Zürich, Opernhaus: LE NOZZE DI FIGARO; 15.12.2024
Elbenita Kajtazi gastiert als Contessa nur für eine Vorstellung am Opernhaus Zürich, Andrè Schuen singt den Conte di Almaviva, das "niedere" Paar wird von Andrew Moore (Figaro) und Nikola Hillebrand (Susanna) verkörpert. Antonello Manacorda dirigiert!
Opera buffa in vier Akten | Musik: Wolfgang Amadeus Mozart | Libretto : Lorenzo da Ponte | Uraufführung: 1. Mai 1786, Burgtheater Wien | Aufführungen in Zürich (Wiederaufnahme): 15.12. | 18.12. | 20.12. | 22.12.2024 | 2.1.2025
Kurzkritik:
Man kann guten Gewissens von einer Referenz-Aufführung von Mozarts meisterhafter Opera Buffa berichten. Die Inszenierung (Premiere war 2022) hat nichts von ihrer Originalität, dem sprühenden, hintergründigen Witz und der intelligenten Subtilität eingebüsst - trotz einer Neubesetzung paraktisch aller Partien für diese Wiederaufnahme. Einzig das verdiente Ensemblemitglied Ruben Drole in der (zum Glück durch den Regisseur etwas aufgewerteten Rolle des derben Gärtners Antonio) ist von der Premierenbesetzung übrig geblieben. Er stellte auch zwei Jahre später seine enorme szenische Präsenz unter Beweis! Für meine Eindrücke zur atemberaubenden Inszenierung durch Jan Philipp Gloger (die geniale - sängerfreundliche - Bühnengestaltung hatte Ben Baur entworfen, die passenden Kostüme stammen von Karin Jud, die Lichtgestaltung von Martin Gebhardt) verweise ich auf meine Kritik vom 19.6.2022; den Link dazu finden Sie weiter unten.
Es gilt nun also den neuen Interpret*innen der Hauptpartien Dank und uneingeschränktes Lob auszusprechen, gerechterweise einfach in der Reihe der Besetzungsliste, da sie allesamt mit wunderberen und herausragenden darstellerischen und gesanglichen Leistungen begeisterten.
Andrè Schuen, der weltweit gefragte Bariton aus dem Südtirol, sang einen überaus attraktiven Grafen Almaviva, ein echter Womanizer, mit verführerischer Stimme, die sowohl erotische Leidenschaft als auch die Wut des Hintergangenen mit Vehemenz und Eindringlichkeit auszudrücken wusste. Seine grosse Arie im dritten Akt Hai già vinta la causa war voll packender Dramatik. Seine Angetraute, die Gräfin Almaviva, wurde von Elbenita Kajtazi interpretiert: Bereits ihre erste Arie, die diffizile Cavatine Porgi, amor, qualche ristoro gelang zum Niederknien schön, mit herrlich aufblühender Emphase. Später zeigte sie durchaus nicht nur edle, melancholische Momente, sondern stellte auch ihre Kratzbürstigkeit zur Schau (man darf nicht vergessen, dass es sich bei der Figur um die quirlig-verschlagene Rosina aus dem Barbier von Sevilla handelt). Elbenita Kajtazis wunderschön geführter Sopran bereicherte die vielen Ensembles und begeisterte mit der Reinheit ihrer Phrasen im Accompagnato E Susanna non vien! und der Arie Dove sono i bei momenti. Ensemblemitglied Andrew Moore gab einen vor Energie nur so sprühenden Figaro mit einer unnachahmlichen szenischen Präsenz, herrlich stimmiger Mimik und stimmlich absolut top. Nach seinem grossartigen Paolo Albiani in SIMON BOCCANEGRA erneut ein Beweis des immensen Talents dieses vielversprechenden Sängers. Überragend sang und spielte auch Nikola Hillebrand als Susanna. Berückend schön gestaltete sie u.a. die Rosenarie im vierten Akt, das Duett mit der Gräfin im dritten und die urkomischen Szenen im ersten und zweiten Akt. Es ist dies die umfangreichste Rolle der Oper und Nikola Hillebrand meisterte das alles mit einer sensationellen Selbstverständlichkeit, einer perfekten Ausdifferenzierung der Stimmungen und mit einer natürlichen, einnehmenden Darstellungskunst. Als überaus gelungen darf man auch das Rollen- und Hausdebüt von Kady Evanyshyn in der zentralen Hosenrolle als Cherubino bezeichnen Dieser liebestolle, pubertäre Page ist ein Sympathieträger und taucht immer in den unglücklichsten Momenten auf. Kady Evanyshyn sang - sehr passend zur Hosenrolle - mit leicht herbem, burschikosem Timbre, ganz wunderbar. Freude machte auch das Wiedersehen und -hören mit Irène Friedli als Marcellina: Irène Friedli ist seit 30 Jahren eine wichtige Stütze des Ensembles in Zürich. Es war wunderbar, sie (nach der Produktion von NOZZE 2007 unter Welser-Möst) erneut in dieser viel schauspielerisches Talent abverlangenden Rolle zu erleben. Leider wurde ihre Arie Il capro e la capretta gestrichen. Jens-Erik Aasbø sang mit eindrücklicher, bassgewaltiger Agilität den am Ende schwulen Bartolo, der mit dem stimmlich und szenisch ebenso hervorragenden Basilio von Christopher Willoughby auf dem Dachboden ein Techtelmechtel eingeht. Cherubinos Klage Non so più cosa son cosa faccio hat alle anderen an diesem "tollen Tag" auch befallen. Martin Zysset war eine Luxusbesetzung als stotternder Don Curzio und ganz besonders aufhorchen liess die stimmlich vielversprechende Marie Lombard als Barbarina, die auf dem Estrich ihre Unschuld verliert.
Zum ersten Mal dirigierte Antonello Manacorda die Philharmonie Zürich - und man hofft inständig, dass er unter der neuen Direktion des Opernhauses Zürich bald wiederkommt. Sein Dirigat war von einer prägnanten Verve und einer Feinfühligkeit geprägt, die keinen Moment Langeweile aufkommen liess. Durch sein einfühlsames Mitatmen war er für die Sänger*innen bestimmt eine wichtig Stütze. Er hob viele Details der Partitur wunderbar organisch heraus, ohne sich darin zu verlieren, ohne den Fluss versiegen zu lassen. Die hochgefahrene Philharmonia Zürich gestaltete die Musik Mozarts mit begeisternder Lebendigkeit. Ganz grosse Klasse. Enrico Maria Cacciari (Continuo Hammerklavier) und Claudius Herrmann (Continuo Cello) waren bestechende, virtuose Unterstützer in den Secco Rezitativen.
Fazit: Auch wer die Premierenserie erlebt hat, sollte sich eine der Vorstellungen in dieser praktisch vollständig und superb neu besetzten Wiederaufnahme nicht entgehen lassen. In den verbleibenden vier Aufführungen wird Olga Bezsmertna anstelle von Elbenita Kajtazi die Gräfin singen.
Von mir besuchte Aufführungen von LE NOZZE DI FIGARO im Opernhaus Zürich:
Anfang 1970er Jahre: ML: Ferdinand Leitner, Inszenierung: Leopold Lindtberg, Gräfin: Marilyn Zschau, Susanna: Renate Lenhart, Figaro: Jozsef Dene, Cherubino: Charlotte Berthold, Graf: Kari Nurmela, Marcellina: Erika Wien
28.2.1989 ML: Nikolaus Harnoncourt, I: Jean-Pierre Ponnelle, Gräfin: Roberta Alexander, Susanna: Barbara Bonney, Cherubino: Cecilia Bartoli, Figaro: Anton Scharinger, Graf: Hakan Hagegard, Marcellina: Stefania Kaluza
16.3.1990 Wie oben, Graf: Rodney Gilfry, Cherubino: Gabriele Sima
5.4. 1998 ML: Nikolaus Harnoncourt, I. Jürgen Flimm, Gräfin: Eva Mei, Susanna: Dorothee Röschmann, Figaro: Carlos Chausson, Graf: Oliver Widmer, Cherubino: Liliana Nikiteanu, Marcellina: Elisabeth von Magnus
11.3.2007: ML: Franz Welser-Möst, I: Sven-Eric Bechtolf, Gräfin: Malin Hartelius, Susanna: Martina Jankova, Figaro: Erwin Schrott, Graf: Michael Volle, Cherubino: Judith Schmid, Marcellina: Irène Friedli
20.11.2007 wie oben, Figaro: Ruben Drole
19.06.2022: ML: Stefano Monatnari, I: Jan Philipp Gloger, Gräfin: Hartig Anita, Susanna: Louise Alder, Figaro: Morgan Pearse, Graf: Daniel Okulitch, Cherubino: Lea Desandre, Marcellina: Malin Hartelius
Inhalt der Oper:
„Figaros Hochzeit“ ist die Fortsetzung des „Barbiers von Sevilla“.
Die Handlung spielt an einem einzigen Tag.
Graf Almaviva ist mit Rosina verheiratet, aber seine Gefühle für die Gräfin sind erkaltet. Er stellt der Zofe Susanna nach, die sich jedoch mitten in den Hochzeitsvorbereitungen mit Figaro, Almavivas Kammerdiener, befindet. Zwar hat der Graf auf das adlige „Recht auf die erste Nacht“ verzichtet, nimmt sein Versprechen jedoch nicht sehr ernst. Figaro seinerseits hat die Ehe Marcellina versprochen. Nach einigen turbulenten Szenen, die geprägt sind vom ständigen Auftauchen des jungen Heisssporns Cherubino, von Eifersucht, Rache, Verwechslungen, Intrigen und Lust, stellt sich heraus, dass Marcellina Figaros Mutter ist, Bartolo sein Vater und weder Susanna noch die Gräfin untreu waren.
Auf Knien muss der Graf seine Gräfin um Verzeihung bitten. Doch ist die Welt nun wieder in Ordnung, sind die Wunden verheilt?
Werk:
Stilistisch zwar noch eine typische opera buffa, zeigt Mozarts NOZZE DI FIGARO den Meister auf dem Höhepunkt seines Opernschaffens: Wie kein anderer seiner Zeitgenossen verstand er es, seine Protagonisten mit Leben zu erfüllen, Stimmungsumschwünge gekonnt in die konventionellen Formen der Arien und Cavatinen einzubauen, Ensembles von vitaler Kraft und Lebendigkeit zu komponieren.
Obwohl das Stück von Beaumarchais mit einem Aufführungsverbot belegt war (Kritik an der Feudalherrschaft), durfte die Oper Mozarts und da Pontes unbeanstandet von der Zensur gespielt werden. Nach einer eher reservierten Aufnahme durch das adlige Wiener Publikum setzte sich der FIGARO erst nach den erfolgreichen Aufführungen in Prag durch.
Musikalische Höhepunkte:
Viele bekannte und wunderschöne Arien und Ensembleszenen, so die beiden Arien der Gräfin „Porgi amor“ und „Dove sono i bei momenti“, Cherubinos „Non so più“ und „Voi che sapete“, Susannas „Deh vieni, non tardar“ im vierten Akt, Figaros „Aprite un po´ quel´occhi“…
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