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Luzern, KKL: BRAHMS (Le piano symphonique), 2. KK, 2. SINFONIE, 09.02.2022

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Brahms Sinfonien

Applausbilder: K. Sannemann

Johannes Brahms: 2. Klavierkonzert in B-Dur | Uraufführung: 9. November 1881 in Budapest | Johannes Brahms: 2. Sinfonie | Uraufführung: 30 Dezember 1877 in Wien | Dieses Konzert in Luzern: 9. und 10.2.2022

Kritik:

Es war eine wahre Freude, die Begeisterung des Luzerner Chefdirigenten Michael Sanderling für den Komponisten Brahms erleben zu dürfen. Aus jeder Faser seines Körpers schien ein unglaublich intensiver Gestaltungswille zu strömen, der sich natürlich ganz direkt auf das Spiel des Luzerner Sinfonieorchesters übertrug, dessen Musiker*innen die Intentionen des Chefs mit präzisem, farbenreichem und beseeltem Musizieren umsetzten. Nur schon das mit exquisiter Tongebung vorgestellte Horn-Solo (traumhaft sauber intoniert von Florian Äberlich), welches mit dem Hauptthema das zweite Klavierkonzert des deutschen Hochromantikers Brahms einleitete, zeugte von der Qualität des Orchesters, die sich über alle Pulte bestätigte. So auch im dritten Satz, diesem wunderbaren, liedhaften Andante, in welchem das Solocello eine bedeutende, ja zeitweise dominierende Rolle einnimmt und das Klavierkonzert in diesem Satz beinahe zu einem Doppelkonzert für Klavier und Cello werden lässt. Der Solocellist Heiner Reich verlieh dem Part eine wunderbar warm strömende, einnehmende Innigkeit. Brahms' zweites Klavierkonzert ist ja nicht ein den Solisten exhibitionistisch mit Virtuosen-Blendwerk in den Vordergrund rückendes Stück, sondern - wie es ein zeitgenössische Kritiker damals etwas süffisant monnierte - "eine viersätzige Sinfonie mit obligatem Klavier". Doch dieser Klavierpart hat es in sich: Lange Zeit galt Brahms' zweites Klavierkonzert als eines der schwierigsten der Konzertliteratur. Der Pianist ist über die gesamte Dauer des Konzerts (50 Minuten) gefordert, hat nur während der Cello-Introduktion im Andante eine kleine Ruhepause zugestanden bekommen. Marc-André Hamelin stürzte sich mit bestechender Klarheit in die Eröffnungskadenz (welche nach der Vorstellung des Hauptthemas durch das Horn) am Anfang des Konzerts steht. Trotz der verzwackten Akkordschichtungen, welche Brahms hier dem Solisten auferlegte, bestach Hamelins Spiel mit glasklarer, enorm vielschichtiger Anschlagskultur. Die hüpfenden, vorwärtsdrängenden Passagen und die crescendierenden Triller meisterte er mit Präzision und Leichtigkeit. Wunderbar genau gelang das Zusammenspiel mit den Pizzicati der Streicher, überhaupt war das in diesem Konzert so enorm wichtige Dialogisieren mit dem Orchester ein Genuss.Verspielt-dämonisch kommt der unübliche zweite Satz daher, ein Allegro appassionato, das hier als Scherzo fungiert. Im dritten, dem langsamen Satz, folgte dann das herrliche Cello-Solo mit dem phänomenal ausgelegten Teppich der Streichergruppen und das mit ruhigem Duktus antwortende Klavier. Marc-André Hamelin breitete seine Themenvariationen schmeichelnd aus und dem betörenden, magischen und beinahe hypnotisierenden Klang der beiden Soloinstrumente und des Orchesters erlag man total. Den Variationenreichtum der Brahms'schen Kompositionsweise durfte man dann im Finalsatz bestaunen, in welchem die tänzerischen, ungarischen Elemente mit Verve zur heiteren Kulmination gebracht wurden. Ausgezeichnet war die Zugabe des Pianisten gewählt (er sagte sie auch an, was sehr lobenswert ist, da das heutzutage von vielen Künstlern oftmals nicht mehr gemacht wird): La Complaisante, von Carl Philipp Emanuel Bach (der berühmteste der Bach Söhne, auch Berliner/Hamburger Bach genannt). Hier zeigte der Pianist Marc-André Hamelin noch einmal seine Fähigkeit zur transparenten Klanggestaltung und seine mit phänomenaler Differenzierungskunst aufwartende Anschlagskultur.

Nach der Pause folgte dann Brahms' zweite Sinfonie in D-Dur, welche er vier Jahre vor dem 2. Klavierkonzert abgeschlossen hatte. Diese Sinfonie ist von der Grundstimmung her die heiterste, pastoralste aus Brahms' sinfonischem Oeuvre. Dass im Subtext durchaus Konflikte ausgetragen, die idyllische Grundstimmung auch mal getrübt werden kann, zeigte die Interpretation durch Michael Sanderling und das Luzerner Sinfonieorchester deutlich. Daneben aber viel epische Breite, dann wieder forsch angegangene, tänzerische Ausgelassenheit. Die klare Zeichengebung des Dirigenten und das aufmerksam und konzentriert folgende Orchester erreichten eine Wiedergabe von begeisternder formaler Geschlossenheit dieser Sinfonie. Erneut beeindruckten das Solohorn, die Celli und das schön gelungene Wechselspiel zwischen Streichern und Holz, vor allem im dritten Satz.

Doch damit noch nicht genug Brahms - im Anschluss an das Konzert spielte Suzanne Z'Graggen auf der grossen Orgel im KKL noch sechs Choralvorspiele aus dem op.122 von Johannes Brahms, entstanden ein Jahr vor seinem Tod, also quasi ein musikalischer Schwanengesang des grossen Komponisten, dem in Luzern nun ein vier Tage daauerndes Festival gewidmet ist, in welchem eine bedeutende Bandbreite seines Schaffens präsentiert wird. Es war sehr bereichernd, die Orgel im KKL einmal zu erleben. In den Konzertsälen dieser Welt fragt man sich manchmal, ob diese teuren Instrumente eigentlich nur aus optischen Gründen eingebaut werden. Schade, dass sich viele Besucher*innen des Konzerts diesen Ohrenschmaus nicht mehr gönnten und sich nach der Sinfonie auf den Heimweg machten. Sie verpassten ein berührendes Klangerlebnis. Suzanne Z'Graggen verlieh den ersten sechs Choralvorspielen eine klanglich wunderbar vielschichtige Kraft, die reichte von schlichter Einfachheit zu wuchtigem, hochromantischem Aufbäumen, mal rhythmisch bewegt, dann wieder verhalten introvertiert.

Das Klavierkonzert und die Sinfonie sind heute Abend nochmals zu erleben, im Anschluss daran sechs weitere Choralvorspiele aus der Feder des norddeutschen Meisters.

Werke:

Johannes Brahms (1833-1897) schrieb sein zweites Klavierkonzert in B-Dur über 20 Jahre nach seinem ersten Konzert für Klavier und Orchester (d-Moll). Das Konzert mit seinen vier Sätzen und einer Aufführungsdauer von ca. 50 Minuten gehört zu den längsten seiner Gattung und wird manchmal auch als "Sinfonie mit Klaviersolo" bezeichnet, was eigentlich nicht korrekt ist, da der Klavierpart äusserst virtuos und auch dominierend angelegt ist. Brahms selbst spielte am Klavier die Uraufführung und gastierte mit dem erfolgreichen Konzert in vielen europäischen Metropolen.

Brahms zeigt in diesem Konzert seine Meisterschaft der vielschichtigen thematischen Variation. Im dritten Satz verwendet Brahms eine Melodie, welche er später für das Lied "Immer leiser wird mein Schlummer" wieder verwendet hat und gibt sie zur Exposition dem Solocello. Der Finalsatz erinnert thematisch und in seinem Kolorit an eine ungarische Weise.

Johannes Brahms schrieb vier Sinfonien. Die zweite in D-Dur entstand 1877, im Gegensatz zur ersten in relativ kurzer Zeit. Die Uraufführung unter Hans Richter in Wien war sehr erfolgreich. Der berühmt-berüchtigte Kritiker Eduard Hanslick schrieb z.B.: „ ... selten hat die Freude des Publikums an einer neuen Tondichtung so aufrichtig und warm gesprochen.“ Der erste Satz (Allegro non troppo) ist von einfallsreicher, beinahe pastoraler Melodik bestimmt. Eine schwermütige Celloweise prägt das Adagio des zweiten Satzes, untermalt mit sehnsüchtigen Hornrufen. Nach einer gewittrigen Stimmung verklingt der Satz friedlich und ruhig. Das Alegretto grazioso des dritten Satzes ist wohl der eingängigste Abschnitt der Sinfonie, voller Fröhlichkeit und wildem Galoppieren. Der Finalsatz (Allegro con spirito) ist ein wirbelndes Brio, mit schwärmerischen, naturseligen und ungarisch angehauchten Einsprengseln.

Karten

 

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