Luzern: DIE ZAUBERFLÖTE, 06.11.2010
Oper in zwei Aufzügen |
Musik: Wolfgang Amadeus Mozart |
Libretto : Emanuel Schikaneder |
Uraufführung: 30. September 1791 in Wien |
Aufführungen in Luzern: 6.11. | 12.11. | 19.11. | 25.11. | 27.11. | 5.12. | 12.12. | 17.12. | 26.12. | 31.12.2010 | 5.1. | 16.1. | 23.1. | 29.1. | 3.2. | 12.2. | 12.3. | 25.3. | 3.4. | 25.4. 2011
Kritik:
„S'isch ja nur es chlises Träumli gsi. Träumli sind ja doch so schnell verby ...“ Ganz so schnell erwacht der schöne Jüngling Tamino in Luzern allerdings nicht aus seinem braven, biederen Traum, als den Regisseur und Hausherr Dominique Mentha Mozarts drei Stunden dauernde Oper inszeniert: Tamino schläft in seinem Bett vor dem schwarzen Vorhang, Henri Rousseaus Bild „Der Traum“ hängt an der Wand, die Sandmännchen (drei Knaben) ziehen den Dirigenten unterm Bett hervor und schicken ihn in den Orchestergraben, drei Damen werfen eine Riesenschlange auf Taminos Bett – die Wanderung durch das Land der Träume, das Erwachsenwerden Taminos kann beginnen. Tamino wird in das Bild Rousseaus gezogen, welches von Bühnenbildner Werner Hutterli nun über die gesamte Bühne ausgebreitet wird. Der Kinderpyjama (Kostüme: Birgit Künzler) wandelt sich im Verlauf des Abends zu einem adretten Anzug. Seine Reifeprüfungen besteht Tamino natürlich glänzend, da kann ihn auch der italienische Pornostar Cicciolina (Königin der Nacht) nicht vom rechten Weg abbringen. Die primitive, männerbündlerische Gemeinde der Eingeweihten Sarastros mit ihrem konservativen Frauenbild (die nonnenartigen fraulichen Wesen taugen gerade mal dazu, ein wenig Staub zu wischen) entpuppt sich als grölende Truppe mit Kuhglocke und Hörrohr, welche auch Spass am Schuhplattler hat. Der Sprecher ist niemand anderes als der Maler Rousseau himself (der Grossvater der Surrealisten ...), der immer mal wieder Ausbesserungsarbeiten an seinen Grüntönen vornehmen muss. Sicher, interessante Ansätze wären in Hülle und Fülle dagewesen für eine spannende Traumerfahrung, doch wirkten sie in der Umsetzung irgendwie unschlüssig, unausgegoren und nicht mutig und frech genug. Salz und Pfeffer fehlten diesem Gericht. Doch dem Publikum schien es gefallen zu haben, es spendete den Ausführenden viel Beifall; eine ZAUBERFLÖTE für die ganze Familie halt, etwas altbacken und spiessig, aber gefällig. Welch ein Gegensatz zu Kušejs spannender Inszenierung, welche zur Zeit wieder im Opernhaus Zürich auf dem Spielplan steht!
Alle Rollen konnte das Luzerner Theater mit Mitgliedern des jungen, spielfreudigen Ensembles besetzen. Die Aufgabe eines Stadttheaters besteht ja eben gerade darin, jungen KünstlerInnen erste Bühnen- und Rollenerfahrungen zu ermöglichen. Dass diese dann im Ergebnis nicht immer nur überwältigend ausfallen, liegt in der Natur der Sache. Boris Petronje zum Beispiel durfte in Luzern schon oft Zeugnisse seines Könnens liefern, den Sarastro hätte man ihm aber ersparen müssen, diese Partie liegt hörbar noch ausserhalb seiner Möglichkeiten. Utku Kuzuluk war ein herrlich naiver Jüngling Tamino. In der Bildnisarie klang sein biegsamer, strahlkräftiger Tenor noch etwas unausgeglichen, was auch mit den Phrasierungsproblemen der deutschen Sprache zusammenhängen könnte. Sumi Kittelberger begeisterte in ihrem Blumenkostüm (und LED bestückten Staubfäden, welche bei der zweiten Arie dann erschlafft waren und die Leuchtkraft eingebüsst hatten) mit sicheren, messerscharfen Koloraturen als Königin der Nacht, obwohl sie als indisponiert angekündigt war – wie überwältigend wird sie wohl klingen, wenn sie in Topform ist? Simone Stocks heller Sopran ist zu leichtgewichtig für die Pamina. Trotz gefühlvollen Piani gegen Ende der grossen g-Moll Arie vermochte sie die tiefe Verzweiflung Paminas nicht hörbar zu machen, dazu klingt ihre Stimme in der Höhe zu schrill. Viel besser geriet ihr das Duett mit Papageno, welcher von Marc-Olivier Oetterli mit Humor gespielt und wohlklingendem Bariton gesungen wurde. Seine Papagena, Regula Mühlemann, verfügte neben schauspielerischem Talent auch über eine adäquate Stimme. Wirklich herausragend aus dem Ensemble war jedoch - neben Sumi Kittelberger - Robert Maszl mit seiner flexiblen, herrlich timbrierten Tenorstimme als Monostatos. Die drei Damen waren von der Stimmfarbe her zu individuell gefärbt, was den Gesamtklang manchmal schmerzhaft störte (Madelaine Wibom, Caroline Vitale, Brigitte Kuster). Flurin Caduff war ein sonorer Sprecher/Priester, Kihun Koh wusste als koreanisch sprechender Priester und zusammen mit Marco Bappert als Geharnischter zu gefallen. Die drei Solisten der Knabenkantorei Luzern (Flavio Wanner, Jules Aeschlimann und Alban Müller) stürzten sich mit unbekümmerter Lockerheit in ihre schwierige Aufgabe. Dass da dann auch mal ein ungewollter Hickser erklang, darf man ihnen nachsehen. Gewöhnungsbedürftig hingegen der Klang des Luzerner Sinfonieorchesters unter der Leitung von Sascha Goetzel: Der Beginn der Ouvertüre verwackelt, die Balance oft unausgeglichen, der Streicherklang zu dünn (oder lag dies an den akustischen „Verbesserungen“, welche Intendant Mentha initiiert hatte?). Jedenfalls wird sich das Feintuning im Verlauf der Aufführungen bestimmt noch verbessern lassen.
Fazit:
Eine gefällige Aufführung für die ganze Familie, mit einem jungen Ensemble, welches für seine künstlerische Entwicklung noch Zeit hat – und braucht.
Inhalt:
Sarastro, weiser Priester der Götter Isis und Osiris, hat Pamina in seinen Tempel entführt, um sie vor dem Einfluss ihrer Mutter, der Königin der Nacht, zu schützen. Die Königin bringt den Prinzen Tamino dazu, sich auf den Weg zu machen und Pamina zu befreien. Papageno, ein eher den weltlichen Genüssen frönender Vogelfänger, begleitet ihn auf Geheiss der Königin. Die drei Damen der Königin geben den beiden eine Zauberflöte und ein Glockenspiel mit auf den Weg. Drei Knaben weisen ihnen den Weg zu Sarastros Burg.
Tamino und sein Begleiter finden Pamina. Tamino und Pamina verlieben sich ineinander. Doch bevor sie sich endgültig vereinen dürfen, müssen sie drei Prüfungen bestehen. Papageno wird auch belohnt und findet eine Frau, die ihm ganz ähnlich sieht.
Die Strahlen von Sarastros Sonne verbrennen die rachsüchtige Königin der Nacht. Die beiden Liebespaare dürfen sich vereinen.
Werk:
Mozarts ZAUBERFLÖTE hält sich seit über 200 Jahren in den Spitzenrankings der am häufigsten aufgeführten Opern weltweit. Die märchenhafte, wenn auch mit etlichen mehr oder weniger versteckten Hinweisen auf die Freimaurer versehene Handlung vermag „in die Zeiten hineinzuwirken und jeder Generation ein Gleichnis, einen Grundriss menschlicher Spannungen zu geben ... „ (Günther Rennert). Selbst Richard Wagner schrieb: „Die Quintessenz aller edelsten Blüten der Kunst scheint hier zu einer einzigen Blume vereint und verschmolzen zu sein. Welch ungezwungene und zugleich edle Popularität in jeder Melodie ... .“ Und Friedrich Hegel schwärmte von der „Tiefe und der Lieblichkeit der Musik, welche die Phantasie erfüllt und das Herz wärmt.“
Schikaneder hatte den richtigen Riecher für ein effektvolles Libretto gehabt (er selbst sang den Papageno). Zaubermärchen mit hohen und niederen Paaren, Bühnenzauber und Komik gepaart mit moralisierenden Elementen waren damals gross in Mode.
Mozart komponierte die Oper in den letzten Monaten seines kurzen Lebens, in welchen materielle Not und Krankheit seine ständigen Begleiter waren. Der Erfolg des Werks steigerte sich von Aufführung zu Aufführung. Den materiellen Erfolg der Oper erlebte Mozart leider nicht mehr, er starb gut zwei Monate nach der Uraufführung.
Eine Aufnahme der Rachearie der Königin der Nacht mit der Sopranistin Edda Moser befindet sich an Bord der Raumsonde Voyager 2, welche unser Sonnensystem verlassen wird ... Dies unterstreicht wohl aufs Deutlichste die Bedeutung von Mozarts letzter Oper.
Musikalische Höhepunkte:
Viele bekannte Ohrwürmer, so z.B. die beiden Koloratur-Arien der Königin der Nacht:
O zitt're nicht, Königin, Akt I
Der Hölle Rache, Königin, Akt II
Der Vogelfänger bin ich ja, Papageno Akt I
Dies Bildnis ist bezaubernd schön, Tamino, Akt I
In diesen heiligen Hallen, Sarastro, Akt II
Ach ich fühl`s, Pamina Akt II