Bregenz: AIDA, 21.08.2009
Endzeitstimmung in Bregenz: Im Hafen von New York versammeln sich Überlebende eines brutalen Angriffs auf die Stadt. Die Freiheitsstatue liegt in Trümmern, es werden vergebliche Versuche unternommen, sie wieder aufzubauen. Eine rabiate Sekte scheint das Regime in der Stadt übernommen zu haben, Regimegegner werden gnadenlos im Hudson River (Bodensee) ersäuft. Vor diesem Hintergrund entwickelt Regisseur Grasham Vick seine überzeugende Konzeption der fatalen Dreiecksgeschichte um Liebe, Macht, Krieg und Tod. Trotz der grossen Distanzen, der Monumentalität des Bühnenbildes und des Einsatzes von manchmal zu laut surrenden Kränen gelingt es dem Inszenierungsteam eine packendes, intensives Endzeit-Drama zu erzählen. Die einfallsreiche Choreographie von Ron Howell und das spannende Lichtdesign von Wofgang Göbbel tragen das ihre dazu bei, dass die ohne Pause gespielte Oper wie im Flug vergeht. Der Einbezug des Wassers gelingt an diesem einmaligen Spielort hervorragend, immer wieder staunt man über stimmige, faszinierende Effekte, welche im Zusammenspiel von Licht, Wasser, Bühne, Kostümen (die schwimmenden Priester im 4. Akt) und Tänzern entstehen. Dass auch die Protagonisten keine Wasserscheu zeigen, ist ihnen hoch anzurechnen.
Leider gerät man ob der musikalischen Qualität nicht ebenso grenzenlos ins Schwärmen.
Die Damen vermochten durchwegs zu überzeugen, ja zu begeistern. Mardi Byers sang eine für sich einnehmende Aida. Ihr gut durchgeformter Sopran mit der wunderbar warm klingenden Mittellage und dem soliden Fundament war für die äthiopische Prinzessin nahezu ideal, mit wunderbaren Piani und herrlich schwebenden Phrasen in der Nilarie. Einzig in der Höhe verengte sich ihre Stimme manchmal ein wenig. Ihre Gegenspielerin Amneris war bei Guang Yang in sicheren Händen. Mit ihrem kräftigen Mezzo deckte sie alle Facetten dieser herrischen, aber auch unglücklich liebenden Königstochter ab.
Die erste Priesterin sang Talia Or, ihr Double schwebte als Mutter Gottes in schwindelerregender Höhe vom Bregenzer Nachthimmel.
Über die Leistung von Philip Webb als Radames sollte man eigentlich den Mantel des Schweigens hüllen. Angesichts der doch nicht ganz bescheidenen Eintrittspreise sei jedoch angemerkt, dass diese Besetzung eine Zumutung war. Die Stimme verfügt weder über die notwendige heldische Durschlagskraft, noch über einen sicheren Sitz. Schon beim Mezzoforte brach sie weg, Schluchzer und Intonationstrübungen wurden manieristisch eingesetzt. Schade, denn das Grundmaterial wäre eigentlich schön, doch diese Partie dürfte er nicht (Openair) singen. Auch der König von Keel Watson überzeugte nicht. Sorin Coliban als Oberpriester Ramphis verfügte nicht über die geforderte Schwärze und Autorität. Sein Bass klang sehr gleichförmig.
Somit blieb es Vittorio Vitelli als Amonasro überlassen, die Kastanien für die Männer aus dem Feuer zu holen. Das war Verdi-Gesang vom Feinsten. Bravo.
Die Chöre hatten arge Koordinationsprobleme mit dem Orchester. Insgesamt klangen sie etwas fahl, genauso wie die musikalische Interpretation durch den Dirigenten Gareth Jones. Vielleicht lag es ja auch an der nicht restlos überzeugenden Tontechnik, dass von Chor und Orchester wenig Inspiration ausging.
Immerhin blieb es beinahe bis zum Schluss trocken. Einzig als Aida und Radames in der Todes-Barke gegen den Himmel schwebten, vergoss auch dieser einige sanfte Tränen.