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Pfäffikon: AMICI DELL'ARTE - SERENATA, 30.06.2019

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Amici dell' arte

Applausbilder: K. Sannemann

Achtung: Die letzte Gelegenheit, dieses wunderbare Kammerorchester live zu erleben! Die AMICI verabschieden sich mit Werken von Verdi, Mascagni, Ponchielli, Puccini und Rossini von ihrem treuen Publikum.

Kritik:

Bereits beim enthusiastischen Auftrittsapplaus für das Orchester (der nicht abbrach, bis auch der letzte Musiker auf dem Podest Platz genommen hatte – das erlebt man selbst in der Berliner Philharmonie selten) spürte man, dass den Besucherinnen und Besuchern dieses Konzerts bewusst war, dass etwas Spezielles (und Emotionales) in der Luft lag – nämlich das endgültig letzte Konzert dieses in der Region Zürcher Oberland so beliebten Kammerorchesters AMICI DELL'ARTE aus Pfäffikon ZH. Der Applaus steigerte sich dann nochmals, als der Dirigent und Gründer dieses aus Profimusikern und engagierten, talentierten Laien zusammengesetzten Ensembles, Marcel Blanchard, das Podium betrat. Fulminant legten Orchester und Dirigent los, mit den drei Unisono-Blechbläserstössen und dem unheilsschwangeren Schicksalsmotiv aus Verdis LA FORZA DEL DESTINO. Wunderbar, geradezu himmlisch zart aufsteigend intonierten die hohen Streicher das Thema der Leonora (Madre, pietosa Vergine), wiederholten es bassgrundiert um es später in vollem, unter die Haut gehenden Tuttiglanz erstrahlen zu lassen. Ein orchestraler Höhepunkt gleich zu Beginn dieser SERENATA. Eindrücklich, wie der Dirigent Marcel Blanchard es verstand, nicht nur die kulminierenden Höhepunkte effektvoll aufzubauen, sondern auch immer wieder Wert legte auf das Herausarbeiten von Finessen, da eine warmstimmige Cellokantilene, dort eine virtuose Holzbläserpassage. Nach dieser extrovertierten, von Verdi so genial und treffsicher für die italienischen Aufführungen seiner anachronistischen (Wechsel Drama-Groteske) FORZA-Oper nachkomponierten Potpourri-Ouvertüre, folgte ein ganz und gar introvertiertes Stück: Das Intermezzo aus Pietro Mascagnis Einakter CAVALLERIA RUSTICANA. Weich und berührend war der Fluss, tröstend und trauerumflort zugleich, zum Weinen schön interpretiert, man spürte förmlich Santuzzas Trauer, ihre Ausgeschlossenheit vom österlichen Gottesdienst in der Kirche, wo ihr Geliebter Turiddu mit der ehebrecherischen Lola Platz genommen hatte. Auf die sich dem Ende zuneigende Liebe der Santuzza folgte mit der Arie der Gilda Caro nome che il mio cor aus Verdis RIGOLETTO die träumerische, hoffnungsvolle Liebe, das glückliche, verzückte Seufzen eines jungen, überbehüteten Mädchens, das erstmals Liebesgefühle in sich spürt (und noch nicht ahnt, dass sie diese Gefühle später mit dem Tod bezahlen wird). Die Sopranistin Nicole Bosshard interpretierte diese Arie mit einer berührenden Natürlichkeit, wunderbar sauberen Tonansätzen in der Höhe, unforciert, luftig und neben aller Leichtigkeit mit einem Hauch von Reife. Ponchiellis TANZ DER STUNDEN aus seiner bekanntesten Oper LA GIOCONDA ist innerhalb der Oper ein Fremdkörper (es sei denn, diese Balletteinlage werde spannend choreografiert)– innerhalb eines Konzertprogramms jedoch ein treffsicherer Renner. Marcel Blanchard baute die Aufschwünge dynamisch subtil auf, so dass die Effekte nicht von Beginn weg im Dauerforte verpufften. Der Dirigent verstand es, die tänzerischen Passagen mit Bewegung und Rasanz zu füllen, und dies alles mit ruhiger, konzentrierter Zeichengebung, ohne auf dem Podium rumzuhüpfen. Wohltuend! Danach war wieder die Sopranistin Nicole Bosshard an der Reihe, diesmal mit Puccini. Lauretta bezirzt in der Arie O mio babbino caro ihren Vater Gianni Schicchi, doch einer Testamentsfälschung (in der turbulenten Komödie GIANNI SCHICCHI) zuzustimmen. Nicht ganz uneigennützig, denn so käme ihr Rinuccio zu Geld und die beiden könnten heiraten. Nicole Bosshard sang diese Arie mit so bewegendem, herzerweichendem Ton, dass man ihr alle Wünsche erfüllt hätte. Herrlich eingebettet im warmen Streicherklang des Orchesters erklang ihre wunderschön lyrisch timbrierte Stimme. Sie interpretierte diese Arie nicht als protziges Diva-Stück, sondern evozierte Sinnlichkeit und Gänsehaut. Anschliessend konnte sich Nicole Bosshard wieder in einer ganz anderen Rolle präsentieren, nämlich als naiv unbeschwerter Page Oscar, der in einem emotional aufgeladenen Moment (die Verschwörer wetzen schon die Messer) am Hofe Gustav III. etwas unbeschwerte Heiterkeit in die tragische  Handlung zu Verdis UN BALLO IN MASCHERA zu bringen versucht. Frisch und energiegeladen interpretierte die Sängerin diese spritzige Arie. Energiegealden klang auch der darauffolgende Zigeunerchor aus Verdis IL TROVATORE, in einem eindrücklichen instrumentalen Arrangement. Gerade wenn man wie ich die packende Aufführung der Oper im Klosterhof St.Gallen vor zwei Tagen gesehen hat, war man versucht innerlich mitzusingen, sich von den aufrüttelnden Ambosschlägen mitreissen zu lassen. Den finalen Glanzpunkt setzte das Orchester mit Rossinis Ouvertüre zu LA GAZZA LADRA (Die diebische Elster). Die Oper wird heutzutage kaum noch gespielt (im laufenden Jahr gerade zwei Mal konzertant in Lissabon), die Ouvertüre hingegen ist schon lange ein Wunschkonzerthit. Marcel Blanchard und das Kammerorchester AMICI DELL'ARTE führten die Ouvertüre vom ersten Trommelwirbel an zum Triumph. Dabei ist das Werk beileibe nicht ohne Tücken, die motorische Rasanz erfordert eine ungeheure rhythmische Präsenz der Musikerinnen und Musiker, die teuflisch crescendierenden Passagen (kein Wunder hatte auch der Regisseur Stanley Kubrick diese Passagen in seinen diabolischen Film A CLOCKWORK ORANGE eingebaut) müssen stilsicher aufgebaut werden, was dem Dirigenten einmal mehr überwältigend gelang. Da diese Ouvertüre in etwa die gleiche Länge aufweist wie diejenige zu Verdis FORZA DEL DESTINO, war auch ein programmatisches Gleichgewicht des Konzerts gewahrt, eine Kunst der geschickten Programmation, welche die AMICI DELL'ARTE über die vergangenen zwölf Jahre eben auch ausgezeichnet hatte. Der Applaus war geradezu stürmisch, ohne Zugaben liess man die Ausführenden nicht gehen. Die mit fantastischer Geläufigkeit in der Stimme und herrlichen Juchzern aufwartende Nicole Bosshard und die AMICI rissen mit den Tarantella – Rhythmen von Rossinis LA DANZA die zahlreichen Besucher*innen mit und mit der Wiederholung des Finales aus DER TANZ DER STUNDEN gar von den Stühlen. Standing ovations (und da und dort eine Träne, weil das kulturelle Leben im Zürcher Oberland nun etwas weniger vielfältig werden wird) und ein grosser Dank an Marcel und Lisbeth Blanchard und alle Musiker*innen der AMICI für ihren unschätzbaren Einsatz zugunsten der klassischen Musik und der Kultur. BRAVI TUTTI!!!

P.S. : Leider ergriff von Behördenseite niemand das Wort zu einer Verdankung der enormen Leistung dieses Orchesters – man glänzte durch Abwesenheit.

Werke und Info:

Mit einer SERENATA voller Italianità werden das Kammerorchester AMICI DELL'ARTE unter der Leitung von Marcel Blanchard und die Sopranistin Nicole Bosshard das Publikum am 30. Juni in die Welt der italienischen Oper entführen. Denn was passt besser zu einer lauen Sommernacht als Musik, welche Liebe, Drama, Divertimento und süsses, romantisches Flehen ausdrückt? Auf dem Programm stehen Werke von Giuseppe Verdi, Pietro Mascagni, Amilcare Ponchielli, Giacomo Puccini und Gioachino Rossini. Von Verdi erklingen die packend-dramatische Ouvertüre zur Oper LA FORZA DEL DESTINO, aus RIGOLETTO folgt Gildas Verzückung über die Begegnung mit dem Studenten Gualtier Maldè (der in Wirklichkeit der verruchte Herzog von Mantua ist). Ebenfalls von Verdi stammt Oscars Arie Volta la terrea aus UN BALLO IN MASCHERA, welche ein bisschen Humor in eine düstere Handlung bringt und schliesslich eine instrumentale Fassung des mitreissenden Zigeunerchors aus seiner melodisch einfallsreichsten Oper IL TROVATORE. Bevor das unerbittliche, dörfliche Drama aus Liebe und rasender Eifersucht seinen Lauf nimmt, hat Pietro Mascagni in seiner besten Oper CAVALLERIA RUSTICANA ein österliches Intermezzo sinfonico eingebaut. Amilchare Poncielli komponierte für seine gross angelegte Oper LA GIOCONDA eine bezaubernde – und sehr populär gewordene – Ballettmusik, den glanzvollen Tanz der Stunden. Lauras berührend sentimentale Arie O mio babbino caro aus Puccinis Einakter GIANNI SCHICCHI erweicht nicht nur das Herz ihres Vaters, auch die Zuhörer werden hingerissen sein. Den Abschluss des Programms macht Rossinis wohl spritzigste Ouvertüre, nämlich die zu seiner Oper LA GAZZA LADRA, die diebische Elster.

Mit dieser SERENATA wird sich das Kammerorchester AMICI DELL'ARTE nach zwölfjährigem Einsatz für die klassische Musik von seinem treuen Publikum verabschieden. Die zunehmenden Finanzierungsschwierigkeiten und die damit verbundenen Besetzungsprobleme liessen bedauerlicherweise keinen anderen Schritt zu. Nach diesem – leider – letzten Konzert sind die Besucherinnen und Besucher herzlich zu einem Abschiedsapéro eingeladen.

Karten sind zum Preis von 35/40/45 Franken online auf www.adella.ch oder bei jeder Poststelle und in der Buchhandlung Helen Keller in Pfäffikon erhältlich. Konzertbeginn ist 17 Uhr (Dauer ungefähr 1 Stunde), Abendkasse und Türöffnung ab 16.30

 

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