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Zürich: ROMEO UND JULIA, 13.10.2012

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Romeo und Julia

copyright: Monika Rittershaus, mit freundlicher Genehmigung Opernhaus Zürich

Ballett in vier Akten | Musik: Sergej Prokofjew | Handlung: Adrian Potrowski, Sergei Radlow, Boris Assafjew, nach Shakespeares Drama | Uraufführung: 30. Dezember 1938 in Brünn | Erstaufführung der Choreographie von John Cranko: 1962 in Stuttgart | Aufführungen in der Choreographie von Christian Spuck in Zürich: 13.10. | 14.10. | 18.10. | 21.10. | 26.10. | 28.10. | 2.11. | 2.12. | 7.12. | 13.12.2012 | 1.2.2013

Kritik:

 

Mutig war der Entscheid des neuen Ballettdirektors Christian Spuck, sich mit einem der grossen Klassiker der Ballettliteratur in Zürich vorzustellen, dem abendfüllenden Handlungsballett ROMEO UND JULIA. Ein Mut der sich mehr mehr als gelohnt hat, denn zu berichten ist über einen geradezu sensationellen, zu Recht frenetisch und verdient bejubelten Einstieg in eine neue, hoffentlich lange andauernde Ära.

Dabei biedert sich Spuck beim (zu Unrecht oft als sehr konservativ verschrieenen) Zürcher Publikum nicht mit einer gepflegten Ausstattungsorgie an, sondern entwickelt aus dem von Christian Schmidt so stimmungsvoll-düster geschaffenen Tanz-Probesaal heraus ein zutiefst berührendes, packendes Drama. Ein Drama, an welchem auch die edlen, in dezenten Schwarztönen gehaltenen Kleider, welche Emma Ryott entworfen hatte, grossen Anteil haben und die zeitlose, tragische Geschichte einer klug und geschmackvoll ausgearbeiteten Kostümdramaturgie unterwerfen. Anregungen holte sie sich dazu wohl in der italienischen und englischen Renaissance, die Herren der verfeindeten, sich äusserlich kaum unterscheidenden, Familien mit Puffhosen und Wams, die Damen in ausladenden Röcken, zum Teil mit, zum Teil ohne Stehkragen, die Kleider vorne aufgeschlitzt oder raffiniert gerafft. Dass auch in diesen auf den ersten Blick schwer wirkenden Stoffen, mit grandioser Anmut und Leichtigkeit getanzt werden kann, spricht für die hervorragende Arbeit der Schneiderei. Einzig die jungen Protagonisten heben sich durch ihre schlichteren Kostüme von den Eltern ab: Julia und ihre Freundinnen in weich fliessenden, kurzen Röcken, Romeo, Mercutio und Benvolio in ihren kurzen, engen Hosen und Kopftüchern wie Piraten den Ball der Capulets enternd. Grossartig! Christian Spuck verzichtet in seiner spannungsgeladenen Umsetzung von Prokofiews farbenreicher Partitur auf alles, was folkloristisch und betulich wirken könnte. Nicht aber auf die kraftgeladenen Fecht- und Kampfszenen, in welche sich die Männer der Compagnie mit bewundernswerter Präzision und Verve stürzen! Er wertet die Rollen von Amme und Pater Lorenzo enorm auf: Viktorina Kapitonova ist nicht eine liebenswerte, von Gichtanfällen geplagte Alte, sondern eine überaus gewitzte, schalkhafte und auch mal maliziös kommentierende Freundin Julias. Frau Kapitonova macht daraus eine umwerfende Charakterstudie. Als eigentlicher, leicht mysteriös agierender Drahtzieher des Geschehens waltet Filipe Portugal als Pater Lorenzo, der hier mehr von einem Dr. Mirakel als von einem Franziskanermönch hat. Er ist es, der mit Kreide die Trennungslinie durch den Saal zieht und so die Tänzer zur Handlung bewegt, in welche sie sich - auch mit Hilfe der eine ungemein starke Sogwirkung entfachenden Musik Prokofiews – fallen lassen. Zwar wird die Linie im Verlauf des Abends quasi „weggetanzt“, doch ihre unheilvolle Wirkung hat sie entfaltet. Auf der einen Seite sind da die in pubertierendem Übermut agierenden Jungs aus der Familie der Montagues: Der überaus gewitzte, mit stupender Agilität tanzende Mercutio von Egor Menshikov und der ihm in dieser Beziehung in nichts nachstehende Benvolio von Daniel Mulligan. Auch der Romeo von William Moore lässt zu Beginn nichts anbrennen und macht bei den irren Tänzen, Schrittfolgen und Spässen der drei Freunde noch so gerne und mit brillanter Fulminanz mit. Erst die Begegnung mit der federleicht wirkenden und doch so stark und gefestigt scheinenden Julia von Katja Wünsche macht aus ihm den zärtlich empfindsamen Jüngling. Die grossen pas de deux (Balkonszene und Abschiedsszene) der beiden berühren durch jugendlich-entdeckenden Tanz voll frischer Unschuld der ersten Liebe und verschmelzen zu einem ergreifenden Liebespaar. Auf der anderen Seite stehen der unbeholfene, nicht unsympathische Geck Paris (Jan Casier stellt dieses Spröde der Figur ganz wunderbar dar), der cholerische, finstere Tybalt von Cristian Alex Assis und die mit augenzwinkerndem Schalk gezeigte formale Strenge des Hauses Capulet, geführt von einer starken Lady mit flammend rotem Haar, Eva Dewaele. Sie macht aus jedem ihrer Auftritte ein theatralisches Ereignis der Extraklasse: Seien es die unermessliche Trauer über den Tod ihres Lieblingsneffen Tybalt (der ihr wohl auch Liebhaber war ... ) oder die vehementen Racheschwüre, das zornige Zurückwerfen des Kopfes am Ende des zweiten Aktes. Das geht unter die Haut, ist zudem wie vieles an diesem Abend punktgenau auf die Musik choreographiert. Überhaupt diese Musik: Ein weiterer Glücksstern, welcher über dieser ersten Ballettpremiere leuchtet. Mit Michail Jurowski steht ein fantastischer Anwalt Prokofiews am Pult der mit überwältigender und doch stets dosierter Kraft aufspielenden Philharmonia Zürich. Da ist nichts von einem weichgespülten Prokofiew zu erleben: Mit schneidender Härte zucken die dissonanten Akkorde in den Saal, reiben sich die Instrumentengruppen, treten herrlich aufblühende Soli empor, transportieren die klaren Streicher warme Gefühle, beissenden Spott und stechenden Schmerz. Jeder Krampf von Julias und Romeos Leiden am Ende scheint komponiert, oft lässt Christian Spuck völlig stimmig auch bloss die Musik sprechen und nur in einem einzigen Augenblick reichen weder die Sprache der Musik noch die des Tanzes aus: Romeos Schrei fährt gewaltig ein und lässt uns alle erstarren. Christian Spucks reichhaltige Choreographie besticht nicht bloss in ihrer plastischen Charakterisierungskunst der einzelnen Protagonisten sonder auch durch grandiose Tänze und Arrangements von grösseren Gruppen. Als Beispiel sei die fulminant-rasante Nummer der Männergruppe (Karnevalskönige!) erwähnt mit der anschliessenden Briefszene der Amme. Witzige, kleine, beinahe nebensächlich anmutende, neckische Gesten, Hand- und Fussbewegungen, komplexe Schrittfolgen und akrobatische Einlagen offenbaren einen hochgradig expressiven Erzählstil. Man freut sich schon jetzt auf die nächsten Abende des Balletts Zürich!

Inhalt:

Die Tragödie spielt in der italienischen Stadt Verona und handelt von der Liebe Romeos und Julias, die zwei verfeindeten Familien angehören, den Montagues (Romeo) bzw. den Capulets (Julia). Die Fehde geht so weit, dass sich die Beteiligten regelmäßig zu Beleidigungen und blutigen Degenkämpfen hinreißen lassen, sobald sie in der Stadt aufeinander treffen. Deshalb halten Romeo und Julia ihre Liebesbeziehung vor ihren Eltern verborgen. Ohne deren Wissen lassen sie sich vom Pater Lorenzo trauen, der insgeheim hofft, auf diese Weise einen ersten Schritt zur Lösung des Konflikts beitragen zu können.

Trotzdem kommt es zwischen Romeo und Tybalt, einem Capulet und Cousin Julias, zum Kampf, in dessen Verlauf dieser von Romeo getötet wird. Romeo wird aus Verona verbannt und muss nach Mantua fliehen. Julia, die nach dem Willen ihrer Eltern in aller Eile mit einem gewissen Paris verheiratet werden soll, bittet erneut Pater Lorenzo um Hilfe. Dieser überredet sie, einen Schlaftrunk zu sich zu nehmen, der sie für 40 Stunden in einen todesähnlichen Zustand versetzen werde, um so der Hochzeit zu entrinnen. Romeo soll durch einen Brief, der ihn allerdings wegen eines Missgeschicks nie erreicht, von diesem Plan in Kenntnis gesetzt werden. In der Zwischenzeit sieht ein Freund Romeos die mittlerweile beigesetzte Julia in ihrer Familiengruft liegen, eilt zu Romeo und berichtet ihm vom angeblichen Tod seiner Liebsten. Romeo eilt nach Verona zum Grab seiner Frau, um sie noch ein letztes Mal zu sehen. In der Familiengruft der Capulets trifft er auf den Grafen Paris. Romeo ersticht ihn. Dann stösst er sich selbst den Dolch ins Herz. Julia erwacht, sieht den toten Romeo und sieht als Ausweg nur noch den Suizid, da sie ohne Romeo nicht mehr leben aknn und will. (Quelle: Wikipedia und Programmheft Staatsballett Berlin)

Werk:

Der Stoff inspirierte eine ganze Reihe von Komponisten zu Opern, Balletten oder Schauspielmusiken, so Gounod, Zandonai, Bellini, Sutermeister, Berlioz, Tschaikovsky oder Bernstein.

ROMEO UND JULIA stellt Prokofjews wohl bekannteste und farbenreichste Komposition dar. Obwohl nach der Rückkehr des Komponisten in die Sowjetunion vom Kirov Ballett in Auftrag gegeben, fand die Uraufführung im tschechischen Brünn statt. Nach den Vorwürfen gegen Schostakowitsch in der Prawda waren die Komponisten vorsichtig geworden. Zudem bekam Prokofjew auch vom Bolschoi Ballett den Bescheid, das Stück sei untanzbar (zu komplexe Rhythmen). Dabei machen gerade die rythmische Vielfältigkeit und die eingängige, doch stets äusserst geschmackvolle und variantenreiche melodische Verarbeitung der Themen den Reiz dieser kostbaren Partitur aus.

Erst im Januar 1940 präsentierte das Kirov Ballett eine revidierte Version (diesmal mit dem shakespearschen tragischen Schluss) und das Ballett trat seinen bis heute ungebrochenen Siegeszug durch die bedeutendsten Tanzstätten der Welt an. Berühmt wurden die Choreographien von John Cranko für das Stuttgarter Ballett (mit Marcia Haydée und Richard Cragun) und von Kenneth MacMillan für das Royal Ballet (mit Margot Fonteyn und Rudolf Nureyev).

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