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Berlin, Deutsche Oper: RIGOLETTO, 21.04.2013

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Rigoletto

Fotos: © Bettina Stöß, mit freundlicher Genehmigung

Oper in drei Akten | Musik: Giuseppe Verdi | Libretto: Francesco Maria Piave, nach dem Versdrama Le roi s'amuse von Victor Hugo | Uraufführung: 11. März 1851 in Venedig | Aufführungen in Berlin: 21.4. | 24.4. | 28.4. | 30.4.2013

Kritik: 

Amüsieren soll sich in Verdis Drama einzig der einem promiskuitiven, ausschweifenden Lebensstil frönende Herzog, wir, das Publikum sollen uns nicht amüsieren, sondern aufgewühlt, berührt, bewegt werden von der tragischen Geschichte um das Zerfallen von Lebensentwürfen und -lügen. Doch dies war leider gestern Abend in der Deutschen Oper Berlin nicht der Fall. Noch kaum je liess eine RIGOLETTO Inszenierung so kalt und unberührt wie diese unausgegorene Arbeit des Inszenierungsteams um Regisseur Jan Bosse. Von seinem Bühnenbildner Stéphane Laimé liess er den Zuschauersaal der Deutschen Oper auf der Bühne spiegelbildlich nachbauen, die Hofgesellschaft (also wir gewöhnlichen Zuschauer) nahmen auf der Bühne die Plätze ein, ein lächerlicher Goldhase (Rigoletto) verschaffte sich unter Einsatz von Muskelstärke Platz in der ersten Reihe, vertrieb ein Ehepaar aus dem Saal. Zuvor hatte dieser Goldhase bereits eine Dame aus dem Foyer (wo ein wunderbar spielendes Streichquintett Melodien aus TRAVIATA, RIGOLETTO und AIDA aufführte) ent- und seinem Herrn, dem Duca, zugeführt. Mehr als lächerliches Herumhoppeln war diesem Rigoletto in der ersten Szene nicht vergönnt, zumal die Spielfläche durch die Sitzreihen und den Rang auf der Bühne arg eingeschränkt war und es beim unbeholfenen Herumturnen zwischen den Zuschauern (Chor) und einigen Umrundungen des hochgefahrenen Orchestergrabens blieb. Monterones (mit zu wenig Schwärze und damit nicht sehr bedrohlich wirkend: Bastiaan Everink) Auftritt, Protest und Fluch gegen das unverschämte Treiben am Hof und seine Exponenten erfolgte aus dem echten Parkett heraus. Die Kostüme (Kathrin Plath) schwankten zwischen gewöhnlichen bis hässlichen Alltagskleidern (Chor) mit vielen auffallend ähnlichen Goldlamé Röcken für die Damen, Röcke, welche sich dann die Herren für den lächerlichen Auftritt als spöttische Höflinge im zweiten Akt anzogen - ein überaus peinliches Bild. Das Thema „Gold“ zog sich durch die gesamte Inszenierung: Aus Tischbomben flogen Goldfäden und müllten die Bühne zusätzlich zu, Rigoletto trug unter seinem Goldhasen-Kostüm Unterwäsche mit Goldapplikationen, der Herzog (er trat im ersten Bild ebenfalls mit vielen Goldverzierungen auf Hemd und Schuhen auf) schüttelte im zweiten Bild wie Frau Holle ein Kleid für Gilda aus, aus dem natürlich Goldstaub rieselte. Der Herzog musste von nun an vor allem knallige rosa Anzüge tragen. Für die zweite Szene des ersten Aktes wurde eine Art Bühnenhaus im hinteren Parkett hochgefahren, in dem sich die der Welt abhanden gekommene Gilda in romantisierende Gewänder hüllte, eine Mischung aus Sonnambula und Melusine, eingerahmt von weissen Vorhängen aus dem Theaterfundus. Doch das Ganze war zu entfernt von den Zuschauern, um zu berühren und wiederum verhinderten Gerüststangen (Käfig, Gefängnis symbolisierend?) ein intensives Spiel. Für den dritten Akt pulverisierte sich dann das Bühnenbild effektvoll: Der Zuschauersaal löste sich in einzelne Elemente auf und die Schlussszene fand auf der nun gänzlich leeren Bühne statt – und rührte doch nicht zu Tränen (wie vom Regisseur versprochen). Immerhin wurde nun so etwas wie Kostümdramaturgie sichtbar: Rigoletto hat sich gänzlich seiner Verkleidungen entledigt und ist nur noch Vater im schwarzen Anzug, der Gewitterchor (eindrucksvoll der Männerchor der Deutschen Oper Berlin, Leitung William Spaulding) dunkle Gestalten in Hoodies, alles kleine Sparafuciles. Der wirkliche Sparafucile allerdings war gar nicht klein: Albert Pesendorfer begeisterte mit dunklem Bass, sonor und berechnend bedrohlich klingend. Seiner Schwester Maddalena verlieh Clémentine Margaine ihre herrlich erotisch lasziv gurrende Stimme (sie sang auch die korrupte, sich bewusst von Gilda distanzierende Giovanna). Solide besetzt die übrigen Nebenrollen, die allerdings durch die Regie wenig individuelles Profil erhielten: Marullo (Simon Pauly), Borsa (Paul Kaufmann), Graf und Gräfin Ceprano (Andrew Harris und Kim-Lillian Strebel).

Bleiben die drei Hauptpartien (Rigoletto, Gilda, Duca), die den Abend wenigstens gesanglich hätten retten können. Doch hier schlug das Theaterpech gnadenlos zu (hat wohl jemand während den Proben Macbeth gepfiffen?): Der Tenor stieg zwei Tage vor der Premiere aus (über die Gründe wurde offiziell nichts bekannt gegeben), Lucy Crowe sang angeblich in der Generalprobe eine grossartige Gilda, verlor jedoch am Premierentag wegen einer Allergie plötzlich die Stimme und musste im letzten Moment ersetzt werden, erklärte sich aber dankenswerter Weise bereit, die Gilda darzustellen. Aus Wien wurde Olesya Golovneva eingeflogen und sang sich vom Bühnenrand her mit wundervoll zarter Tongebung in die Herzen des Publikums. In der Kadenz ihrer grossen Arie Caro nome wählte sie (wohl aus Sicherheitsgründen) die Variante ohne die Spitzentöne. Berührend ihre Szene im zweiten Akt, mit dem subtil gestalteten Geständnis Tutte le feste und ihr entseeltes Singen im Schlussakt, in welchem sie zuerst noch das Quartett mit ihrer Silberstimme bereichert hatte. In der Titelrolle kämpfte Andrzej Dobber ziemlich erfolgreich gegen das Regiekonzept und konnte die Leiden des Vaters und seine gespaltene Persönlichkeit mit kerniger Baritonstimme (auch wenn sie ihm nicht in jeder Phase zu gehorchen schien) über die Rampe bringen. Höhepunkte waren seine Begegnung mit Sparafucile im zweiten Bild, mit dem von Verdi so grossartig angelegten Aufeinandertreffen der dunklen Stimmen und der entsprechenden Widerspiegelung in den Orchesterfarben und sein Zusammenbruch vor den Höflingen, welchen seine Tochter mit ansehen musste. Einer der wenigen wirklich gelungenen und bewegenden Einfälle von Jan Bosse. Dass Verdi in dieser Phase seines Schaffens nicht ein blosser m-ta-ta Komponist war, zeigte das Orchester der Deutschen Oper Berlin mit empfindsam interpretierten Kantilenen der Holzbläser und feinen Schattierungen in den Streicherfiguren. Pablo Heras-Casado am Pult bevorzugte eine beinahe impressionistische Lesart der Partitur, welche nicht allen Zuhörern zu gefallen schien. Immerhin kam diese Zurückhaltung in der Dynamik dem Tenor Eric Fennell zugute, für welchen die Partie des Herzogs an diesem grossen Haus eindeutig eine Nummer zu gross war. Der zwar ebenmässig timbrierten Stimme mangelte es an Substanz und Geschmeidigkeit, für die triumphale Cabaletta Possente amor im zweiten Akt fehlte ihm schlicht die Kraft. Immerhin versuchte er nicht, seine Stimme durch übermässigen Druck grösser zu machen. Im Konzept des Regisseurs ist der Herzog eine unsympathische, ja geradezu eklig primitive Gestalt. Eric Fennell hat diese Verkörperung in der überaus kurzen Zeit, welche ihm zur Einstudierung verblieb, stimmig zustande gebracht.

Fazit: Der Regie-Kniff des „Theaters auf dem Theater“ ist an und für sich schon reichlich abgegriffen – für RIGOLETTO taugt er schon gar nicht. Die Reaktionen des Publikums waren entsprechend.  

Inhalt:

Rigoletto ist der scharfzüngige Hofnarr des Herzogs von Mantua, einem „Womanizer“ par excellence. Eines der Opfer des Herzogs war die Tochter des Grafen von Monterone, welcher auf dem Ball des Herzogs auftaucht und den Spötter Rigoletto verflucht. Dieser Fluch lässt den Narren nicht mehr los. Auch er ist (was niemand weiss) Vater einer Tochter, welche er wie in einem Gefängnis hält, damit ihr auch ja nichts zustossen kann. Rigoletto trifft auf den Mörder Sparafucile, der ihm seine Dienste anbietet. Rigoletto hat aber dafür – noch – kein Bedürfnis. Zu Hause angekommen, drängt ihn seine Tochter Gilda, ihr mehr über ihre Herkunft zu berichten. Rigoletto erzählt ihr von der verstorbenen Mutter und bricht dann nochmals auf. Die bestechliche Magd Giovanna lässt unterdessen einen Verehrer Gildas ins Haus, es ist der Herzog, der vorgibt, ein mittelloser Student zu sein. Die Höflinge glauben, Rigoletto habe heimlich eine Geliebte und beschliessen diese zu entführen (mit Hilfe des Vaters, dem sie vorgaukeln, die Gräfin von Ceprano werde für den Herzog „geholt“). Als er Gildas Hilfeschreie hört, wird ihm schlagartig bewusst, was passiert ist. Der Fluch Monterones scheint sich zu erfüllen.

Der Herzog ist verärgert, dass die Höflinge Gilda entführt haben. Als er jedoch erfährt, dass sie bereits in seinem Schlafzimmer ist, eilt er freudig erregt zu ihr. Rigoletto erscheint und versucht in einer berührenden Szene die Höflinge auszuhorchen, um den Aufenthalt seiner Tochter ausfindig zu machen. Dabei schockiert er mit Enthüllung, das sie seine Tochter sei. Rigoletto muss erfahren, dass sich Gilda in den Herzog verliebt hat. Monterone wiederholt auf dem Weg ins Gefängnis seinen Fluch. Rigoletto schwört die Entehrung seiner Tochter zu rächen.

Er sucht Sparafucile auf, welcher mit seiner Schwester Magdalena einen Bordell ähnlichen Betrieb am Flussufer betreibt, in dem auch der Herzog gerne verkehrt. Gemeinsam verabreden sie, die Ermordung des Herzogs. Doch Magdalena setzt sich für ihren leidenschaftlichen Freier ein und überredet ihren Bruder, jemand anders an anstelle des Herzogs umzubringen. Gilda hat die Konversation belauscht und klopft in Männerkleidern während eines Sturms an die Türe. Sie wird von Sparafucile erstochen und in einen Sack gesteckt. Als Rigoletto kommt, um den Leichnam in Empfang zu nehmen, hört er den Herzog ein Liebesliedchen trällern. Er öffnet den Sack – die Welt bricht für den liebenden Vater zusammen. Monterones Fluch hat sich nun tatsächlich erfüllt.

Werk:

Schon Victor Hugos Vorlage war in Paris verboten worden – Majestätsbeleidigung! Der Librettist Verdis, Piave, entschärfte die Vorlage, doch die Zensur schritt auch in Italien ein, so dass erneut Anpassungen gemacht werden mussten, um ja keine Satire auf real existierende Herrscher und Kritik am Gebahren des Adels aus dem Text herauslesen zu können.

Stilistisch hat Verdi gegenüber seinen früheren Werken nochmals an differenzierender Charakterisierungskunst zugelegt. Die sich in himmlische, reine Höhen aufschwingende Gilda, der volkstümlich-ordinär dahinträllernde Herzog und vor allem die empfindsamen - den liebenden Vater, den öffentlichen Spötter und den leicht abergläubischen Mann - treffend veranschaulichenden Kantilenen der Titelfigur verleihen der Oper eine Tiefe, eine direkt ansprechende, dramatische Wucht, welche RIGOLETTO zu einem ersten, ganz grossen Höhepunkt in Verdis Schaffen macht. Damit läutete der Grossmeister der italienischen Oper seine mittlere Schaffensphase ein, welcher unmittelbar darauf IL TROVATORE und LA TRAVIATA folgten.

Musikalische Höhepunkte:

Pari siamo, grosse Szene des Rigoletto, Akt I

Figlia, mio padre, Duett Gilda-Rigoletto, Akt I

Caro nome, Arie der Gilda, Akt I

Ella mi fu rapita..Parmi verder le lagrime, Rezitativ und Arie Herzog, Akt II

Cortiggiani, vil razza dannata, Szene Rigoletto-Höflinge, Akt II

Tutte le feste, Gilda-Rigoletto und Finale Akt II

La donna è mobile, Arie Herzog, Akt III

Bella figlia dell' amore, Quartett Herzog, Maddalena, Gilda, Rigoletto, Akt III

Karten

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