Pfäffikon, reformierte Kirche: SINFONIA CONCERTANTE, 07.04.2018
Antonio Salieri: Sinfonia veneziana | Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonia concertante Es-Dur, KV 364 | Antonio Rosetti: Symphonie in G-Dur, A40 | Dieses Konzert am 7. April 2018 in Pfäffikon
Kritik:
Von einem rundum begeisternden Konzert des Kammerorchesters AMICI DELL'ARTE ist zu berichten und von einer fast einmaligen Gelegenheit, die Musik dreier Zeitgenossen der Klassik innerhalb einer guten Stunde zu erleben und zu vergleichen. Denn Antonio Salieri, Wolfgang Amadeus Mozart und Antonio Rosetti kamen im selben Jahrzehnt (zwischen 1750 und 1757) zur Welt, waren alle drei zu ihrer Zeit erfolgreich, doch im allgemeinen Empfinden hat nur einer ruhmreich überlebt, nämlich Mozart. Woran das liegen mag, lässt sich vielleicht anhand der langsamen Sätze in den drei an diesem Abend aufgeführten Kompositionen ergründen, denn gerade in den langsamen Sätzen zeigt sich meines Erachtens die Tiefe der Inspiration und der Empfindung. Während man mit einem Presto oder einem Rondo noch schnell einmal einen mitreissenden Effekt erzielen kann, braucht ein Andante oder ein Adagio doch einen ganz besonderen Gehalt, um ins Herz der Zuhörer vorzustossen. Um es gleich vorwegzunehmen – da hatte bei diesen drei Werken Mozart eindeutig die Nase vorn: Das Andante in seiner SINFONIA CONCERTANTE war in der Interpretation des Kammerorchesters AMICI DELL'ARTE unter der einfühlsamen Leitung von Marcel Blanchard und der beiden exzellenten Solisten Sandro Tigishvili (Violine) und Aurélie Bernet (Viola) denn auch ein bewegendes klangliches Erlebnis. Der Satz ist von einer ganz besonderen Innigkeit geprägt, hier stehen die beiden Streichersolisten klar im Mittelpunkt und Sandro Tigishvili und Aurélie Bernet erfüllten die Kostbarkeit dieser Partitur mit beseeltem Spiel. Der klare, helle Klang von Tigishvilis Violine kontrastierte wunderbar mit der warmstimmigen Viola von Aurélie Bernet, es ergab sich ein hoch spannendes Dialogisieren, ein drängendes Fragen und Antworten, blitzsaubere Läufe von Tigishvili und die leicht melancholisch gefärbten Erwiderungen von Bernets Viola ergänzten sich zu einem atemberaubenden, nie die Spannung abbrechen lassenden Musizieren, das ein traumhaftes Versinken in die von Mozart evozierte Stimmung bewirkte. Hochklassig!
Dagegen nahm sich (mit Verlaub, denn er war selbstverständlich auch ein grossartiger Komponist - vor allem seine Opern verdienten mehr Beachtung!) Salieris Andante aus der das Konzert eröffnenden SINFONIE VENEZIANA doch etwas bescheidener und simpler gestrickt aus. Marcel Blanchard jedoch verstand es, auch aus dieser gefälligen Musik durch klug disponierende Spannungsbögen und stimmige dynamische Differenzierung das Maximum herauszuholen. Bei Rosetti ist das Andante (der dritte Satz seiner viersätzigen Symphonie in G-Dur) technisch zwar hervorragend geschrieben. Spannend ist die gedämpfte Stimmung zu Beginn des Satzes, doch der Komponist machte irgendwie zu wenig daraus und vermochte deshalb keine nachhaltige Wirkung zu erzielen.
In den schnelleren Ecksätzen können alle drei Komponisten ebenbürtig mithalten. Salieris VENEZIANA eröffnete mit spritziger Kraft (wunderbar präzise wurden die Begleitfiguren durch die zweiten Violinen gespielt), da wechselte dunkles Grollen der tiefen Streicher mit luftigem Seitenthema, die beiden Hornistinnen und die beiden Oboistinnen prägten mit ihren herrlich intonierten Phrasen das abschliessende Presto, das Marcel Blanchard spannend, aber nicht überhastet dirigierte. Einen wunderschönen Bogen spannte der Dirigent auch mit der Einleitung im ersten Satz von Mozarts SINFONIA CONCERTANTE, legte den satten, aber stets transparent gehaltenen orchestralen Teppich für die beiden Solisten, welche ihre virtuosen Solopassagen und Dialoge mit brillanter Tongebung und subtilem Wettstreit in der Kadenz interpretierten, und trotz aller spielerischen Konkurrenz immer wieder zu fantastischer Synchronizität fanden. Von den Finalsätzen begeisterte derjenige von Rosettis SYMPHONIE A40 am meisten, den dieser Komponist verstand es, die Effekte mit Rasanz und Ideenreichtum voll auszukosten, kein Wunder also, dass der Schlussteil dieses Presto-Satzes als Zugabe wiederholt werden musste, sehr zur Freude der Zuhörer. Überhaupt muss man sagen, dass Rosettis Sinfonie wohl DIE Entdeckung des Abends war: Vor kraftvoller Energie nur so strotzend, mit forsch und selbstbewusst voranschreitenden Themen und interessanten Chiaroscuro-Effekten gespickt, von Sturm und Drang geprägt. Das rockte beinahe – und die Spielfreude der Musikerinnen und Musiker des Kammerorchesters AMICI DELL'ARTE war deutlich spür- und hörbar. Wunderbar virtuose Passagen der nun dazu gestossenen Flöte bereicherten den Gesamtklang des Orchesters, einen Klang, der an diesem Abend von ganz besonderer Intensität und Wärme geprägt war.
Werke:
Spätestens seit Milos Formans erfolgreicher Verfilmung von Peter Shaffers Bühnenstück AMADEUS (Vorbild war Puschkins Drama MOZART I SALJERI, von Rimsky Korsakow auch als Oper vertont) gilt Antonio Salieri (1750 – 1825) als intriganter Bösewicht und Neider, der gar Wolfgang Amadeus Mozart vergiftet haben soll. Doch deutet in den Briefen Mozarts und den Berichten von Zeitgenossen nichts darauf hin, dass Salieri ein Mörder des Genies Mozart war. Einzig als verwirrter Sterbender soll Salieri eine Schuld an Mozarts frühem Tod eingeräumt haben, doch ist auch dieser Überlieferung nicht ganz zu trauen, da ein anderer Musiker (Ignaz Moscheles) Salieri kurz vor dessen Tod besucht hatte und ihn folgendermassen zitierte: „ ... Mozart, ich soll ihn vergiftet haben. Aber nein, Bosheit, lauter Bosheit, Sagen Sie es der Welt, lieber Moscheles ...“. Jedenfalls hat Salieri Mozarts Opern und Messen häufig dirigiert, u.a. auch die Uraufführung der grossen c-Moll Sinfonie Mozarts. Aber wie dem auch sei, Salieri war ein bedeutender Musiker der Klassik, komponierte über 40 Opern, Kirchen- , Kammer- und Instrumentalmusik, war ein weitherum geschätzter Musikpädagoge (und auch sehr gefragter Gesangslehrer) und alles, was in der Klassik und Frühromantik Rang und Namen hat, ist von ihm unterrichtet worden. Unter seinen Schülern finden sich Beethoven, Czerny, Hummel, Liszt, Meyerbeer, Reicha, Schubert u.v.a.m. Salieris SINFONIA VENEZIANA ist ein von anonymer Hand zusammengestelltes Pasticcio mit Material aus Salieris Ouvertüren zu LA SCUOLA DE' GELOSI und LA PARTENZA INASPETTATA.
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) komponierte seine SINFONIA CONCERTANTE im Jahr 1779 nach seinen fünf Violinkonzerten, baute auf seiner Erfahrung mit den Streichinstrumenten auf, verarbeitete darin gekonnt die von ihm aufgesogenen Strömungen der zeitgenössichen Tonkunst, so der Mannheimer Schule, seinen Eindrücken aus Paris und seinem Wirken in Salzburg. Für den Bratschenpart wendet er die Technik der Scordatura an, d.h. die Stimmung wird um einen halben Ton höher gesetzt. Damit hebt sich die Solobratsche geschärfter von den Orchesterbratschen ab und vermag klanglich neben der Violine besser zu bestehen. Im ersten Satz kreist Mozart um die majestätische Tonart Es-Dur, überrascht mit synkopischen Abwärtsbewegungen, bietet den beiden Solisten den Boden zu vielfältigem Konzertieren. Das Andante ist in tiefgründigem c-Moll gehalten, vor dem Schluss steht wie im ersten Satz eine auskomponierte Kadenz der beiden Soloinstrumente. Der schwermütige Bann wird im finalen Presto gebrochen, die Finsternis vertrieben, die lebensfrohe Stimmung kehrt zurück.
Im selben Jahr wie Salieri erblickte der böhmische Komponist Antonio Rosetti (1750 – 1792) das Licht der Welt. Rosetti war als Kontrabassist in der Kapelle des Grafen von Oettingen-Wallerstein angestellt, wurde dann auch deren Kapellmeister. Er unternahm eine Reise nach Paris, wo seine Werke Erfolg hatten. Später wechselte er aus pekuniären Gründen an den Hof des Herzogs von Mecklenburg-Schwerin in Ludwigslust, wo er drei Jahre später auch starb. Im 19. Jahrhundert gerieten seine Werke zusehends in Vergessenheit. Er hinterliess ca. 43 Sinfonien, Solokonzerte und geistliche Werke, u.a. wurde sein Requiem and der Prager Trauerfeier für Mozart aufgeführt.