentimentalen Zugang zum Werk findet, eine Interpretation, die ohne schwelgerischen Weichspüler und falsche Süsslichkeit auskommt. Das mag ab und an etwas nüchterner als gewohnt klingen, deckt jedoch die dem Werk oft abgesprochene Modernität auf und vernachlässigt trotz vorwärtsdrängender Tempi die tiefer schürfende Emotion nicht. Man hört kein spätromantisches mit Rokoko-Puder verdicktes Schwelgen, sondern einen bei aller Wucht des Riesenorchesters ungekünstelten Richard Strauss, einen Strauss mit Reibungen und aufrüttelnden, auch orgiastischen Dissonanzen, eine Musik, bei der man spürt, dass der Komponist eben auch die ELEKTRA geschrieben hat. Einige Partien sind immer noch (oder wieder) mit den Interpreten der Premiere aus dem Jahr 2004 besetzt: Allen voran Nina Stemme als überragender Marschallin. Welch eine Ausdruckskraft in der voluminöser und fraulicher gewordenen Stimme, die trotz vieler Wagnerpartien die Eleganz und die Geläufigkeit im Parlando nicht verloren hat. Ihr zur Seite der Octavian von Vesselina Kasarova: Frau Kasarova spielt diesen sexuell erwachenden Jüngling glaubwürdig, erfrischend aufmüpfig und burschikos. Ihre ausgesprochen satte Stimme setzt sie im ersten Akt manchmal mit allzu stark aufgedrehtem Volumen ein, wie wenn sie fürchten müsste, die Stimme könnte sonst nicht gleich ansprechen. Dabei waren weder die Intonation noch die Phrasierung gefährdet und es bleibt zu hoffen, dass sie die manchmal unmotiviert lauten Töne etwas zurücknehmen kann, damit auch in diesem Akt die von Nina Stemme so eindringlich und bewegend intendierten subtilen Zwischentöne zur Geltung kommen können. Als Mariandl hingegen glänzt Frau Kasarova mit unbändiger Lust am transvestitischen Spiel und köstlicher vokaler Gestaltung! Zum Glück waren auf der Bühne lauter Sängerinnen und Sänger zu erleben, welche sich auch vor einem temperamentvoll lauten Octavian nicht zu fürchten brauchten. Nina Stemme weist den Kerl mit ihren wunderbar organisch aufgebauten Forte-Passagen autoritär in die Schranken und die leuchtend silbrig alle überstrahlende, blitzsauber singende Sophie von Rachel Harnisch ist geradezu ereignishaft. Alfred Muff ist ein fabelhafter Ochs, orgelnd, deftig, derb, mit einer natürlichen Lust am Spiel, an der Gestaltung – und mit eindrucksvoller Tiefe!!! Zu diesem die Aufführung und das Werk prägenden Quartett gesellen sich mit Martin Gantners vortrefflichem und mit ausgezeichneter Diktion aufwartenden Faninal, dem witzig-intriganten Paar Annina/Valzacchi von Irène Friedli und Michael Laurenz und der aufgeregten Leitmetzerin von Liuba Chuchrova weitere bewährte Kräfte des vorzüglichen Zürcher Ensembles. Als „Schachautomaten-Sänger“ hat Stefan Pop einen kurzen Arien-Auftritt im ersten Akt, neben wunderschön geratenen Phrasen spürt man auch, dass er kraftvoll mit der hohen Tessitura kämpfen muss.

Vor dem traumhaft sinnlichen Terzett der drei hohen Frauenstimmen (so tief in die weibliche Seele blickend konnte nur Straus komponieren!) im dritten Akt fällt die Illusion des Spiels in sich zusammen: Zurück bleiben drei Frauen in unterschiedlichen Lebenssituationen, das Ende ist offen. Ein halb Mal lustig, ein halb Mal traurig ...

Werk:
Nach den zum Teil bis an die Grenzen der Tonalität reichenden Werken SALOME und vor allem ELEKTRA stellt DER ROSENKAVALIER einen vermeintlichen Rückschritt zu einer gefälligeren Tonsprache dar. Doch auch in dieser genialen Komödie hört man chromatische Verschiebungen und Reibungen, sie sind aber in den dramatischen Verlauf und den immer wieder aufblitzenden Wohlklang (Walzerfolgen, Ariosi) integriert. DER ROSENKAVALIER ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte, er markiert den letzten Welterfolg einer deutschen Oper und gehört bis heute zu den Repertoirestützen jedes Opernhauses. Das Werk mit einer Aufführungsdauer von beinahe fünf Stunden ist das Produkt der einzigartigen künstlerischen Zusammenarbeit von Dichter und Komponist, Hoffmannsthal und Strauss (welche mit ELEKTRA begann und über ARIADNE AUF NAXOS, DIE FRAU OHNE SCHATTEN, INTERMEZZO und DIE ÄGYPTISCHE HELENA – zur Zeit an der Deutschen Oper Berlin zu erleben – zur ARABELLA führte).
Durch die Gestaltung des Octavian als Hosenrolle und die somit entstehende Verschmelzung von drei Frauenstimmen entwickelt Richard Strauss eine erotische Klangfarbe, welche im Terzett am Ende des dritten Aktes in einem der schönsten Musikstücke der gesamten Opernliteratur kulminiert.

Inhalt:
Die Feldmarschallin, eine ungefähr 30jährige, verheiratete Frau, hat ein Verhältnis mit dem 17jährigen Octavian. Nach einer Liebesnacht der beiden erscheint der Vetter der Marschallin, der verarmte Baron Ochs auf Lerchenau, welcher sich mit der Tochter des neureichen Herrn von Faninal verheiraten will. Octavian verkleidet sich als Kammerzofe. Die Marschallin schlägt Octavian als Rosenkavalier (Brautwerber) für Ochs vor. Bei der Überreichung der silbernen Rose verlieben sich jedoch Sophie von Faninal und Octavian ineinander. Nach einigen Intrigen und Verwicklungen wird Ochs blossgestellt, die Marschallin entsagt ihrer Liebe und führt das junge Paar zusammen.

Musikalische Höhepunkte:
Di rigori armato il seno, Arie des Sängers, Akt I
Da geht er hin, Monolog der Marschallin, Akt I
Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding, Marschallin Akt I
Er kommt, er kommt, Überreichung der Rose, Akt II
Ich hab’ halt schon einmal, Walzer des Ochs, Akt II
Hab mir’s gelobt, Terzett Marschallin, Octavian, Sophie, Akt III
Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein, Duett Octavian, Sophie, Akt III

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