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Zürich, Opernhaus: ROBERTO DEVEUREUX (mit Elena Moșuc), 12.02.2023

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Roberto Devereux

Tragedia lirica in drei Akten | Musik: Gaetano Donizetti | Libretto: Salvatore Cammarano | Uraufführung: 29. Oktober 1837 in Neapel | Aufführungen in Zürich: 5.2. | 9.2. | 12.2. | 17.2. | 22.2. | 26.2. | 4.3. | 7.3. | 17.3.2023

Kritik:

SIE KAM, SANG UND SIEGTE

Einen Tag vor der dritten Vorstellung der Neuproduktion von Donizettis letzter Tudor-Oper ROBERTO DEVEUREUX musste die Sängerin der Elisabetta, Inga Kalna, wegen Heiserkeit forfait geben. Glücklich ist ein Opernhaus, welches ein langjähriges ehemaliges Ensemblemitglied (und eine ausgewiesene Belcanto-Spezialistin) quasi vor der Haustür wohnen hat: Elena Moșuc. Frau Moșuc, welche die Rolle studiert, aber noch nie komplett auf der Bühne gesungen hatte, sprang ein und triumphierte. Sie sang die überaus anspruchsvolle Rolle im ersten Akt vom linken Bühnenrand, im zweiten und dritten vom rechten, während Inga Kalna im Kostüm agierte. Doch hatte man nur Augen für Elena Moșuc, welche im wunderbar passend und fantastisch geschnittenen schwarzen Abendkleid nicht nur die Ohren, sondern auch die Augen auf sich zog. Mit stupender Sicherheit, dramatischem, wunderbar austariertem Aplomb und energiegeladen gestaltete sie ihre grosse Szene im ersten Akt, krönte selbstredend die wunderbare Cavatina L'amor suo mi fe' beata mit einem wohldosierten Acuto, flocht fein ziselierte Fiorituren geschmackvoll ein. Ihre Stimme verfügte über die notwendige Reife, das notwendige breite Tonspektrum von lichter, sicherer Höhe zu ausdruckssarker Tiefe, die bravouröse Attacke und die Agilität, welche die Partie der unglücklichen, traumatisierten Königin erfordert. Aber Elena Moșuc blieb in der Dynamik stets innerhalb geschmackvoller Grenzen, überschritt in keinem Moment die Schranken zu exaltierter Schrillheit. Diese Beweglichkeit der Stimme in rasanten Passagen konnte man im z.B. im Duett mit Roberto bewundern; der dramatische Ausdruck (Alma infida ... traditor ) intensivierte sich im Terzett - mit Roberto und Nottingham - und führte direkt zum Finale II, wo Elena Moșuc das Va, la morte sul capo ti pende mit mit überwältigender Wucht Roberto entgegenschleuderte. Das fuhr ein wie ein Blitz vom Himmel! Natürlich wurde das alles noch übertroffen und gesteigert in der grossen Finalszene der Oper: Zuerst - sanft von der Flöte angestimmt - das grossmütig verzeihende Vivi ingrato, wunderschön fliessend intoniert von Frau Moșuc, danach das die Oper beschliessende, fulminant mit Spitzenton gekrönte Quel sangue versato. SO MUSS DAS!

SPITZENSÄNGER

Erneut begeisterten Stephen Costello in der Titelpartie, Anna Goryachova als Sara und Konstantin Shushakov als Nottingham mit grandiosen Leistungen. Man bewunderte die volkommen gerundete, wunderbar einschmeichelnde und bombensicher geführte Tenorstimme Costellos, den satten Mezzosopran mit den gefühlvollen Aufschwüngen von Anna Goryachova und den die Partie des betrogenen (aber auch besorgten) Ehemanns so wunderbar durchdringenden Konstantin Shushakov, der mit seinem sonoren Kavalierbariton dem Nottingham vokales Profil verlieh.

ANDERE PERSPEKTIVE

Diesmal sass ich im zweiten Rang und es war sehr interessant, die Inszenierung David Aldens im Bühnenbild von Gideon Davey aus dieser Perspektive zu erleben. Der gigantische Blutfleck, den die Enthauptung Anna Bolenas während des Vorspiels auf dem Bühnenboden hinterlassen hatte und nicht weggeputzt werden konnte, dominierte traumatisch die Szene, setzte einen wirkungsvollen Akzent. Der Walkürenfelsen hingegen machte für mich immer noch keinen Sinn - ein verpuffter Gag ... .

Grosser Jubel für alle Ausführenden, viele verdiente Bravi-Rufe (und ein Blumenstrauss, der wie ein Geschoss aus der Rangloge vor den Füssen von Frau Moșuc landete) für die Einspringerin Elena Moșuc!

Inhalt:

London, 1601

Vorgeschichte: Roberto Devereux, Günstling Königin Elisabeths I. wartet in London auf seinen Prozess wegen Hochverrats, da er auf eigene Faust einen Waffenstillstand mit irischen Aufständischen geschlossen und Adlige in London zum Aufstand angestiftet hatte.

Oper:

Sara, die Herzogin von Nottingham, liebt den engsten Freund ihres Gatten, Roberto Devereux. Königin Elisabeth tritt ein und gesteht Sara, dass sie Roberto in einer Privataudienz empfangen wolle, wenn sie nicht an seiner Treue zu zweifeln habe. Dass sie ihre intimen Gefühle einer Rivalin offenbart, weiss sie natürlich nicht. Jedenfalls weigert sie sich, Robertos Todesurteil zu unterzeichnen. Doch bei der Begegnung mit Roberto verplappert sich dieser und spricht von seiner Liebe zu Sara. Elisabeth ist ausser sich vor Wut. Robertos Todesurteil scheint besiegelt. Der Herzog von Nottingham seinerseits weiss nicht um die Gefühle seiner Frau und erzählt Roberto, dass seine Frau an einem geheimen Kummer dahinwelke. Roberto trifft auf Sara. Er ist enttäuscht, dass sie sich mit Nottingham vermählt hatte. Sara ihrerseits wirft ihm Untreue vor, da er den Günstlingsring der Königin trage. Roberto wirft den Ring auf den Tisch, dafür bekommt er von Sara einen blauen Schal als Liebespfand.

Der Secretary of State, Lord Cecil, verkündet Robertos Todesurteil. Bei der Verhaftung Robertos findet man einen blauen Schal. Die Königin konfrontiert Roberto mit dem blauen Schal. Nottingham ist ebenfalls zugegen, erkennt den Schal seiner Gemahlin und stürzt sich auf Roberto. Die Königin unterzeichnet das Todesurteil. Roberto Devereux schweigt.

In einem letzten Brief an Sara bittet Roberto sie, der Königin den Günstlingsring zu bringen und damit sein Leben zu retten. Nottingham entreisst Sara den Brief und sperrt sie ein, bis das Urteil gegen Roberto vollstreckt sei. Roberto hofft im Gefängnis auf Saras Mission. Er wird jedoch von den Wächtern zum Richtblock geführt. Sara gelingt es doch noch, zur Königin vorzudringen, gibt ihr den Ring und gesteht, die Rivalin der Königin zu sein. Elisabeth ordnet einen Aufschub der Hinrichtung an – zu spät. Nottingham triumphiert darüber, dass der Liebhaber seiner Gemahlin tot sei. Elisabeth lässt beide abführen. Sie ist allein. In einer Schreckensvision erscheint ihr der enthauptete Roberto. Sie erklärt ihren Verzicht auf den Thron, übergibt die Insignien der Macht ihrem Neffen James, König von Schottland, und bricht, Robertos Ring an die Lippen gepresst, ohnmächtig zusammen.

Werk:

Unter allerschwersten persönlichen Umständen komponierte Donizetti seine (je nach Zählweise) ungefähr 57. Oper: Seine Eltern waren ein Jahr zuvor gestorben, seine Frau brachte ein totes Kind zur Welt, ein weiteres starb bei der Geburt und schliesslich starb auch seine junge Gemahlin drei Monate vor der Uraufführung der Oper. Der Librettist Cammarano sah sich zudem Plagiatsvorwürfen ausgesetzt, da Felice Romani ein Libretto über den CONTE D'ESSEX für Mercadante geschrieben hatte und Cammarano diesem anscheinend sehr genau folgte. ROBERTO DEVEREUX gilt als Musterbeispiel einer italienischen historischen Oper. Donizetti hatte zuvor schon zwei vom Inhalt und Ablauf her ähnliche Königinnen—Tragödien komponiert, nämlich ANNA BOLENA und MARIA STUARDA. Er konzentrierte sich dabei ganz auf das Aufeinanderprallen der Charaktere und die Ausrichtung der Konflikte der vier Protagonisten untereinander (äusserst anspruchsvolle Partien für Elisabeth, Sara, Nottingham und Roberto) und verzichtete auf „romantische“ Stimmungsschilderungen. Der Chor ist ganz auf passive Kommentierung reduziert, die Nebenfiguren dürfen Stichworte zur Erklärung der Handlung liefern. Die beiden Szenen am Ende des dritten Aktes gehören zu Donizettis eindringlichsten Kompositionen: Robertos flehende Kerkerszene und Elisabeths virtuose Schlussarie mit der halsbrecherischen Cabaletta, welche von einem hoch spannenden und expressiven Lamento eingeleitet wird.

Mit dieser quasi historisierenden Kammeroper war es Donizetti gelungen, ein Werk zu schreiben, welches den später von Verdi erhobenen Anspruch, nämlich die „musikalische ausgedrückte Wahrheit des Gefühls“, auf geradezu überwältigende Art vorwegnahm.

Musikalische Höhepunkte:

All'afflitto è dolce il pianto, Romanze der Sara, Akt I

L'amor suo mi fe'beata – Ah!ritorna, Cavatine und Arie der Elisabetta, Akt I

Donna reale, Duett Roberto-Elisabetta, Akt I

Da che tornasti, Duett Roberto-Sara, Akt I

Ecco l'indegno, Terzett und Finale Elisabetta-Roberto-Nottingham, Akt II

A te dirò...Bagnato il sen di lagrime, Arie des Roberto, Akt III

Vivi, ingrato ... Quel sangue versato, Aria finale, Akt III

Karten

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