Hamburg: GÖTTERDÄMMERUNG, 17.10.2010
Dritter und letzter Tag des Bühnenfestspiels DER RING DES NIBELUNGEN |
Musik: Richard Wagner |
Textdichtung vom Komponisten |
Uraufführung: 17. August 1876, Festspielhaus Bayreuth |
Aufführungen in Hamburg: 17.10. | 21.10. | 27.10. |31.10. | 7.11. | 14.11.2010 | 27.3. | 10.4.2011
Man konnte Richard Wagner an diesem Abend in Hamburg nicht dankbar genug sein, dass er seiner GÖTTERDÄMMERUNG nach dreieinhalb Stunden Musik für den ersten und zweiten Akt noch einen gut 75 Minuten dauernden dritten Akt folgen liess – sonst hätte man nämlich beinahe von einer „Sängerdämmerung“ berichten müssen. Deborah Polaski hat in ihrer Karriere bereits alles erreicht, über 10 Jahre in Bayreuth die Brünnhilde gesungen, weltweit gefeiert in hochdramatischen Partien wie der Elektra, der Isolde. Warum tut sie sich die Brünnhilde mit über 60 nochmals an, fragte man sich an exponierten Stellen des ersten und zweiten Aktes immer wieder. Angerissene, kaum auf dem Ton gehaltenen Höhen, starkes Vibrato – daneben aber auch immer wieder Passagen grosser Empfindsamkeit. Doch dann setzte sie am Ende des dritten Aktes zu einem berührenden, wunderbar differenziert gestalteten Schlussgesang an, da war plötzlich eine ungemeine Leichtigkeit, eine beeindruckende Tiefe des Ausdrucks in der Stimme, welche man ihr nicht mehr zugetraut hätte. Brava! Ähnliches muss man über ihren Bühnenpartner Christian Franz sagen, welcher den „tumben Toren“ zwar in den ersten beiden Akten äusserst rollendeckend verkörperte, stimmliche Mängel jedoch nur schwer überdecken konnte. Doch auch er zeigte im dritten Akt plötzlich grosse Qualitäten: Witzig sein Geplänkel mit den fantastisch singenden Rheintöchtern (Ha Young Lee, Maria Markina, Ann-Beth Solvang), mit grosser Kraft die lange Erzählung (wenn auch mit gekonnter Flucht in die Kopfstimme an einigen Stellen) und mit bewegender Selbsterkenntnis nach dem Todesstoss, in welchen er sich selbst ergeben hatte. Diesen versetzte ihm der Hagen von Sir John Tomlinson. Vom Publikum wurde er am heftigsten bejubelt, doch auch seine Intonation und gewisse Vokalverfärbungen waren nicht über alle Zweifel erhaben. Daneben verfügte Sir John aber auch über eine grossartige Phrasierungskunst und eine ausgezeichnete Diktion. Seine "Mannen" waren die stimmkräftigen Mitglieder des Chores der Staatsoper, sein ihm auf der Zimmerdecke von oben herumtrampelnder Papa Alberich wurde von Wolfgang Koch gesungen. Petra Lang sang in ihrem kurzen Auftritt eine überragende Waltraute, mit dieser Besetzung hat man einen wahren Glückssgriff getan.Das Gibichungenpaar hingegen war zu unterschiedlich besetzt: Hervorragend der Gunther von Robert Bork, mit kernigem, raumfüllendem Bariton war er gar nicht so der sonst immer porträtierte Schwächling, sonderen ein zielstrebiger Yuppie, der eigentlich genau wusste, was er an irdischen Gütern haben wollte. Für Anna Gabler kommt die Gutrune noch zu früh, ihre Stimme verfügt nicht über die runde Fülle, welche für die Partie gebraucht würde. Als Erscheinung hingegen vermochte sie sehr zu überzeugen und da war es auch klar, dass Siegfried bei ihrem Anblick sofort das inzestuöse Verhältnis mit seiner um Jahre älteren Tante aufgab, da brauchte er den Vergessenstrank gar nicht anzurühren. Den einzunehmen hatte ihm nämlich Regisseur Claus Guth erspart. In seiner Inszenierung irren die Figuren in einem weissen, leeren, bungalowartigen Labyrinth (Bühne: Christian Schmidt) umher, sinnentleert und verloren. Im oberen Stockwerk tauchen immer mal wieder die Figuren aus den vorangegangenen Teilen der Tetralogie auf, in geisterhaftem Totentanz. Dieses Haus dreht sich ständig, es öffnen sich aber keine neuen Räume, gegen Ende werden die leeren Zimmerfluchten immer mehr mit Holzstapeln gefüllt (Starke Scheite…) Das grellweisse Licht jedoch führt vor allem im ersten Akt auch zur Ermüdung der Augen, dazu kommt, dass GMD Simone Young eher langsame Tempi bevorzugte (und auch die Nornen zu Beginn nicht restlos überzeugten), was vor allem den ersten Teil wirklich zu einer Herausforderung auch für die Zuschauer macht. Die Hamburger Philharmoniker gingen aufmerksam und sehr rund spielend mit, unter Simone Youngs Leitung wuchsen die wunderbaren orchestralen Zwischenspiele zu architektonisch herrlich herausgearbeiteten Gebilden. Neben schönen Einzelleistungen gab es allerdings bei den enorm anforderungsreichen und exponierten Passagen der Hörner auch einige Patzer zu hören.
Wunderschön und berührend war der Schluss: Brünnhilde erträumt sich ein Zusammensein mit Siegfried, die gemeinsame Wohnung der „Enthausten“ steigt nochmals hoch, Siegfried steht am Fenster, doch Brünnhilde hat sich bereits die Pulsadern geöffnet – eine Hoffnung auf ein Happyend gibt es nicht. Der Weltenbrand ist da.
Fazit: Die vielen Buhrufe der sich gegenseitig überbieten wollenden Paradiesvögel im Publikum waren völlig unangebracht. Sicher, die Sänger gelangten– neben viel wirklich Gelungenem - stellenweise an Grenzen (gibt es Live-Aufführungen der GÖTTERDÄMMERUNG heutzutage, in denen dies nicht der Fall ist?), doch die Dirigentin und das Inszenierungsteam haben die auf sie niederprasselnden Missfallensbekundungen nicht verdient.
Werk:
Die GÖTTERDÄMMERUNG bildet den monumentalen Schlussteil von Wagners Tetralogie, ein Werk von ungeheurem Ausmass und ebensolchen Anforderungen an die Ausführenden. Nach aussen stellt diese Werk - mit einer Aufführungsdauer von sechs Stunden - den opernhaftesten Teil der vier Abende dar, mit grossen arienhaften Szenen und dem Chor, der hier zum einzigen Mal im gesamten RING auftaucht. Daneben kommt das sinfonische Element, als orchestrales Intermezzo, ausgiebig zum Tragen (Siegfrieds Rheinfahrt, Trauermusik, Weltenbrand). Trotz des gewaltigen Umfangs der Partitur herrscht nach dem ruhigen Beginn (Szene der Nornen) eine nie nachlassende Spannung und eine geballte, hochdramatische Erregung. Wagner hat die Charakterzeichnungen der Personen noch weiter verfeinert, die Motive werden kunstvoll verwoben und zu einem eruptiven Schluss gebracht.
Das aussergewöhnliche Drama um Liebe, Macht und gebrochene Verträge findet mit der Rückgabe des fluchbeladenen Rings an die Rheintöchter sein Ende.
Inhalt des dritten Tages:
Der letzte Teil von in Richard Wagners "Ring"-Tetralogie schildert den Tod Siegfrieds, den Untergang der Götter und die Erlösung vom Ring und seinem Fluch: Siegfried lebt nun mit Brünnhilde zusammen, doch es drängt ihn zu neuen Taten. Als Pfand seiner Liebe überlässt er ihr den Ring. Von seiner Macht weiß er allerdings nichts. Unterdessen hat Alberich mit Grimhild einen Sohn gezeugt: Hagen. Er will ihn benutzen, um wieder in den Besitz des Rings zu gelangen. Hagen weiss um den Ring und seine Macht und gibt Siegfried einen Vergessenstrank. Nun kann er sich an nichts mehr erinnern. Er erklärt sich einverstanden, Brünnhilde für Gunther freien und kriegt dafür Gunthers Schwester Gutrune zur Frau. Brünnhilde fühlt sich von Siegfried betrogen. Sie verrät Hagen, dass Siegfried am Rücken verletzlich ist. Hagen ermordet Siegfried. Erst nach dem Tod Siegfrieds begreift Brünnhilde, dass sie von Hagen benutzt wurde, um den Ring zu erlangen. Sie nimmt den Ring an sich und reitet in den Scheiterhaufen auf welchem der tote Held verbrannt werden soll. Der Rhein tritt über die Ufer, die Rheintöchter ziehen Hagen in die Fluten. Das Feuer greif auf Walhall über, das Ende der Götter ist da.
Musikalische Höhepunkte:
Tagesanbruch, Prolog
Zu neuen Taten, Brünnhilde-Siegfried, Prolog
Siegfrieds Rheinfahrt, Prolog
Hier sitz ich zur Wacht, Hagen, Akt I
Altgewohntes Geräusch, Brünnhilde-Waltraute, Akt I
Schläfst du Hagen, mein Sohn, Alberich-Hagen, Akt II
Welches Unholds List, Verschwörungsszene Brünnhilde, Hagen, Gunther, Akt II
Mime hiess ein mürrischer Zwerg – Brünnhilde, heilige Braut, Siegfrieds Erzählung, Akt III
Siegfrieds Tod, Trauermusik, Akt III
Starke Scheite schichtet mir dort, Schlussgesang der Brünnhilde, Akt III