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Zürich, Opernhaus: BERG | BRAHMS, 02.07.2023

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Berg | Schostakowitsch Berlin

Alban Berg (1885-1934)

Alban Berg: Violinkonzert (Dem Andenken eines Engels) | Uraufführung: 19. April 1936 in Barcelona | Johannes Brahms: 2. Sinfonie | Uraufführung: 30. Dezember 1877 in Wien | Dieses Konzert im Opernhaus Zürich nur am 2.7.2023

Kritik:

Geplant gewesen war, dass Lars Vogt an diesem Abend Schumanns Klavierkonzert hätte spielen sollen. Leider verstarb der deutsche Pianist letzten September im Alter von nur 51 Jahren. Seinem guten Freund und Musikerkollegen Christian Tetzlaff war es eine Ehre, an diesem Gedenkonzert für Vogt Alban Bergs Violinkonzert Dem Andenken eines Engels zu spielen. Geplant war auch, dass der GMD der Oper Zürich, Gianandrea Noseda, das Konzert hätte leiten sollen. Er erkrankte leider ganz kurzfristig. Intendant Andreas Homoki betonte in seiner kurzen Ansprache vor dem Konzert, dass es ein grosses Glück gewesen sei, Marc Albrecht im Haus zu haben (er leitet in Zürich zur Zeit die Premierenserie von TURANDOT); Marc Albrecht war verdankenswerterweise bereit, das vorgesehene Programm zu dirigieren. Ein Glück war auch, dass er Alban Bergs Violinkonzert zusammen mit Christian Tetzlaff in der Vergangenheit bereits aufgeführt hatte. So brauchte es nur eine kurze Abstimmungsprobe, bevor der Konzertabend beginnen konnte. Wie gut sich Tetzlaff, Albrecht und die Philharmonia Zürich verstanden, merkte man vom ersten Takt an, mit dieser vom Geiger so wunderbar zart intonierten aufsteigenden Zwölftonreihe, vom Orchester mit einfühlsamer Subtilität begleitet. Welch einnehmende, weich und sauber intonierte Gesanglichkeit der Solovioline wurde da offenbart. Es setzt mich immer wieder in Erstaunen, wie "schön" und berührend Alban Bergs Violinkonzert klingt, trotz aller dahintersteckenden akribischen Mathematik der Komposition. Im ersten Teil erlebte man sehr plastisch die Verspieltheit der jungen Manon Gropius, der viel zu früh verstorbenen Tochter Alma Mahlers, der Berg sehr nahe gestanden hatte. Hereinwehende tänzerische Kärntner Volksweisen wurden von Marc Albrecht mit wunderbar austarierter Dynamik evoziert; Christian Tetzlaff nahm sie auf und steigerte sie zu fulminanten Teufelsgeiger-Ländlern. Im zweiten Teil erklang dann der schmerzensreiche Todeskampf Manons; trotz aller klanglich brachialen Gewalt fand Christian Tezlaff immer wieder zu schlanker Tongebung, spielte die enorm schwierige (begleitete) Kadenz mit stupender Selbstverständlichkeit. Die Philharmonia Zürich spielte mit exemplarischer klanglicher Transparenz, Tetzlaff trat sogar ein paar Schritte zurück, verschmolz auch körperlich beinahe mit dem Orchester, ein zutiefst ergreifender Moment, der das erlöschende Leben eines Menschen darstellte. Die Musik verströmte in diesem Moment eine rührende, tröstliche Zärtlichkeit, verklang beinahe bis zur Unhörbarkeit, der Ländler schlich sich kurz wieder rein und dann endete das grossartige Werk mit überirdisch reinen Tönen der Solovioline in den höchsten Lagen, welche die geliebte Seele ins Jenseits geleiten. Christian Tetzlaff spielte die Bach-Zugabe als Ständchen für Lars. Emotion pur.

Somit war die Fallhöhe gross für das Werk, das nach der Pause erklang, zu gross für Brahms' zweite Sinfonie, seine wohl pastoralste, entstanden in einer der glücklichsten Zeiten in Brahms Leben: Als Komponist erfolgreich, umgeben von vielen guten Freunden, in einer auch politisch sehr ruhigen Zeit. Bei dieser Sinfonie hat man das Gefühl, man könne stets mitsingen, so eingängig sind die liedhaften Themen. Aber Marc Albrecht wollte keine bequeme Behaglichkeit aufkommen lassen, kein rein kulinarisches Zurücklehnen erlauben. Mit flirrender Vehemenz arbeitete er die wenigen schroffen, aufwühlenden Stellen heraus, liess sie wie Explosionen in den Ecksätzen knallen. Das Tempo schien mir sehr rasant - was ich eigentlich mag. Doch gestern Abend hatte man oftmals den Eindruck, dass das alles ein Zuviel an Geschwindigkeit und Extrovertiertheit war, es blieb kaum Zeit für die Musiker*innen, ihre wunderschönen Phrasen atmend auszugestalten, an manchen Stellen schlich sich schon beinahe eine gewisse Fahrigkeit ein, was bestimmt an der-  den Umständen geschuldeten -  fehlenden Probenzeit lag. Ausgezeichnet gelang die Passage der Oboe, welche den dritten Satz eröffnete. Das Finale dann von martialischer Wucht; es endete mit einem Weberschen Jubelschluss im Fortissimo, welcher den WOW-Effekt beim enthusiastisch applaudierenden Publikum nicht verfehlte.

Werke:

Alban Berg (1885-1935) vollendete sein Violinkonzert - bereits schwer krank - im August 1935, am 24. Dezember desselben Jahres verstarb er. Alban Bergs Violinkonzert trägt den Titel Dem Andenken eines Engels und stellt ein Requiem für Manon (Gropius) dar, welche im Alter von 18 Jahren an Kinderlähmung verstarb. Manon Gropius war die Tochter Alma Mahlers (Witwe des Komponisten Gustav Mahler) und des Architekten Walter Gropius. Alban Berg war mit der Familie Mahler/Gropius freundschaftlich verbunden. Bergs Violinkonzert bilden zwei Sätze, deren erster quasi die Kindheit Manons in Kärnten erzählt (ein Ländler, ein Walzer klingen verfremdet auf), und deren zweiter dann das Sterben des jungen Mädchens nachzeichnet, mit der transponierten Ganztonreihe aus Bachs Choral Es ist genug. Bergs akademische Verschachtelung der Tonarten in einer Zwölftonreihe und seine Vorliebe für beinahe mystisch anmutende Zahlenspielereien lassen auf den ersten Blick vielleicht die Befürchtung aufkommen, das Konzert sei "schwierig" für das Publikum, ist es aber nicht, im Gegenteil, sein Violinkonzert ist zum meistgespielten instrumentalen Werk des Komponisten avanciert.

Johannes Brahms (1833-1897) schrieb vier Sinfonien. Die zweite in D-Dur entstand 1877, im Gegensatz zur ersten in relativ kurzer Zeit. Die Uraufführung unter Hans Richter in Wien war sehr erfolgreich. Der berühmt-berüchtigte Kritiker Eduard Hanslick schrieb z.B.: „ ... selten hat die Freude des Publikums an einer neuen Tondichtung so aufrichtig und warm gesprochen.“ Der erste Satz (Allegro non troppo) ist von einfallsreicher, beinahe pastoraler Melodik bestimmt. Eine schwermütige Celloweise prägt das Adagio des zweiten Satzes, untermalt mit sehnsüchtigen Hornrufen. Nach einer gewittrigen Stimmung verklingt der Satz friedlich und ruhig. Das Alegretto grazioso des dritten Satzes ist wohl der eingängigste Abschnitt der Sinfonie, voller Fröhlichkeit und wildem Galoppieren. Der Finalsatz (Allegro con spirito) ist ein wirbelndes Brio, mit schwärmerischen, naturseligen und ungarisch angehauchten Einsprengseln.

Karten

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