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Zürich, Tonhalle: RAVEL; SCHUMANN; BARTÓK, 28.09.2013

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Bringuier | Helmchen; Ravel, Schumann, Bartok

Lionel Bringuier, copyright: Jonathan Grimbert-Barré

Maurice Ravel: Le Tombeau de Couperin, Uraufführung der Orchesterfassung: 28. Februar 1920 | Robert Schumann: Klavierkonzert in a-Moll, op 54, Uraufführung: 4. Dezember 1845 in Dresden (mit seiner Frau Clara Schumann als Solistin) | Bela Bartok: Konzert für Orchester, Uraufführung: 1. Dezember 1944 in Boston | Dieses Konzert ist am 29. September 2013 nochmals in Zürich zu hören. Dirigent: Lionel Bringuier, Klavier: Martin Helmchen

Kritik: Welch  grossartiges Konzert. Brillantes Orchester, das alle Facetten seines enormen Könnens zeigen kann, ein Solist, der Schumanns grandioses Konzert mit romantischem Atem beseelt und eine wirklich überaus stimmige Konzertdramaturgie.

 

Unter dem Titel Musikalische DIALOGE könnte man das Konzert des Tonhalle-Orchesters Zürich unter seinem designierten Chefdirigenten Lionel Bringuier zusammenfassen. Dialoge wie sie subtiler und in ihrer Präzision geschliffener kaum vorstellbar sind. Im zentralen Werk des Abends, dem Klavierkonzert von Robert Schumann, hatte der Komponist bewusst den Klavierpart so angelegt, dass dieser mit dem Orchester in ein erzählendes Miteinander eingebettet ist und die Virtuosität des Solisten sich erst im Finalsatz etwas Bahn brechen kann. Martin Helmchen spielt natürlich diese wuchtigeren Passagen und die den Kopfsatz eröffnenden, herabstürzenden Kaskaden mit fantastischer Brillanz. Doch die Qualitäten diese Pianisten offenbaren sich genauso in den lyrischen, romantischen Momenten des Konzerts: Da schleicht sich ein Seitenthema quasi auf leisen Sohlen herein, entwickelt sich im Dialog mit dem Orchester, welches sehr genau und sensibel auf die Rubati und Accelerandi des Solisten reagiert. Da erklingt das fast staunende Leuchten im 2. Satz, dem Intermezzo, bestätigt durch die warmstimmige, affirmative Erkenntnis der Celli, im zarten Zwiegespräch mit den Holzbläsern bereitet der Pianist den attaca-Übergang zum tänzerischen Jubel des Finalsatzes vor. Eine Ohrenweide. Wunderschön herausgearbeitet ist darin vom Dirigenten und dem Solisten das schwelgerisch-wogende Thema, bevor der erwähnte virtuose Abschluss hereinbricht. Als Zugabe wählte Martin Helmchen passenderweise ein Stück (Der Vogel als Prophet) aus den Waldszenen Robert Schumanns, diesen schlichten Charakterstücken, welche durch ihre schon beinahe impressionistische Lyrik bezaubern und wunderbar zum 2. Satzes seines Klavierkonzerts passen.

Umrahmt wurde das romantische Werk von zwei Kompositionen aus dem 20.Jahrhundert, eines entstanden während des ersten Weltkriegs (Ravels LE TOMBEAU DE COUPERIN), das zweite gegen Ende des zweiten Weltkriegs (Bartóks KONZERT FÜR ORCHESTER). Vordergründig scheint Ravels Werk eine Verneigung vor seinen Kollegen aus der Barockzeit zu sein, doch nicht bloss durch die Widmung der einzelnen Sätze an im Krieg gefallene Freunde ist es eben doch eine Auseinandersetzung mit dem Schrecken und eine Verarbeitung der Trauer. Wie oft bei diesem Komponisten erklingt das Ganze dann wie durch einen Schleier gehört, ein filigranes Klanggewebe (Prélude), dezente Erotik (Forlane), ein zartes, ganz und gar unhöfisches Menuet und der mit kräftigeren Akzenten und einem pastoralen Mittelteil aufwartendes Rigaudon. Das Tonhalle-Orchester spielt diese vom Komponisten selbst so wunderbar für Orchester transkribierten Stücke mit einfühlsamer, die vorherrschend friedliche und tröstende Stimmung unterstreichender Eleganz und Präzision im intimen Dialog zwischen den Instrumentengruppen, wobei die Leistung der Holzbläser ganz besonders hervorzuheben ist.

Dass Bartók während der Komposition seines KONZERTS FÜR ORCHESTER bereits schwer erkrankt und depressiv war, merkt man dem Werk nicht an. Das brillant orchestrierte, fünfsätzige Werk lässt in spannungsgeladener Abfolge sämtliche Instrumentenfamilien prominent und virtuos hervortreten, da sind flirrende Streicherklänge zu hören, wunderbar pentatonisch geführte Celli, mysteriöse, abrupte Wechsel in der Dynamik, scherzende, hüpfende Fagotte, warm und tröstlich intonierende Bratschen, feurige ungarische Rhythmen, welche die Melancholie unterbrechen, schweres Blech, kräftige Paukenschläge, schwindelerregend fugierte Passagen, welche sich durch den gesamten Apparat ziehen, sich ausbreiten und in finaler, fulminant-expressiver Steigerung zum Ende führen. Das Tonhalle-Orchester Zürich unter der präzisen und ungemein differenziert gestaltenden, die Dynamik voll auskostenden, aber nie übertreibenden Leitung von Lionel Bringuier begeistert mit einer exzellenten Wiedergabe dieses Konzerts.

Werke:

LE TOMBEAU DE COUPERIN wurde zwischen 1914 und 1919 von Maurice Ravel als Suite von sechs Stücken für Klavier solo geschrieben. 1919 wählte Ravel vier Stücke daraus aus und orchestrierte sie als Orchestersuite. Mit seiner Komposition ehrte Ravel die grossen Komponisten Frankreichs aus der Zeit des Barocks, wie Couperin oder Rameau. Der ruhig voranschreitende Charakter des Werks kontrastiert mit den tumultösen Kriegserfahrungen des Komponisten. Jeder Satz ist einem gefallenen Freund gewidmet, die Toccata z.B. Dem Musikwissenschaftler Joseph de Marliave, dessen Witwe, Marguerite Long, die Klavierfassung zur Uraufführung brachte.

Robert Schumann hatte zwar viele Kompositionen für Klavier geschrieben, allein ein Klavierkonzert fehlte noch in seinem reichhaltigen Oeuvre. Einsätzige Arbeiten wurden von seinen Verlegern zurückgewiesen, erst als er die Phantasie für Klavier und Orchester in a-Moll zu einem dreisätzigen Werk erweiterte, stellte sich der Erfolg ein. Dabei arbeitete Schumann (wie auch in seinen anderen Solokonzerten) nach dem Verschmelzungsprinzip, d.h. Die traditionelle Satzaufteilung wird in einen grösseren sinfonischen Zusammenhang gestellt. Besonders schön herausgearbeitet hat Schumann darin den reizvollen Kontrast von stürmischem Verlangen und versonnener Träumerei. Biografen sehen im Konzert den Niederschlag von Schumanns Werben um seine Frau Clara Wieck. Sie war es auch, welche sowohl die Phantasie (1841) als auch das fertig gearbeitet Klavierkonzert zur Uraufführung (1845) brachte.

Béla Bartók schrieb das KONZERT FÜR ORCHESTER 1943, kurz nach seiner Flucht aus Ungarn in die USA. Die Uraufführung des stupend orchestrierten Werks war ein gewaltiger Erfolg. Der spannende Wechsel zwischen geheimnisvoll klingende Passagen mit rhythmisch prägnanten Themen, effektvollen Taktwechseln, verfremdeten, auf die Spitze getriebenen Zitaten (Lehár, Schostakowitsch) und ein mitreissendes finales Perpetuum-mobile bewirken, dass das KONZERT FÜR ORCHESTER bei Publikum und Musikern gleichermassen populär ist.

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