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Zürich: LE COMTE ORY, 23.01.2011

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Le Comte Ory

copyright: Jef Rabillon, photographe@rabillon.com

Oper in zwei Akten |

Musik: Gioachino Rossini |

Libretto: Eugène Scribe und Charles-Gaspard Delestre-Poirson |

Uraufführung: 20. August 1828 in Paris | Aufführungen in Zürich: 23.1. | 27.1. | 29.1. | 1.2. | 3.2. | 5.2.2011

 

Kritik

Eine strahlende Sternstunde des subtilen Rossini-Gesangs!

Mit dieser Neuproduktion ist dem Zürcher Opernhaus in mehrfacher Hinsicht ein überwältigender Coup gelungen:

- Das Zürcher Publikum war weltweit das erste, welches in den Genuss der revidierten Neuedition kam und somit die Oper so hören durfte, wie sie sich Rossini wahrscheinlich gewünscht hatte.

- Gespielt wurde auf Originalinstrumenten vom hauseigenen Orchester LA SCINTILLA - ein wunderbarer Klangkörper unter der federnd gestaltenden Stabführung von Muhai Tang. Der etwas herbere Klang im Vergleich mit einem modernen Orchester hatte einen gewissen Reiz.

- Mit der Verpflichtung des Regieduos Moshe Leiser/Patrice Caurier war das Werk auch szenisch in den besten Händen: Differenzierte Personenführung und augenzwinkernder Humor beherrschten die Szene; wohltuend war der Verzicht auf billigen, zotigen Klamauk, zu welchem gerade dieses Stück einen Regisseur schnell verführen könnte.

- Ein Ensemble allererster Güte sorgte für eine durchgehend beeindruckende Qualität des Gesanges (und des Spiels): Cecilia Bartoli brachte das Kunststück fertig, jeden Ton, jede Note mit einer Geschichte zu füllen, welche sie mit bezaubernden Farben versehen auf die Reise in den Raum schickte. Die stupende Technik, die Geschmeidigkeit in den Koloraturen und Verzierungen führten zu einem schlicht atemberaubenden Feuerwerk. Mit einer Natürlichkeit sondergleichen strömten die funkelnden Töne aus ihrer Kehle, ohne Protzerei oder Selbstgefälligkeit, so reihte sich Preziose an Preziose. Als Comte Ory stand ihr Javier Camarena in nichts nach: Seine einschmeichelnde, äusserst bewegliche Stimme verfügt über eine bewundernswerte und wenn nötig auch strahlkräftige Höhensicherheit und eine prickelnde Erotik. Damit zog er sowohl die Zuschauer im Saal als auch die Damen auf der Bühne in seinen Bann - und zog ihnen gleich noch die Unterwäsche aus. Darstellerisch war er seiner Partnerin in jeder Beziehung ebenbürtig. Rebeca Olvera gab einen bezaubernden, burschenhaften Isolier, glänzte mit perlenden Koloraturen und glockenhellen Spitzentönen in den Ensembles und verlieh dem wunderbaren Terzett auf der Chaiselongue im zweiten Akt (mit Bartoli und Camarena) süssen Glanz. Carlos Chausson durfte die grosse Arie des Gouverneur ungekürzt singen und bewies einmal mehr, welch fantastischer Rossini-Interpret er ist. Auch Oliver Widmer hatte einen glänzenden Auftritt als Raimbaud: Seine in rasantem parlando-Stil vorgetragene und vom Orchester so farbig begleitete Arie mit der Aufzählung der erbeuteten Weine geriet zu einem wahren Kabinettstück. Und dann bleibt noch die umwerfend komische Ragonde von Liliana Nikiteanu. Lockenwickler, Kniestrümpfe, Häkelumhang und selbstverständlich die nie fehlende Handtasche waren die äusserlichen Attribute, welcher dieser wandlungsfähigen Sängerin zur Verfügung standen, um in die Rolle dieser biederen Hausfrau aus den 60er Jahren zu schlüpfen. Grossartig unterstützt wurde dieses tolle Ensemble auch vom Zusatzchor und Zuzügern der Oper Zürich sowie Mitgliedern des IOS (Choreinstudierung Jürg Hämmerli).

- Farbenprächtig und herrlich geschmacklos im Stil der Ära de Gaulle sind das Bühnenbild und die Kostüme von Christian Fenouillat und Agostino Cavalca, inklusive viel Tricolore, 2CV und Wohnwagen. Im Sturmbild wird der General, bzw. sein Porträt, um Hilfe angefleht, nachdem spektakuläre elektrische Kurzschlüsse den Salon der Gräfin verdunkelt haben.

Nach der überstürzten Flucht der falschen Nonnen durch die Falltür kehren die Männer der - nicht ganz so ehrbaren - Frauen mehr oder weniger havariert aus dem Algerienkrieg zurück. Der unersättliche Comte Ory muss neidisch durch das Fenster mitansehen, wie diese ihre aufgestauten sexuellen Bedürfnisse stillen können. Selbst sein Page Isolier kommt bei der Gräfin nicht zu kurz ... Vorhang - verdienter Jubel des ausverkauften Hauses!

Viele Karten wird es für die (zu) wenigen Vorstellungen nicht mehr geben. Wer einen amüsanten, hochklassigen Rossini-Abend erleben möchte, sollte sich also beeilen!

Werk:

LE COMTE ORY ist Rossinis vorletzte Oper. Danach folgte nur noch der GUILLAUME TELL. Auch LE COMTE ORY wurde für Paris komponiert, da Rossini in dieser Zeit Direktor des Théâtre Italien in der französischen Hauptstadt war. Allerdings erlebte der COMTE ORY seine Uraufführung in der Opéra, und dies bedeutete neben dem Verzicht auf gesprochenen Dialog durchkomponierte Szenen, d.h. die Verschmelzung von Rezitativen mit Einzelnummern zu musikalischen Grossformen. Die Rolle des Grafen Ory gehört zu den Paraderollen von Rossini-Tenören, welche jedoch über eine extreme Leichtigkeit in der Höhe und eine saubere Intervall-Sprungtechnik ohne schleifendes Mogeln verfügen müssen. Von Juan Diego Flórez zum Beispiel liegen bravouröse Einspielungen auf CD und DVD vor.

Rossini (wie auch Händel) war ein Meister im Recyclieren eigener Musik. Grosse Teile des COMTE ORY entnahm er seiner Festtoper IL VIAGGIO A REIMS. Für den zweiten Akt allerdings komponierte er viele Nummern neu, und die gehören zu seinen schönsten Einfällen.
 Raffinierte Orchestrierung und subtile Ironie prägen die Partitur.

In Zürich wird nun, 30 Jahre nach der letzten Produktion, auf Originalinstrumenten gespielt (Orchester LA SCINTILLA) und die Neuedition des Bärenreiter-Verlags benutzt, welche auf dem Aufführungsmaterial der Uraufführung basiert und die zahlreichen Veränderungen und Verfälschungen der Aufführungspraxis der vergangenen 180 Jahre korrigiert.

Inhalt:

Der wollüstige Graf Ory will von der kriegsbedingten Abwesenheit vieler Ehemänner im Land profitieren, verkleidet sich als Eremit und als Nonne, um sich so an die Frauen, welche ein Keuschheitsgelübde abgelegt haben, heranzumachen, wird aber immer wieder enttarnt und muss schliesslich von dannen ziehen, ohne zum Ziel gelangt zu sein.

Musikalische Höhepunkte:

Kavatine der Adele: En proie de la tristesse, Akt I

Finale Akt I

Trinkgelage der vermeintlichen Nonnen, das in religiöse Gesänge umschlägt, Akt II


Terzett Ory-Isolier-Adele: À la faveur de cette nuit obscure, Akt II

Informationen und Karten

 

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