Aarhus, Musikhuset: PROKOFIEV, BRAHMS, 30.09.2021
Sergej Prokofiev: 2. Klavierkonzert | Uraufführung: 23. August 1913 in Pavlovsk | Johannes Brahms: 1. Sinfonie | Urauführung: 4. November 1876 in Karlsruhe
Kritik:
Einen passenderen Titel für dieses Konzert als "Supernova i det grønne" hätte das Aarhus Symfoni Orkester kaum wählen können. Denn tatsächlich leuchtet Prokofievs für den Solisten so unsagbar schwierig zu spielendes Werk wie eine alles und jeden mitreissende Explosion am Firnament auf - und bildet damit einen spannenden Kontrast zur Sinfonie von Brahms, die mit dem Alphornthema, dem Chora, dem Liedhaftenl und der Kontemplation der Natur einen Weg vom Dunkel ins Licht beschreitet. Andris Poga und das Aarhus Symfoni Orkester zeichneten diesen (manchmal durchaus mit Gegenkräften ringenden) Weg, den Brahms hier beschritt, mit kräftigen Pinselstrichen im farbenreichem Spiel. Exzellent spielten die Blechbläser, sublim das Holz, satt die Streicher.
Doch das Ereignis des Abends fand vor der Pause statt. Bezhod Abduraimovs Interpretation von Prokofievs 2. Klavierkonzert riss vom Stuhl, 35 Minuten Hochspannung, ohne jegliche Möglichkeit, das Ohr etwas ruhen zu lassen. Dieses Klavierkonzert gehört zu den allerschwierigsten des Repertoires und kommt auch deshalb nicht gerade oft zur Aufführung, zumal einige Starpianisten die Hände davon lassen. So etwa Martha Argerich (die sehr wohl gerne und oft Prokofievs 3. Klavierkonzert spielt). Auch Prokofiev selbst, der zweifelsohne einer der besten Klaviervirtuosen des 20. Jahrhunderts war, geriet während eines Konzerts unter der Leitung von Ernest Ansermet in den 30 Jahren in Bedrouille. Porkofiev hatte, nachdem seine Noten in den Wirren der russischen Revolution verbrannt waren, das Konzert für eine Aufführung in Paris rekonstruiert und es sowohl bei der Uraufführung in Russland als auch während seiner Zeit im Westen mehrmals aufgeführt. Bezhod Abduraimov warf sich mit vollem Elan in die verzwacktesten Passagen, trumpfte mit kravtvollen Akkorden, ja geradezu Kaskaden von Akkorden, liess die Glissandi sprühen, die Hände und Finger sprangen mit unermüdlicher Geläufigkeit und Präzision über die Tasten, die komplexe Rhythmik stimmte in perfekter Synchronität mit dem Orchester. Die fünfminütige Kadenz spielte Abduraimov mit fesselnder Stringenz, liess den Zuhörer die technischen Schwierigkeiten vergessen. Es ist ja ein Konzert ohne jegliche Ruhepunkte, der Pianist ist ständig aufs Äusserste gefordert. Nach der kurzen Andantino-Einleitung schlägt die Musik nur noch schnelle Tempi an, kein einziger langsamer Satz ist in dem viersätzigen Stück enthalten, nach dem tumultuosa Finale des ersten folgt ein diabolisches Scherzo mit zehn Noten pro Sekunde, die der Virtuose am Klavier zu spielen hat. Auch danach keine Entspannung, denn das Intermezzo baut wuchtige Höhepunkte auf, ein Klimax folgt dem nächsten. Tiraden im fortissimo leiten den Finalsatz ein, ein wuchtiges Tempestoso, nur kurz unterbrochen durch ein Schlaflied-Thema, bevor ein langes Diminuendo zur letzten Explosion der wilden Reprise führt, die das Publikum regelrecht von den Stühlen riss. Eine Standing Ovation für die Ausführenden. Doch selbst nach diesem gewaltigen Kraftakt hatte der Solist noch die Energie, um das Publikum mit einer beruhigenden Zugabe in die Pause zu entlassen: Chopins Prélude op.28 Nr.4, bekannt geworden auch durch das Chanson Jane B. des Komponisten Serge Gainsbourg für Jane Birkin. Eine wunderbare Wahl!
Fazit: Prokofievs 2. Klavierkonzert gehört nun definitiv zu meinen persönlichen Favoriten dieses Genres. Danke an das Aarhus Symfoni Orkester und vor allem an Bezhod Abduraimov!