Kopenhagen: ROMEO UND JULIA (Ballett), 31.10.2019
Ballett in vier Akten | Musik: Sergej Prokofjew | Handlung: Adrian Potrowski, Sergei Radlow, Boris Assafjew, nach Shakespeares Drama | Uraufführung: 30. Dezember 1938 in Brünn | Aufführungen in Kopenhagen: 30.10. | 31.10. | 1.11. | 2.11.2019
Kritik:
Geradezu berührend "altmodisch" kommt die Choreographie von Helgi Tomasson daher, welche er in der Ausstattung von Jens-Jacob Worsaae 1994 für das San Francisco Ballet geschaffen hatte und mit der das San Francisco Ballet nun für vier Vorstellungen in Kopenhagen vor restlos ausverkauftem Haus gastierte. Thomas R. Skelton tauchte das Bühnenbild in warmes Licht, ein wunderbarer Tag (wenn er denn nicht so tragisch enden würde) im Verona der Renaissance wird hier evoziert, einen Eindruck, welche auch die ganz klassischen, weich fliessenden und an die Epoche des Dramas angelehnten Kostüme unterstrichen. Man erlebt das bunte, verspielte Treiben auf dem Marktplatz, Flirten und Hofieren, virtuose Akrobaten (ganz stark getanzt von Julia Rowe, Max Cauthoren und Lucas Erni), stupende Fechtszenen und viel Pantomime. Daneben wird aber auch eindringlich getanzt, zum Beispiel von den beiden "leichten" Mädchen (Isabella DeVivo und Elizabeth Powell) und ihren Verehrern Estéban Cuadrado, Steven Morse, Henry Sidford und wieder Lucas Erni, ein äusserst vielseitiger, wunderbar agiler Tänzer. Alle grösseren Partien waren ganz hervorragend und charakterlich stimmig besetzt. Hervorzuheben sind der kraftvolle Tybalt von Luke Ingham, die in in verliebte Gräfin Capulet von Jennifer Stahl mit einem eindrücklichen Porträt dieser komplexen Figur. Sehr gut auch Val Caniparoli als Pater Lorenzo und auch als Prinz von Verona. Wunderbar witzig und leider tragisch endend der Mercutio von Estéban Hernandez, toll auch im Zusammenspiel mit dem Benvolio Hansuke Yamamoto. Benjamin Freemantle war ein zurückhaltend vornehm-kalter Graf Paris und Anita Paciotti wusste als umtriebige Amme zu gefallen.
Das Hauptaugenmerk allerdings richtete sich auf das Liebespaar - und dieses war geradezu ideal besetzt mit Mathilde Froustey als mädchenhaft unbeschwerte Julia, die dann umso brutaler in die Wirklichkeit der Familienfehde zwischen ihrer Sippe und den Montagues geworfen wurde. Perfekter Spitzentanz, luftig, weich fliessend und eine bestechend saubere Armhaltung zeichnete ihren einfühlsamen Tanz aus. Jugendlich stürmisch und mit schönen, weitgreifenden Sprüngen, perfekten Drehungen und Hebungen wartete Joseph Walsh als Romeo auf, die beiden waren ein wunderbares Paar, dem man so gerne eine gemeinsame Zukunft gegönnt hätte.
Prokofievs magische Partitur war bei Martin West und Det Kongelige Kapel bestens aufgehoben und zusammen mit dem mit bestechender Präzision tanzenden San Francisco Ballet wurde die Aufführung zu einem stimmigen Gesamtkunstwerk - und befriedigte die manchmal das Publikum allerorten beschleichende Sehnsucht nach dem Althergebrachten .... .
Inhalt:
Die Tragödie spielt in der italienischen Stadt Verona und handelt von der Liebe Romeos und Julias, die zwei verfeindeten Familien angehören, den Montagues (Romeo) bzw. den Capulets (Julia). Die Fehde geht so weit, dass sich die Beteiligten regelmäßig zu Beleidigungen und blutigen Degenkämpfen hinreißen lassen, sobald sie in der Stadt aufeinander treffen. Deshalb halten Romeo und Julia ihre Liebesbeziehung vor ihren Eltern verborgen. Ohne deren Wissen lassen sie sich vom Pater Lorenzo trauen, der insgeheim hofft, auf diese Weise einen ersten Schritt zur Lösung des Konflikts beitragen zu können.
Trotzdem kommt es zwischen Romeo und Tybalt, einem Capulet und Cousin Julias, zum Kampf, in dessen Verlauf dieser von Romeo getötet wird. Romeo wird aus Verona verbannt und muss nach Mantua fliehen. Julia, die nach dem Willen ihrer Eltern in aller Eile mit einem gewissen Paris verheiratet werden soll, bittet erneut Pater Lorenzo um Hilfe. Dieser überredet sie, einen Schlaftrunk zu sich zu nehmen, der sie für 40 Stunden in einen todesähnlichen Zustand versetzen werde, um so der Hochzeit zu entrinnen. Romeo soll durch einen Brief, der ihn allerdings wegen eines Missgeschicks nie erreicht, von diesem Plan in Kenntnis gesetzt werden. In der Zwischenzeit sieht ein Freund Romeos die mittlerweile beigesetzte Julia in ihrer Familiengruft liegen, eilt zu Romeo und berichtet ihm vom angeblichen Tod seiner Liebsten. Romeo eilt nach Verona zum Grab seiner Frau, um sie noch ein letztes Mal zu sehen. In der Familiengruft der Capulets trifft er auf den Grafen Paris. Romeo ersticht ihn. Dann stösst er sich selbst den Dolch ins Herz. Julia erwacht, sieht den toten Romeo und sieht als Ausweg nur noch den Suizid, da sie ohne Romeo nicht mehr leben kann und will. (Quelle: Wikipedia und Programmheft Staatsballett Berlin)
Werk:
Der Stoff inspirierte eine ganze Reihe von Komponisten zu Opern, Balletten oder Schauspielmusiken, so Gounod, Zandonai, Bellini, Sutermeister, Berlioz, Tschaikovsky oder Bernstein.
ROMEO UND JULIA stellt Prokofjews wohl bekannteste und farbenreichste Komposition dar. Obwohl nach der Rückkehr des Komponisten in die Sowjetunion vom Kirov Ballett in Auftrag gegeben, fand die Uraufführung im tschechischen Brünn statt. Nach den Vorwürfen gegen Schostakowitsch in der Prawda waren die Komponisten vorsichtig geworden. Zudem bekam Prokofjew auch vom Bolschoi Ballett den Bescheid, das Stück sei untanzbar (zu komplexe Rhythmen). Dabei machen gerade die rythmische Vielfältigkeit und die eingängige, doch stets äusserst geschmackvolle und variantenreiche melodische Verarbeitung der Themen den Reiz dieser kostbaren Partitur aus.
Erst im Januar 1940 präsentierte das Kirov Ballett eine revidierte Version (diesmal mit dem shakespearschen tragischen Schluss) und das Ballett trat seinen bis heute ungebrochenen Siegeszug durch die bedeutendsten Tanzstätten der Welt an. Berühmt wurden die Choreographien von John Cranko für das Stuttgarter Ballett (mit Marcia Haydée und Richard Cragun) und von Kenneth MacMillan für das Royal Ballet (mit Margot Fonteyn und Rudolf Nureyev).