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Zürich: IL TROVATORE, 17.09.2022

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Il Trovatore

Applausbilder, 17.09.2022: K. Sannemann

Dramma lirico in quattro parti | Musik: Giuseppe Verdi | Libretto: Salvatore Cammarano und Leone Emanuele Bardare, nach dem Drama «El Trovador» (1836) von Antonio García Gutiérrez | Uraufführung: 19. Januar 1853, Teatro Apollo, Rom | Aufführungen in Zürich: 17.9. | 24.9. | 27.9. | 6.10. | 11.10. | 16.10.2022

Kritik:

Vor elf Monaten feierte diese umjubelte Produktion von Verdis Hit-Oper IL TROVATORE Premiere. Gestern Abend stand nun die Wiederaufnahme an - und der begeisterte Applaus des Publikums war demjenigen vom Oktober 2021 zumindest ebenbürtig. Zu Recht! Gleich vier der fünf Hauptpartien waren neu besetzt worden, zudem stand mit dem in Zürich bestens bekannten und seit Jahrzehnten dem Haus verbundenen Dirigenten Paolo Carignani auch ein anderer Maestro am Pult der präzise und schmissig aufspielenden Philharmonia Zürich und sorgte vom Graben aus für eine durchs Band fesselnde, hoch spannende und glutvolle Auslegung der Partitur.

Gespannt war man auf die Rückkehr des langjährigen Ensemblemitglieds Elena Moşuc auf die Bühne des Opernhauses Zürich. Eine Rückkehr, auf die man lange hatte warten müssen. Elena Moşuc hat sich in den vergangenen Jahren ein neues Repertoire erarbeitet und konnte nun in Zürich ihre Leonora präsentieren, eine sehr anspruchsvolle Spinto-Partie. Elena Moşucs Stimme hat sich herausragend entwickelt, hat an Dramatik und Breite zugelegt und dabei ihre lyrischen Qualitäten nicht verloren. So entstand ein empfindsames Porträt dieser Frau, die am Ende für ihren Manrico gar ihr Leben opfert. Mit perfekter Phrasierung gestaltete sie ihre Auftrittscavatina Tacea la notte placida, mit fein ziselierter Kadenz und versiert vorgetragener Cabaletta, krönte das anschliessende Terzett (mit Luna und Manrico) mit einem sauberen, wuchtigen Spitzenton. Nach der wunderschön gestalteten Klosterszene und ihrem kurzen Auftritt auf der Festung Castellor gehörte ihr dann vollständig die Szene im vierten Teil, zuerst beim Turm und später im Kerker. Nur schon das Rezitativ Vanne ... lasciami war mit wunderbarer Differenzierungskunst gestaltet, genauso wie die darauffolgende Arie D'amor sulll'ali rosee, mit fein gesponnenen Trillern, der von Verdi geforderten dolcezza in der Stimme und der wunderbar evozierten Erregung der besorgten Liebenden. Hier bereicherte Carignani mit dem Orchester die Szene so wirkungsvoll, dass man den aufgewühlten Herzschlag der Leonora beinahe körperlich spürte. Den krönenden Abschluss bildete natürlich die mitreissende Cabaletta Tu vedrai che amore in terra mai del mio non fu più forte. Ganz stark auch die anschliessende Auseinandersetzung mit dem Conte di Luna und das tragische Finale mit Manrico, in welchem ihr eingenommenes Gift schneller wirkt, als gedacht und Manrico wegen seines eifersüchtigen Macho-Gehabes das Opfer Leonoras nicht begreifen will und so seine Flucht verpasst. Bariton und Tenor in dieser fatalen Dreieckskonstellation waren ebenfalls neu besetzt - und auch mit ihnen war höchstes Belcanto-Glück garantiert: Artur Ruciński gestaltete - ebenfalls mit grossartiger Phrasierung - einen fantastischen Conte di Luna. Seine wunderbar vorgetragene Arie Il balen del suo sorriso geriet zu einem der wenigen Ruhepunkte in der dramatisch aufgepeitschten Handlung. Seine kernig timbrierte Stimme weist einen ganz leichten Schimmer von Metall auf, was dem Grafen Virilität verleiht. Mit grandios strotzender stimmlicher Strahlkraft gestaltete Stefano La Colla den Manrico. Bestechend sicher und sauber sprang sein höhensicherer Tenor an; er stieg mit resoluter Attacke in das gefürchtete Di quella pira ein; das von Verdi nicht geforderte - aber vom Publikum immer erwartete - hohe C kam, wenn auch nicht restlos sauber intoniert. Dafür war die vorausgegangene Arie Ah, si ben mio mit begeisternder Klangfülle ausgestattet - ganz stark! In den Duetten mit seiner Mutter Azucena war er überaus empathisch, fürsorglich - und manchmal zu Recht verängstigt. Denn diese Azucena von Yulia Matochkina stellte ein Ereignis der Extraklasse dar, eine stimmliche Urgewalt, riss mit ihren grossen Arien, Erzählungen und Szenen wie Stride la vampa, Giorni poveri videa oder Ai nostri monti ritorneremo restlos mit und löste Beifallsstürme aus. Aber nicht nur in ihren Fortissimo-Ausbrüchen war sie umwerfend, nein sie verfügte auch über eine betörende Piano-Kultur, welche gerade im Schlussbild sehr berührte.

Der fünfte Protagonist, der Hauptmann Ferrando, wurde wie in der Premiere vor einem Jahr von Robert Pomakov interpretiert, dessen Leistung man nicht genug rühmen kann. Neben seinem agilen, schwarzen Bass verfügt er auch über eine ganz besonders starke Bühnenpräsenz und verlieh so der Aufführung den grausigen Schauerromantik-Touch, unterstützt von dem artistisch-agilen Tanzensemble, welches in diese sehenswerte, zwischen Horror-Comic und B-Movie changierende Inszenierung von Adele Thomas eingebaut wurde. Wie in der Premiere sang Bożena Bujnicka eine ausgezeichnete Ines und Omer Kobiljak war eine Luxusbesetzung für den Ruiz. Grossartig und klangprächtig, mit fabelhafter rhythmischer Sicherheit sang der Chor der Oper Zürich!

Fazit: Auch wenn man die Premierenserie schon gesehen hat, sollte man sich die Wiederaufnahme nicht entgehen lassen. Am 27. September zum Beispiel gibt's einen Opernhaustag, mit Tickets zum halben Preis!

Inhalt:

Entgegen ihrem Ruf ist die Handlung von Verdis IL TROVATORE gar nicht so kompliziert, jedenfalls nicht für Leute, die an Fernsehserien und Familiensagas mit unglaublichen und überraschendne Wendungen gewöhnt sind ...

Vorgeschichte

Eine Zigeunerin berührt das Kind einer Adligen. Die Eltern befürchten, das Kind sei nun verhext und verbrennen die vermeintliche Hexe auf dem Scheiterhaufen, wie es damals üblich war. Die Tochter der Zigeunerin (Azucena) will natürlich den Tod der Mutter rächen. Sie entführt das „berührte“ Baby und will es ebenfalls ins Feuer werfen. Doch in ihrer Verwirrung greift sie sich den eigenen Sohn. So zieht sie den Sohn des Grafen als eigenes Kind auf: Manrico – er wird Troubadour. Verhängnisvollerweise liebt er die selbe Frau (sie heisst Leonora) wie sein Bruder, der Graf Luna (von dem er natürlich nicht weiss, dass es sein Bruder ist).

Handlung der Oper

Der Hauptmann (Ferrando) der gräflichen Garde erzählt den Soldaten die Vorgeschichte.

Leonora erwartet ihren heimlichen Verehrer, den Troubadour Manrico, der auch bei den Aufständischen mitkämpft, denn die Oper spielt in den Wirren um eine spanische Thronfolge. Luna und Manrico treffen aufeinander – Duell. Manrico siegt, lässt aber Luna leben. Das war ein Fehler, denn Lunas Schergen verletzen Manrico.

Azucena kümmert sich um die Wunden Manricos. Ihr Geist verwirrt sich manchmal, und so gibt sie einen Teil der Vorgeschichte preis. Manrico wird skeptisch: Wer ist er? Doch bevor er weiter in die Mama dringen kann, erreicht ihn die Nachricht, dass Leonora ins Kloster gehen will. Das muss natürlich verhindert werden. Auch Luna kann sich logischerweise nicht mit einer Nonne Leonora abfinden und an den Klostermauern treffen die Brüder erneut aufeinander. Manrico gelingt es, Leonora zu entführen. Azucena wird von den Soldaten Lunas gefangen genommen. Dieser triumphiert: Nun hat er ein Pfand gegen Manrico in seiner Gewalt. Leonora und Manrico bereiten unterdessen die Hochzeit vor. Doch wiederum erscheint ein Bote und berichtet von Azucenas Gefangennahme. Manrico muss seiner Mutter natürlich umgehend zu Hilfe eilen, singt vorher aber noch die gefürchtete Stretta Di quella pira, mit den hohen Cs, die zwar nicht notiert sind, aber gemeinhin vom Publikum erwartet werden. Doch Manricos Rettungsversuche schlagen fehl, zusammen mit der Mama sitzt er im Kerker. Schon brennt der Scheiterhaufen. Leonora unternimmt bei Luna einen Rettungsversuch: Sie verspricht, Luna zu heiraten, wenn er Manrico laufen lässt. Luna geht darauf ein, doch Leonora trinkt heimlich Gift, um nicht mit Luna das Bett teilen zu müssen. Leonora berichtet Manrico im Kerker, dass er bald frei sein werde. Erst beschimpft er sie, doch als er merkt, welches Opfer sie für ihn gebracht hat, ist er erschüttert. Leonora stirbt in Manricos Armen. Luna merkt, dass er betrogen wurde und lässt Manrico köpfen. Azucena erwacht aus ihrem Dämmerzustand und schreit Luna triumphierend ins Gesicht: ER WAR DEIN BRUDER! O MUTTER, DU BIST GERÄCHT!

Werk:

IL TROVATORE ist das mittlere Werk aus Verdis so genanntem Dreigestirn (RIGOLETTO, IL TROVATORE, LA TRAVIATA) und trug entscheidend zur Popularität des Komponisten bei. Bis heute erfreut sich die Oper einer ungeheuren Beliebtheit. Dies liegt natürlich vor allem an Verdis effektvollen und mitreissenden Melodien, welche die blutig-dramatische Handlung bühnenwirksam untermalen. Obwohl Verdi hier auf althergebrachte Stereotypen der formalen Musiksprache zurückgreift (Kavatine – Unterbrechung durch Chor oder Boten – Kabaletta, Stretta), schafft er es, die Spannung nie abreissen zu lassen. Wie in den meisten seiner Opern ist dem Bühnentier Verdi ein perfektes Timing gelungen. Tableau artig ist die Architektur, stimmig die Zuordnung der Tonarten, spannend die geschaffenen Klangräume. Mit der Azucena hat Verdi erstmals in seinem Oeuvre eine zumindest gleichwertige Gegenspielerin zur Primadonna geschaffen, wie später mit Elisabetta-Eboli oder Aida-Amneris.

Musikalische Höhepunkte:

Jede einzelne Nummer, jeder Chor, jedes Ensemble ist ein Ohrwurm oder ein mitreissender Hit!

Verdi at his best!

Karten

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