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Zürich: UN BALLO IN MASCHERA, 25.04.2011

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Un ballo in maschera

copyright: Suzanne Schwiertz, mit freundlicher Genehmigung Opernhaus Zürich

Oper in drei Akten |

Musik: Giuseppe Verdi |

Libretto: Antonio Somma, nach Eugène Scribe |

Uraufführung: 17. Februar 1859 in Rom |

Aufführungen in Zürich: 25.4. | 29.4. | 3.5. | 6.5. | 8.5. | 11.5. | 14.5. | 17.5. | 19.5. | 22.5. 2011

Kritik:

Viel zu gross ist er, der Thron, auf welchem der König sitzt. In seinem Nacken sein Page Oscar, ein schwarz geflügeltes, quirliges Wesen, Cupido und Unglücksrabe in einem, zu seinen Füssen die mütterlich-rätselhafte Amme, stets mit dem Griff zur Flasche. Wie aus einer Laune heraus beginnen die drei die Fäden zu ziehen, ihr „Personal“ wie Marionetten tanzen zu lassen, ihre Lust am Theater und an absurden Situationen auszuleben. Da schrecken sie auch nicht vor Szenen ausgesprochener Morbidität zurück. In einer Mischung aus Comic, Voodoo-Zauber und Gothic werden schwarze Messen zelebriert, wird das Haupt der Medusa beschworen, die Amme wird zum betörend gleichgültigen Vamp, zur Hexe, zu Uriella. Die Lust an der Verkleidung nimmt schon beinahe groteske Züge an, von Rokoko-Schäferszenen über Operettenuniformen bis zum Maskenball in schwarz-weissen Skelettkostümen wird mit Spass und Leidenschaft im Fundus gewühlt (die wunderbaren Kostüme stammen von Marie-Jeanne Lecca). Das Treiben auf der schwarz marmorierten Drehbühne (Raimund Bauer) vor dem stimmungsvoll in Schwarz, Silber oder Gold ausgeleuchteten gigantischen Vorhang nimmt immer spleenigere Formen an – bis der irre König am Ende merkt, dass dieser makabere Todestanz sein eigenes Ende bedeuten könnte. Die Fäden zu den menschlichen Marionetten scheinen gerissen, spastische Zuckungen und Verrenkungen beherrschen die Bühne. Der „Thron“ des Puppenspielers ist auf normale Grösse geschrumpft, die „Spieltherapie“ scheint ihre Wirkung erfüllt zu haben, der König kann mit einem verschmitzten Lächeln den Vorhang ziehen. David Pountney hat dieses Treiben des – auch historisch verbürgten - Theaterkönigs Gustav III. grossartig in Szene gesetzt als Kopfgeburt eines vom Theater besessenen Naivlings. Das ist herrlich skurril, witzig und intelligent zugleich. Zwar wird man von der eigentlich tragischen Geschichte nicht emotional berührt oder politisch aufgeklärt (man hat Gustavo schon als verklemmten Schwulen oder Präsidenten im amerikanischen Wahlkampf über sich ergehen lassen dürfen ...), dafür aber spektakulär unterhalten. Für dieses phantastische Treiben steht ein geradezu sensationelles Ensemble auf der Bühne: Piotr Beczala leiht dem Schwedenkönig seinen betörenden tenoralen Schmelz, begeistert mit überragender Phrasierungskunst und augenzwinkerndem Spiel. Die ganz grosse Stunde des Komödianten (und Sängers) schlägt im ersten Bild des dritten Aktes: Der König sucht mit Hilfe von Voodoo-Puppen ein Ende für sein makaberes Stück. Beczala macht das schlicht grandios! Normalerweise bleibt die Wahrsagerin Ulrica eine etwas absonderliche Episodenfigur im zweiten Bild des ersten Aktes – nicht so bei Pountney: Yvonne Naef ist eigentlich stets auf der Bühne zu sehen, schlüpft mit immenser Spielfreude und bestechender Bühnenpräsenz in ihre Verkleidungen. Mit einer reichhaltigen Palette an stimmlichen Ausdrucksmöglichkeiten gestaltet sie ihre grosse Szene (Re del'abisso), schleudert ihre ordinären Staccati mir profunder Tiefe ins anschliessende Terzett. Hier gesellt sich die ebenso theatralisch auftretende Amelia dazu: Fiorenza Cedolins ist ganz die grosse Diva und nicht die leidend Liebende, von ihren Gefühlen zerrissene Frau. So schreckt sie im zweiten Akt dann auch nicht vor ironisch aufgesetzten Operngesten zurück (Colliergriff ...). Während sie stimmlich bei den immensen Steigerungen in der Arie im zweiten Akt noch an Grenzen gerät, betört sie im Duett mit Gustavo und dann auch in der ergreifend gestalteten Arie im dritten Akt (Morrò) mit kluger Disposition der Kräfte und wunderschönen Piani, insgesamt ein vortrefflich gelungenes Rollendebüt, welches sie mit der himmlischen, alle überstrahlenden Phrase im Schlussbild krönt. Stets einen sicheren Wert stellt Vladimir Stoyanov dar: Sein markant kerniger Bariton begeistert sowohl in seiner Auftrittsarie als auch mit der ergreifend ausgeformten und mit wunderbar runder Tongebung gesungenen Arie im dritten Akt (Eri tu). Sen Guo steuert mit ihren brillanten Koloraturen als Oscar die buffonesken Elemente bei, würzt mit ihren glockenreinen Einwürfen die Ensembles und bezaubert mit ihren beiden vortrefflich gesungenen Arien.

Und da ist dann noch der grosse Maestro am Pult des wunderbar differenziert spielenden Orchesters der Oper Zürich: Nello Santi kennt die Partitur so genau wie wohl kaum einer, atmet mit den Sängerinnen und Sängern, führt den klangprächtigen Chor. Die Tempi scheinen perfekt, die Balance stimmt, die Crescendi werden mit grosser Natürlichkeit aus dem dramatischen Ablauf heraus entwickelt. Das Schwärmerische, Kitschige hat seinen Platz genau so wie das Schlichte, Erhabene. Doch auch das Operettenhafte, beinahe Primitive, der Banda kommt in wohldosiertem Wechselspiel mit dem Orchester aus dem Graben zu effektvoller Entfaltung! Im Zusammenspiel zwischen szenischer Umsetzung und musikalischer Realisierung wird der Abend zu einem spektakulären Fest.

Anmerkung: Vor 49 Jahren, 1962, hat Maestro Nello Santi den MASKENBALL an der New Yorker Met dirigiert, mit Carlo Bergonzi, Leonie Rysanek, Robert Merrill, Jean Madeira und Anneliese Rothenberger. (Ein Mitschnitt dieser Aufführung ist auf CD im Handel erhältlich.)

Und nun, 2011, darf man den grande maestro einmal mehr in Zürich erleben!

Fazit:

Spektakulär!!! Piotr Beczala als Gustavo ist ein Ereignis! Mit Altmeister Nello Santi am Pult und in der Aufsehen erregenden Interpretation von Regisseur David Pountney verfügt dieser Maskenball über phänomenale Qualitäten! Die sängerische Besetzung lässt kaum Wünsche offen!

Werk:

UN BALLO IN MASCHERA stellt den Höhepunkt von Verdis mittlerer Schaffensperiode dar, welche mit der Trias RIGOLETTO/TRAVIATA/TROVATORE begonnen hatte. Zum letzten Mal musste sich Verdi im Entstehungsprozess mit der Zensurbehörde herumschlagen. Neapel, das damals noch von den Bourbonen regiert wurde, lehnte das Werk in dieser Form ab, da ein Königsmord auf offener Bühne unvorstellbar war. Verdi akzeptierte die entstellenden Auflagen nicht und schwor, nie wieder eine Oper für Neapel zu schreiben. Rom nahm zwar die Aufführung an, verlangte aber eine Verlegung der Handlung. So wurde aus dem schwedischen König ein Gouverneur in Boston. Erst im 20.Jahrhundert setzte sich die Gepflogenheit durch, das ursprünglich vorgesehene, historische Personal zu verwenden, also König Gustav III. von Schweden, Graf Anckarström als Freund und Mörder des Königs und die Verschwörer Horn und Ribbing.

Musikalisch verharrt Verdi zwar noch bei der traditionellen Nummernoper, doch sind die einzelnen Szenen erfüllt mit musikdramaturgischem Sinn, raffinierten tonartlichen Bezügen und begleitet von Erinnerungsmotiven mit grossem Wiedererkennungswert (Liebes-, Verschwörer-, Todesmotiv). Verdis Orchestersatz steuert mit subtil gesetzten Phrasen, dem Hervorheben von einzelnen Instrumenten (Celli, Englischhorn) und klanglicher Pracht zum gewinnenden und berührenden Gesamteindruck der Oper bei.

 

Vor Verdi vertonten bereits Auber und Mercadante den Stoff.

Inhalt:

König Gustav plant einen Maskenball. Sein Page Oscar überreicht ihm die Liste der Gäste. Gustav entdeckt darauf auch seine heimliche Geliebte Amelia, die Frau seines treuesten Freundes Anckarström. Dieser warnt Gustav vor Verschwörern des Adels. Ein Richter tritt ein und verlangt die Verurteilung einer Wahrsagerin (Ulrica), welche vor der Stadt ihre Hexenkünste vollführe. Oscar setzt sich für sie ein. Gustav beschliesst, als Fischer verkleidet das Tun der Dame zu überprüfen.

Amelia tritt auf. Sie sucht Hilfe zur Überwindung ihrer Gefühle für Gustav, da ihre puritanische Einstellung den Ehebruch nicht zulässt. Ulrica empfiehlt ihr (belauscht von Gustav), Kräuter um Mitternacht auf dem Galgenberg zu pflücken. Gustav lässt sich die Zukunft voraussagen. Nach einigem Zögern verkündet ihm Ulrica seine baldige Ermordung durch denjenigen, der ihm als nächster die Hand reichen wird. Es ist dies Anckarström. Ulrica wird verspottet, da sich niemand vorstellen kann, dass ausgerechnet der treueste der Treuen seinen Herrn ermorden wird.

Um Mitternacht trifft Gustav Amelia auf dem Galgenberg. Sie gestehen sich ihre Liebe. Da tritt Anckarström hinzu. Gustav verschwindet. Amelia verhüllt sich, doch als sie und ihr Gatte den Verschwörern Horn und Ribbing begegnen, fällt ihr Schleier. Anckarström fühlt sich von Gustav betrogen und schwört Rache. Er schliesst sich den Verschwörern an, wird auserkoren, den Anschlag zu verüben. Gustav will Amelia entsagen und die Eheleute Anckarström nach England schicken. Anckarström entlockt von Oscar die Verkleidung des Königs beim bevorstehenden Maskenball. Der Anschlag gelingt. Sterbend zeigt der König seinem Mörder den Erlass und verzeiht ihm. Ulricas Prophezeiung hat sich erfüllt.

Musikalische Höhepunkte:

La rivedro nell'estasi, Gustav, Akt I/1

Volta la terrea, Oscar, Akt I/1

Re dell'abisso, Ulrica, Akt I/2

Di'tu se fedele, Riccardo Akt I/2

Ecco l'orrido campo, Amelia, Akt II

M'ami,m'ami, Duett Gustav-Amelia, Akt II

Morrò, ma prima in grazia, Amelia, Akt III

Eri tu, Anckarström, Akt III

Ma se m'è forza perderti, Gustav, Akt III

Saper vorreste, Oscar, Akt III

Ella è pura, Finale Akt III

Informationen und Karten

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