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Berlin: TURANDOT, 14.10.2008

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Turandot

And the Oscar for best supporting actor goes to......PETER MAUS. Unglaublich, was Herr Maus darstellerisch aus der meist nur dekorativ gehaltenen Rolle des alten Kaisers herausholt. Das ist ein Verschnitt von Honecker, Breschnew, Pinochet und Hitler (mit dem parkinsonschen Syndrom). Seine kindische Freude über die Niederlage seiner Tochter, sein seniles Gebaren - einfach grossartig.

Regisseur Lorenzo Fioroni verlegt das märchenhafte Geschehen in einen entfernt an den Palast der Republik erinnernden Plenarsaal. Das Volk wird dazu verdammt, dem Politbüro/Junta zuzujubeln und zweifelhafte, brutale Theateraufführungen zu verfolgen, welche vom an Commedia dell´Arte erinnernden Trio Ping, Pang und Pong so herrlich komisch konterkariert werden (toll Nathan Myers, Jörg Schörner und Paul Kaufmann). Die Gewalt, die das ganze Treiben umgibt, schlägt schliesslich gnadenlos zu. Auch Turandot und Calaf sind in gewalttätigen Umgebungen gross geworden, sie als Tochter des Caudillo, er als Flüchtling. Am Ende kommen sie zwar zusammen, können ihrer eigenen Biografie aber nicht entkommen. Sie ermorden beide ihre Väter. Nein, Liebe ist es nicht, welche die beiden starken Figuren verbindet. Diese unverhoffte, plötzliche Liebe tritt im Libretto ja auch recht unbeholfen und unmotiviert am Schluss des Stücks auf. Deshalb macht die Deutung des Regisseurs durchaus Sinn, dass die Verbindung der beiden auf derer Traumatisierung aufbaut und eskaliert. Auf dem nackten Gerüst der Politbürologe werden auch Ping, Pong und Pang am Ende nichts mehr zu lachen haben.


Sängerisch stand der Abend erst mal unter keinem guten Stern: Carlo Ventre (Calaf) sagte krankheitsbedingt ab. Der Einspringer, Mario Zhang, schlug sich tapfer. Insgesamt fehlt es der Stimme aber an dramatischer Durschlagskraft für das grosse Haus. Immerhin darf ihm zu Gute gehalten werden, dass er den hohen Ton am Ende der Rätselszene voll aussang! Da gehen die meisten berühmten Tenöre runter.
Lise Lindstrom legte einen fulminanten Auftritt als eiskalte Prinzessin Turandot hin. Ihr "In questa reggia.." und die nachfolgende Rätselszene waren mit wunderbar schneidender Kälte und sicherer Höhe gesungen. Im dritten Akt hielt sie sich anfänglich etwas zurück, um sich dann aber im Schlussduett wieder zu steigern.
Neben dem kräftig auftrumpfenden und sicher singenden Chor erhielt Inna Los als Liú den meisten Applaus. Ihre zweite Are "Tu ch di gel sei cinta" gestaltete sie sehr anrührend. Anschliessend an ihren Selbstmord musste sie (es war wohl eine Puppe) noch 20 Minuten an einem Kabel über der Bühne hängen...

Als Timur glänzte der Bass Paata Burchuladze. Ein Penner, der sich nach dem Tode der Liú dem Alkohol ergibt und über dessen Ermordung durch seinen Sohn niemand mehr trauert.


Die besuchte Vorstellung war erst die vierte nach der Premiere. Erstaunlich, dass bereits nicht mehr Pinchas Steinberg am Pult stand, sondern der Assistent Attilio Tommasello, welcher insgesamt eine solide Vorstellung dirigierte, mit der Lautstärke des Orchesters aber doch gerade den Einspringer etwas rücksichtslos zudeckte.


Fazit:

Interessante Deutung des Stoffes, nie langweilig.

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