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Zürich: SCHWANENSEE, 21.12.2012

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Schwanensee

copyright: Bettina Stöss, mit freundlicher Genehmigung Opernhaus Zürich

Ballett in vier Akten | Musik: Peter Iljitsch Tschaikowski | Libretto: Wladimir P. Betischew und Wassili F. Gelzer | Uraufführung: 1. Fassung 4. März 1877 in Moskau, 2. Fassung: 27. Januar 1895 in St. Petersburg | Diese Choreographie von Heinz Spoerli: 29. Oktober 2005 in Zürich | weitere Aufführungen in Zürich: 21.12. | 26.12. | 28.12. 2012 | 8.1. | 16.1 | 10.2. | 24.2. | 7.3. | 10.3.2013

 

Kritik:

Es ist eine noble Geste des neuen Ballettdirektors Christian Spuck, eine Schöpfung seines Vorgängers Heinz Spoerli bereits als zweite Produktion auf den Spielplan zu setzen. Und dieser SCHWANENSEE wirkt in seiner kühl-ästhetischen Gestalt wunderbar entschlackt und dadurch trotz oder gerade wegen seines Blickes auf die Tradition des klassischen Tanzes sehr „modern“. Das stimmungsvoll abstrahierende, in seiner Anlehnung an Aquarelle aus Turners Spätphase gemahnende Bühnenbild von Erich Wonder trägt zu diesem Ansatz ebenso bei wie die farblich dezent, in strengen Linien gehaltenen Kostüme von Florence Gerkan, mit den steifen, tellerartigen Tutus der Schwäne, dem unterkühlten blau-grau-grün schimmernden, körperbetonten Outfit des Prinzen oder den wunderschön abgestuften Farbtönen in den Kostümen der Halbsolisten in den Akten I und III. Zum hoch ästhetischen Reiz der Aufführung trägt aber auch Martin Gebhardts ausgeklügeltes Lichtdesign entscheidend bei.

Gespannt war man natürlich vor allem auf die Neubesetzung der Rollen für die Danseurs Étoiles der zum Teil neu zusammengesetzten Compagnie: Viktorina Kapitonova gehört seit 2010 zum Ballett Zürich. Ihre Darstellung der Odette/Odile ist begeisternd: Von bestechender Reinheit getanzt ihr Auftritt im zweiten Akt, den Körper mit einer Spannung bis in die Fingerspitzen durchflutet, traumhaft schön der grosse Pas de deux mit Siegfried, welcher mit einem der schönsten Bilder des Abends schliesst, einer sensationell choreographierten Hebefigur inmitten der darniederliegenden Schwäne, gleichsam eine Apotheose der Liebe. Die Rolle der Odile ist wahrscheinlich für eine ausdrucksstarke Tänzerin, wie sie Frau Kapitonova zweifelsohne darstellt, noch dankbarer. Während sie als Odette ja ziemlich unnahbar zu wirken hat (schliesslich ist sie ja verzaubert und wird nur für kurze Zeit zu einem menschlichen Wesen), ist die Odile eine reale Frau. Viktorina Kapitonova stellt die durchtriebene Prinzessin wunderbar berechnend und stolz dar, ist sich ihrer Zauberwirkung auf den Prinzen Siegfried voll bewusst – und die unzähligen, mit bestechender Präzision vorgetragenen Fouettés animieren nicht nur den Prinzen, es ihr mit seinen genau auf den Punkt getanzten Drehungen genauso brillant gleichzutun, sondern auch das Publikum zu einem spontanen Begeisterungsausbruch. William Moore (eben mit dem deutschen Theaterpreis FAUST ausgezeichnet) bringt alles mit, was zu einem Danseur Noble gehört: Grossgewachsen, kraftvoll, energiegeladen. Er vermag aber auch die Verträumtheit des Prinzen, seine Anflüge von Schwermut wunderbar darzustellen. Raumgreifende Grand Jetés von eindrucksvoller Eleganz und sichere Drehungen mit fantastisch weichen Landungen prägen seinen Tanz, daneben ist er seiner Partnerin eine sichere Stütze in den begeisternden Pas de deux. Yen Han durfte (wie schon in der Premiere 2005) einen kurzen, aber frenetisch applaudierten Auftritt im dritten Akt als Tänzerin im russischen Tanz des dritten Aktes feiern. Was sie an Leichtigkeit, Ausdruck und Subtilität hier hinein legt, ist geradezu phänomenal (dabei wird sie sicher unterstützt von ihren Partnern Felipe Portugal, Jan Casier, Egor Menshikov, Tigran Mkrtchyan und Daniel Mulligan). Wunderschön agieren auch die vier vom Prinzen abgewiesenen Prinzessinnen (Pornpim Karchai, Mélissa Ligurgo, Roberta Martins Portugal und Galina Mihaylova) und die in senfgelben Kostümen mit viel Witz auftretenden fünf Halbsolisten (Sarah-Jane Brodbeck, Juliette Brunner, Katja Wünsche, Nathan Chaney, Ty Gurfein) im dritten Akt. Herausragend besetzt ist der Pas de trois im ersten Akt (mit Olaf Kollmannsperger, Galina Mihaylova und der fantastischen Katja Wünsche). Einen Traum von Spitzentanz bescheren die Schwäne (angeführt von Sarah-Jane Brodbeck und Juliette Brunner) in den weissen Akten: Wie Seerosen öffnen und schliessen sich die Gruppierungen, rufen die kleinen Schwäne begeisterten Applaus hervor, nimmt das Schwanengewusel im vierten Akt die Bühne ein, um bald der still leidenden Odette Platz zu machen. Hier nun verflüchtigt sich die Kühle der Inszenierung (trotz des Eismeeres im Hintergrund) und macht einem leidenschaftlichen Ausbruch der Gefühle Platz. (Da hat dann auch Manuel Renards autoritätsgebietender, falscher Freund Rotbart keine Chance mehr.) Dieser Gefühlsausbruch wird auch vom Musikkollegium Winterthur (welches sich nach etwas holprigem Beginn im Vorspiel als guter Klangkörper präsentiert, und vor allem mit Ralph Orendain einen hervorragenden Sologeiger hat, der mit süssem, aber nie klebrigem Ton aufwarten kann) unter der Leitung von Pavel Baleff äusserst plastisch untermalt. Wenn dann Odette und Siegfried gemeinsam im Schneegestöber vom Felsen verschluckt werden, ist das ist nicht kitschig, sondern schlicht und einfach rührend schön.

Fazit:

Diese Wiederaufnahme von Heinz Spoerlis leicht unterkühltem SCHWANENSEE kann man nur wärmstens empfehlen ;-).

Inhalt:

Der junge Prinz Siegfried soll heiraten. Er aber schätzt seine Freiheit und mag aber keine Braut wählen, die er nicht liebt. Doch anlässlich seines Geburtstagsfests drängt ihn seine Mutter zu einer baldigen Entscheidung. Als sich die feiernde Gesellschaft verabschiedet hat, bleibt Siegfried alleine zurück und sieht sehnsüchtig einem Schwarm wilder Schwäne nach.

Er folgt den Schwänen zum See. Sein Mentor Rotbart taucht ebenfalls am See auf. Ein Schwan nähert sich und verwandelt sich umgehend in eine schöne Frau, es ist Prinzessin Odette, die einst zusammen mit ihren Freundinnen von Rotbart in Schwäne verzaubert worden ist. Nachts jedoch nehmen sie wieder menschliche Gestalt an. Der Zauberbann kann nur durch ein ewiges, unverbrüchliches Liebesversprechen gebrochen werden. Siegfried beteuert Odette diese Liebe, trotz ihrer Warnungen.

Am nächsten Tag muss Siegfried seine Wahl treffen: Doch keine der anwesenden Prinzessinnen, vermag es, sein Herz zu entflammen. Rotbart ist mit seiner Tochter Odile beim Fest anwesend. Er hat Odile mit seinen Zauberkünsten in ein Ebenbild Odettes verwandelt. Der Prinz ist fasziniert von Odile und tanzt mit ihr. Verblendet hält er um ihre Hand an. Schlagartig wird ihm bewusst, dass er damit sein Versprechen gegenüber Odette gebrochen hat. Er macht sich auf zum See.

Odette ist bei ihren Schwanengefährtinnen. Sie ist entschlossen zu sterben. Rotbart entfacht vergeblich einen Sturm, um Siegfried vom See zurückzuhalten. Siegfried findet Odette und erlangt ihre Verzeihung, doch am gebrochenen Treuegelübde ändert dies nichts mehr. Gemeinsam wollen sie nun sterben.

Werk:

Trotz der schnell wieder abgesetzten Moskauer Uraufführung erreichte Tschaikowskis SCHWANENSEE Kultstatus, ja das Werk wir gemeinhin als DAS Handlungsballett schlechthin bezeichnet und erlangte nach der Uraufführung der zweiten Fassung in der Choreographie von Marius Petipa schnell eine Verbreitung über alle relevanten Tanzbühnen. An der Musik kann es also nicht gelegen haben, dass das Werk nicht schneller seinen Siegeszug antrat. Tschaikowski war zwar noch relativ jung (35 Jahre alt), als er mit der Komposition begann, doch hatte er bereits drei Sinfonien, ebenso viele Opern und zahlreiche Kammermusik komponiert. Vielmehr lag der Flop darin begründet, dass die Compagnie in Moskau den enormen technischen Ansprüchen nicht genügte. Die Komposition wurde zudem immer wieder durch Einschübe werkfremder Musik entstellt. Auch heute noch kann man den SCHWANENSEE nicht ohne Kürzungen auf die Bühne bringen, da das gesamte, von Tschaikowski stammende, Material das Ballett auf TRISTAN-Länge ausdehnen würde. Nach Tschaikowskis Tod 1893 erinnerte man sich wieder des Werks, führte zunächst den Schwanenakt isoliert auf und hievte schliesslich mit Hilfe des Dirigenten Riccardo Drigo (welcher die Partitur bereinigte) und der beiden Choreographen Lev Ivanov und Marius Petipa eine Fassung auf die Bühne, an welcher sich auch heute noch viele berühmte Choreographen orientieren.

Die beiden Hauptrollen stellen an die Tänzerin und den Tänzer enorme technische und darstellerische Anforderungen; es ist seit der Petersburger Produktion üblich, dass die Primaballerina beide Rollen (Odette, der weisse Schwan verkörpert das Lichte, Unschuldige/Odile, der schwarze Schwan, das Dunkle, Böse) tanzt.

Die berühmtesten Choreographen des 20 und 21. Jahrhunderts nahmen sich des Werks an. Balanchine, Orlikowski, Cranko, Spoerli und Neumeier setzten mit ihren Interpretationen Masstäbe. Sehr erfolgreich und äusserst sehenswert war Matthew Bourne's SWAN LAKE. Er liess sämtliche Rollen (bis auf die Mutter) von Männern tanzen.

Auch im Film wurden Motive und Szenen aus SCHWANENSEE immer wieder verwendet, so z.B. in BILLY ELLIOTT von Stephen Daldry oder in BLACK SWAN von Darren Aronofsky, mit Natalie Portman.

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