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Berlin, Staatsoper: DIE WALKÜRE, 07.10.2012

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Die Walküre

Produktionsfotos (c) Monika Rittershaus

Erster Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen | Musik: Richard Wagner | Textdichtung vom Komponisten Uraufführung: 26. Juni 1870, Hoftheater München | Aufführungen in Berlin: 4.10. | 7.10. | 14.10.2012 | 24.3. | 5.4. | 14.4.2013

Kritik: 

Es gibt Abende, da wird am Ende jedes Aktes rundherum gejubelt und lautstark applaudiert – und selbst mag man in die beinahe kollektive Euphorie nicht so richtig einstimmen und sich schon gar nicht zur standing ovation erheben. Verwirrt stellt man sich Fragen wie: Bin ich heute einfach schlecht drauf, bin ich zu anspruchsvoll geworden, verstehe ich hier etwas nicht? Oder liegt es einfach daran, dass sich Wagners wunderbare Komposition in dieser zum Teil nervigen Installation des Teams vom Toneelhuis in Antwerpen unter der Leitung von Guy Cassiers zu wenig entfalten kann? Dass ich von einer Installation schreibe, hat seinen Grund darin, dass von einem „in Szene setzen“ keine Rede sein kann. Die Protagonisten stehen mehr oder weniger ratlos auf der Bühne (in einem durchaus passablen Bühnenbild von Enrico Bagnoli und Guy Cassiers) herum, fuchteln mal unbeholfen mit dem Schwert (Siegmund) oder klettern auf lebensgefährliche Art läppisch in Cul-de-Paris – Roben auf Bretterstapeln herum (Walküren). Dazu kommen krisselige Videoprojektionen (Arjen Klerkx, Kurt D´Haeseleer), welche sich zwar in einem Technoschuppen gut machen würden, hier aber auf die Dauer nur nerven, vor allem in den langen Szenen des zweiten Aufzugs Fricka-Wotan und Wotan-Brünnhilde, zu denen dem Regieteam rein gar nichts eingefallen ist, ausser eine Art riesiger Erdkugel mit flimmernden, nicht immer klar erkennbaren Projektionen zu füllen. Die Personenführung wirkt uninspiriert, die Sänger scheinen auf sich allein gestellt und nicht alle machen das Beste daraus. Verzichtet wird ebenfalls auf eine einleuchtende Dramaturgie der Kostüme: Tim van Steenbergen hat sie mit teuren Stoffen im späten 19.Jahrhundert angesiedelt, aus welchem Grund auch immer, denn die Regie verweigert eine Stellungnahme zur Aktualisierung des Stoffes, wie sie zum Beispiel Chereau in seinem Bayreuther Ring von 1976 so eindringlich gelungen war. Die peinlichste Überraschung folgt am Ende: Wotan ruft ja Loge an, beschwört die wabernde Lohe – und nach all dem Videozauber in den vorangegangenen Szenen (es gab auch wirklich schöne, stimmige Bilder zu sehen, etwa die tränenden Bäume bei der Todesverkündigung Brünnhildes, das Irrlichtern beim Kampf Siegmund-Hunding oder einige Szenen im ersten Aufzug) fahren bloss ein paar lächerliche Infrarotlampen vom Bühnenhimmel und tauchen den Felsen Brünnhildes in simples rotes Bordell-Licht. Na ja.

Der zu Beginn beschriebene Jubel bezog sich natürlich auf die musikalischen Leistungen des Abends galt nicht mehr der szenischen Umsetzung, die bei dieser zweiten Vorstellung der Wiederaufnahmeserie (leider) nicht mehr zur Diskussion stand. Doch auch auf der musikalischen Seite gab es nicht nur Licht – es müssen auch kleinere Schatten konstatiert werden. Eine Lichtgestalt war zweifelsohne Waltraud Meier als Sieglinde: Leidenschaftlich, erstaunlich jung und herrlich aufblühend erklingt ihre raumfüllende, sicher und differenziert geführte Stimme. O hehrstes Wunder! Daneben empfand man die herrlichste Maid (Brünnhilde) von Iréne Theorin schon beinahe als etwas ältlich: Sicher, die Töne sind alle da, die attackierenden„Hojotoho“-Rufe von imponierender, wenn auch etwas gar schriller, Durchschlagskraft und Höhensicherheit. Erfreulicherweise suchte sie nicht durch Dauerforte zu beeindrucken, sondern nahm die Stimme immer wieder zurück. Doch leider klang ihr Piano nicht sehr ausgeglichen, ein störendes Vibrato schlich sich schnell ein, der Klang wirkte oft brüchig und allzu fahl in der Tiefe. René Pape sang einen wunderbar warmstimmigen Göttervater, nie klang er larmoyant, obwohl er in den Auseinandersetzungen mit seiner Gemahlin Fricka sehr schnell zu einem resignativen Ton fand. Auch bei seinen Schelten für die aufmüpfige Brünnhilde war er nicht der zornige, sondern eher der liebend-besorgte Vater. Dass sich bei den gewaltigen Textfluten, welche Wagner dem Göttervater aufoktroyiert hatte, gegen Ende einige Ermüdungserscheinungen einschlichen, ist nachvollziehbar und Pape umschiffte die textlichen Klippen mit grosser Souveränität. Mit immenser Eindringlichkeit trug Ekatarina Gubanova Frickas Klagen vor (autoritär ihr „lass von dem Wälsung“) und stellte sich schützend vor den manchmal etwas eigenwillig, aber durchaus klangschön und fast zu sympathisch phrasierenden Hunding von Mikhail Petrenko. Peter Seiffert war Siegmund: In vielen Momenten sehr klangschön strahlend und beinahe liedhaft. Nur wenn er den Druck auf die Stimme vergrösserte, trübte sich auch die Intonation, so zum Beispiel ziemlich störend bei den „Wälse“- Rufen. Dass die acht Walküren trotz der erwähnt gefährlichen Kletterpartien (eine von ihnen stürzte tatsächlich, hielt aber tapfer durch!) noch so stimmgewaltig singen konnten, gleicht einem kleinen Wunder. Sie mussten ihn ihren unbequemen Roben nicht nur Hindernisse überwinden, sondern auch noch Ablenkungsversuchen durch projizierte, sich in gestylter Zeitlupe bewegende, halbnackte Männer in Jockstraps widerstehen.

Zu Recht grossen Jubel durften Daniel Barenboim und die Staatskapelle Berlin in Empfang nehmen. Sie verstanden es trefflich, das Brodelnde, Aufbrausende, die Leidenschaftlichkeit und die dumpfe Resignation zu einem wunderbar disponierten Klangrausch zu formen. So war es oftmals besser, die Augen zu schliessen und sich nur auf die Wogen und den Feuerzauber des Orchesters zu konzentrieren – doch geht man dafür in die Oper?

Das Werk:
Richard Wagner beschäftigte sich über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren mit dem Nibelungenstoff. Entstanden ist ein zeitloses, gigantisches Gesamtkunstwerk, mit beinahe 20 Stunden Spieldauer, welches sich über vier Abende erstreckt. Über hundert meisterhaft verarbeitete Leitmotive prägen die Partitur, welche an die Solisten und das Orchester höchste Anforderungen stellt.
Den RING DES NIBELUNGEN kann man immer wieder neu sehen und interpretieren. Er kann eine Apotheose auf das Menschentum sein, eine Kritik an der industrialisierten Gesellschaft, eine politisch-soziale Kritik, eine Entsagung im Sinne Schopenhauers; man kann darin eine Vorwegnahme von Freuds Deutung des Unbewussten erkennen oder andere tiefenpsychologische Exkurse.
Im RING geht es um Machtstreben, Machtmissbrauch, List, Betrug, Entführung, Vergewaltigung, Inzest, Verträge und deren Brüche – und um Liebe.
Wagner hat den Text im konsequent angewandten Stabreim selbst verfasst. Er benutzte als Quelle seiner Inspiration weniger das mittelalterliche Nibelungenlied, sondern griff auf ältere nordisch-germanische Sagen zurück.

Die Walküre ist wie das Rheingold wäh­rend Richard Wagners Aufenthalt in Zürich entstanden. Unüberhörbar flossen in die Partitur die leidenschaftlichen Gefühle Wagners für seine Mäzenin Mathilde von Wesendonck ein. Es ist dies der “menschlichste” Teil des grossen Epos und damit auch der populärste.

Inhalt:

Siegmund taucht auf der Flucht vor Verfolgern bei Sieglinde auf. Die beiden Geschwister, Kinder des Göttervaters Wotan, erkennen sich noch nicht. Hunding, Sieglindes ungeliebter Ehemann, tritt auf. Da er ein Feind der Sippe Siegmunds ist, fordert er ihn für den nächsten Tag zum Zweikampf, in dieser Nacht jedoch soll noch das Gastrecht gelten. Sieglinde und Siegmund erkennen sich, Siegmund zieht Wotans Schwert Nothung aus der Esche. Die beiden Geschister lassen ihren Trieben freien Lauf und zeugen den zukünftigen Helden Siegfried.
Wotans Gattin Fricka, die Hüterin der Ehe, kann und will den Ehebruch der Geschwister nicht dulden. Sie verlangt von Wotan, Siegmund sterben zu lassen. Brünnhilde, Wotans kampfeslustige Tochter, stellt sich auf die Seite Siegfrieds und widersetzt sich dem Befehl ihres Vaters. Siegmund stirbt durch Hunding, Hunding anschliessend durch Wotans Hand.
Brünnhilde vermag es noch, der schwangeren Sieglinde zur Flucht zu verhelfen und gibt ihr die Trümmer des Schwertes mit, dann wird sie vom Göttervater gestellt. Als Strafe verliert sie ihren Status als Walküre und wird „menschlich“. Sie erreicht jedoch noch Wotans Zusage, dass nur der unerschrockenste Held sie erwecken können solle. Wotan nimmt bewegt Abschied von seiner Lieblingstochter, dann befiehlt er Loge, den Walkürenfelsen mit Feuer zu umgeben.

Musikalische Höhepunkte:
Der Männer Sippe, Sieglinde, Aufzug I
Winterstürme wichen dem Wonnemond, Siegmund Aufzug I
Todesverkündung, Brünnhilde, Aufzug II
Walkürenritt, Aufzug III
Wotans Abschied und Feuerzauber, Aufzug III

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