Zürich: UN BALLO IN MASCHERA, 08.12.2012
Oper in drei Akten | Musik: Giuseppe Verdi | Libretto: Antonio Somma, nach Eugène Scribe | Uraufführung: 17. Februar 1859 in Rom | Verbleibende Aufführungen in Zürich (Wiederaufnahme): 8.12. | 11.12. und 14.12.2012
Kritik:
Verdis UN BALLO IN MASCHERA in der Inszenierung von David Pountney wurde schon anlässlich der Premiere im April 2011 heftig applaudiert und ist nun als herausragend besetzte Wiederaufnahme zu erleben – und wer fälschlicherweise befürchtet hatte, unter der neuen Intendanz würde die sängerische Qualität der Aufführungen Einbussen erleiden, wurde schnell eines Besseren belehrt. Von der Premierenbesetzung sind natürlich der Dirigent (Maestro Nello Santi leitete die Philharmonia Zürich mit schlankem, genau analysierendem und disponierendem Klang und erzielte eine begeisternde orchestrale Transparenz), die quirlige Sen Guo als Schicksalsengel Oscar (mit ihren glockenreinen Koloraturen und der stets warm und hell klingenden Stimme immer ein Genuss) und die mit ihrer profunden Tiefe aufwartende Yvonne Naef als Ulrica übriggeblieben, welche die Aufwertung ihrer Rolle zur Strippenzieherin des theatralischen Spiels sichtlich zu geniessen schien. Neu besetzt wurden Gustavo (Ramón Vargas), Renato (Alexey Markov) und Amelia (Tatjana Serjan) sowie die kleineren Partien der Verschwörer (Dmitri Pkhaladze und Erik Anstine), des Christiano (Elliot Madore) und des Giudice (Dmitri Ivanchey).
Den schwierigsten Stand hatte wohl Ramón Vargas, welcher in die Fussstapfen von Piotr Beczala zu treten hatte. Vargas meisterte Verdis wohl dankbarste Tenorrolle mit gefühlvoll eingesetztem Schmelz in der Stimme, lief in der Barcarola Di' tu se fedele zu grandioser, viriler Form auf, war fantastisch im Duett und in den absolut (man verzeihe mir den Ausdruck) geilen Terzetten des ersten und des zweiten Aktes und überwand gegen Ende (in der grossen Romanze zu Beginn des dritten Aktes) auch leichte stimmliche Ermüdungserscheinungen mit grosser Souveränität. Mit Alexey Markov hatte er einen stimmlich hochkarätigen Freund und Rivalen zur Seite. Markovs mit effektsicherer Wucht eingesetzte grosse, kraftvolle Stimme verfehlte ihre begeisternde Wirkung nicht. Ein Bariton mit grosser Zukunft! Das ganz grosse Ereignis des Abends aber war Tatjana Serjan als Amelia! Welch eine ausdrucksstarke, hoch interessant timbrierte Stimme, phänomenal in der Tiefe, zu zarten (und - nach kleinen Anfangsschwierigkeiten im Terzett des ersten Aktes, als einzelne Töne nach oben wegzukippen drohten - ungefährdeten) Aufschwüngen in der Höhe fähig. Nachdem schon ihre grosse Szene auf dem Galgenberg (mit anschliessendem Duett und Terzett) beeindruckend gelungen war, steigerte sie sich im dritten Akt nochmals und gestaltete das mit bewegender Zartheit angesetzte Morrò, ma prima in grazia zur aufwühlenden Bitte einer liebenden Mutter. Mit einer von Verdis gefühlvollsten Eingebungen, der wahrlich dolcissimo und doch mit eindringlicher Kraft gesungenen Phrase deh tu ci serba cor si grande überstrahlte sie das Finale – und wären nicht David Pountneys augenzwinkernde Regieeinfälle dazwischen gekommen, man wäre zu Tränen gerührt gewesen.
Werk:
UN BALLO IN MASCHERA stellt den Höhepunkt von Verdis mittlerer Schaffensperiode dar, welche mit der Trias RIGOLETTO/TRAVIATA/TROVATORE begonnen hatte. Zum letzten Mal musste sich Verdi im Entstehungsprozess mit der Zensurbehörde herumschlagen. Neapel, das damals noch von den Bourbonen regiert wurde, lehnte das Werk in dieser Form ab, da ein Königsmord auf offener Bühne unvorstellbar war. Verdi akzeptierte die entstellenden Auflagen nicht und schwor, nie wieder eine Oper für Neapel zu schreiben. Rom nahm zwar die Aufführung an, verlangte aber eine Verlegung der Handlung. So wurde aus dem schwedischen König ein Gouverneur in Boston. Erst im 20.Jahrhundert setzte sich die Gepflogenheit durch, das ursprünglich vorgesehene, historische Personal zu verwenden, also König Gustav III. von Schweden, Graf Anckarström als Freund und Mörder des Königs und die Verschwörer Horn und Ribbing.
Musikalisch verharrt Verdi zwar noch bei der traditionellen Nummernoper, doch sind die einzelnen Szenen erfüllt mit musikdramaturgischem Sinn, raffinierten tonartlichen Bezügen und begleitet von Erinnerungsmotiven mit grossem Wiedererkennungswert (Liebes-, Verschwörer-, Todesmotiv). Verdis Orchestersatz steuert mit subtil gesetzten Phrasen, dem Hervorheben von einzelnen Instrumenten (Celli, Englischhorn) und klanglicher Pracht zum gewinnenden und berührenden Gesamteindruck der Oper bei.
Vor Verdi vertonten bereits Auber und Mercadante den Stoff.
Inhalt:
König Gustav plant einen Maskenball. Sein Page Oscar überreicht ihm die Liste der Gäste. Gustav entdeckt darauf auch seine heimliche Geliebte Amelia, die Frau seines treuesten Freundes Anckarström. Dieser warnt Gustav vor Verschwörern des Adels. Ein Richter tritt ein und verlangt die Verurteilung einer Wahrsagerin (Ulrica), welche vor der Stadt ihre Hexenkünste vollführe. Oscar setzt sich für sie ein. Gustav beschliesst, als Fischer verkleidet das Tun der Dame zu überprüfen.
Amelia tritt auf. Sie sucht Hilfe zur Überwindung ihrer Gefühle für Gustav, da ihre puritanische Einstellung den Ehebruch nicht zulässt. Ulrica empfiehlt ihr (belauscht von Gustav), Kräuter um Mitternacht auf dem Galgenberg zu pflücken. Gustav lässt sich die Zukunft voraussagen. Nach einigem Zögern verkündet ihm Ulrica seine baldige Ermordung durch denjenigen, der ihm als nächster die Hand reichen wird. Es ist dies Anckarström. Ulrica wird verspottet, da sich niemand vorstellen kann, dass ausgerechnet der treueste der Treuen seinen Herrn ermorden wird.
Um Mitternacht trifft Gustav Amelia auf dem Galgenberg. Sie gestehen sich ihre Liebe. Da tritt Anckarström hinzu. Gustav verschwindet. Amelia verhüllt sich, doch als sie und ihr Gatte den Verschwörern Horn und Ribbing begegnen, fällt ihr Schleier. Anckarström fühlt sich von Gustav betrogen und schwört Rache. Er schliesst sich den Verschwörern an, wird auserkoren, den Anschlag zu verüben. Gustav will Amelia entsagen und die Eheleute Anckarström nach England schicken. Anckarström entlockt von Oscar die Verkleidung des Königs beim bevorstehenden Maskenball. Der Anschlag gelingt. Sterbend zeigt der König seinem Mörder den Erlass und verzeiht ihm. Ulricas Prophezeiung hat sich erfüllt.
Musikalische Höhepunkte:
La rivedro nell'estasi, Gustav, Akt I/1
Volta la terrea, Oscar, Akt I/1
Re dell'abisso, Ulrica, Akt I/2
Di'tu se fedele, Riccardo Akt I/2
Ecco l'orrido campo, Amelia, Akt II
M'ami,m'ami, Duett Gustav-Amelia, Akt II
Morrò, ma prima in grazia, Amelia, Akt III
Eri tu, Anckarström, Akt III
Ma se m'è forza perderti, Gustav, Akt III
Saper vorreste, Oscar, Akt III
Ella è pura, Finale Akt III