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Zürich: ARABELLA (WA), 15.05.2022

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Arabella

Lyrische Komödie in drei Aufzügen | Musik: Richard Strauss | Libretto: Hugo von Hofmannsthal | Uraufführung: 1. Juli 1933 in Dresden | Aufführungen in Zürich: 13.5. | 15.5. | 20.5.2022

Kritik:

"Das ist ein Engel, der vom Himmel niedersteigt", singt Mandryka zu Beginn des 2.Aufzugs. Dieser Engel war gestern Abend Jacquelyn Wagner, die als kurzfristige Einspringerin für die erkrankte Hanna-Elisabeth Müller tatsächlich praktisch vom Himmel gestiegen war, denn sie wurde direkt aus ihrem (wohlverdienten) Urlaub in Spanien als Retterin in die Produktion eingeflogen. Als Retterin war sie bereits kurz vor dem ersten Corona-Lockdown am 7. März 2020 in diese Produktion eingestiegen, deren Titelpartie wegen Erkrankungen so oft umbesetzt werden musste. Und erneut, wie 2020 durfte Jacquelyn Wagner am Ende die Ovationen des Publikums entgegennehmen, die nicht nur für die Dankbarkeit der "Retterin" standen, sondern zu Recht auch ihre herausragende Rolleninterpretation feierten. Frau Wagner sang eine sehr berührende Arabella, liess ihr ihr warmes Timbre behutsam aufblühen, liess tief in die Seele der Arabella blicken (Mein Elemer ..., mit dem wunderschönen Bratschen-Solo), intonierte sicher (exemplarisch im ersten Akt die traumhaft schön intonierte Phrase "... er schaut nicht herauf". Wie stets bei dieser tollen Sängerin ging das alles ohne unnatürliches Forcieren in der hohen Lage; sie klang herrlich in den Zwiegesängen mit dem erneut fantastisch disponierten Bariton von Josef Wagner als Mandryka (einer der wenigen Konstanten dieser Produktion aus dem Jahr 2020). Jacquelyn Wagner agierte mit grandioser Natürlichkeit, völlig in der Rolle aufgehender Mimik, da stimmte jeder Blick, jede Geste, jede Bewegung. Für diese Wiederaufnahme neu besetzt wurde die Rolle der Zdenka. Anett Fritsch verfügte über den schimmernden Silberglanz, den diese Rolle erfordert und agierte vortrefflich, sowohl in der Maskerade als "Bub", als auch als endlich ihre wirkliche Sexaulität ausleben dürfende junge Frau im dritten Akt. Schade, dass sie im grossen Duett mit Arabella im ersten Akt (Aber der Richtige ...) ihr Volumen zu stark aufdrehte und so die exquisite Balance in den zauberhaften Harmonien, die Strauss da komponiert hatte, gefährdete. Judith Schmid gestaltete eine umwerfende Adelaide, Mutter von Arabella und Zdenka. Auch da stimmte einfach alles, Frau Schmid zeigte ihr komisches Talent, gepaart mit einem satten, raumfüllenden Mezzosopran, welch grossartige Leistung! Genauso umwerfend ihr Gemahl, dem Michael Hauenstein seinen prachtvollen, mit vortrefflicher Diktion souverän gestaltenden, satten Bass lieh. Auch er ein richtiges Bühnentier, ein Komödiant durch und durch. Mit Pavol Breslik war der Matteo natürlich sehr luxuriös besetzt. Sein ebenmässiger Tenor strahlte verzweifelt - verliebt im ersten Akt und lief verwirrt durch die von Zdenka arrangierte Verwechslungsgeschichte vokal zu ganz grosser Form auf. Neu und vortrefflich besetzt waren auch die drei Grafen (Verehrer Arabellas): Nathan Haller als selbstsicherer, sich unwiderstehlich glaubender Elemer; Yannick Debus, der sich nach der Abweisung durch Arabella an deren Mutter ranmacht und der genügsamere Lamoral von Brent Michael Smith. Konstanten dieser Produktion (neben dem wunderbaren Mandryka von Josef Wagner und dem herrlichen Maichael Hauenstein als Waldner) bilden auch Aleksandra Kubas-Kruk als herrlich jodelnde Fiakermilli, die einen nach dem anderen der Schuhplattler "umwirft" und Irène Friedli als grossartige Kartenaufschlägerin.

Nach Fabio Luisi 2020 lag die Leitung der Philharmonia Zürich nun in den Händen von Markus Poschner, Chefdirigent des Orchestra della Svizzera Italiana und des Bruckner Orchesters Linz. Seine Interpretation der ARABELLA enthält nichts von süsslichem Operetten-Weichspüler, ist manchmal wie gegen den Strich gebürstet, aufwühlend in der singenden Seele schürfend, kratzbürstig und unter der Oberfläche brodelnd - hochspannend, und von der Philharmonia Zürich mit wunderbarer Klangmischung umgesetzt. Unter der polierten Oberfläche der Hotellobby brodelt es auch in der Inszenierung. Da kann ich nur meinen Text von 2020 einfügen, der postitive Eindruck von damals hat sich mehr als bestätigt: "Regisseur Robert Carsen legte die Handlung nämlich nicht wie von Hofmannsthal vorgesehen um 1860 an, sondern verlegte sie in die Zeit des Nationalsozialismus der Entstehungszeit der Oper, also zwischen 1926 und 1933. Gideon Davey schuf die dazu passende Ausstattung, eine Hotelhalle in Rot und Schwarz, umfasst von Galerien auf drei weiteren Geschossen. Dieses Einheitsbühnenbild passte wunderbar, um die Handlung zu verorten und ermöglichte durch die Galerien verschiedene interessante Spielebenen. Für den zweiten Akt, den Fiakerball, wurde die Lobby zusätzlich mit riesigen Hakenkreuzfahnen links und rechts „geschmückt“. Gideon Davey schuf auch die passenden Kostüme. Das Ballkleid der Arabella in Petrolblau und mit den Goldapplikationen wusste ganz besonders zu gefallen. Aber auch die Art wie Zdenka als Zdenko eingekleidet war, überzeugte sehr. Insgesamt eine sehr gediegene Inszenierung, doch unter der polierten Oberfläche brodelte es natürlich gewaltig. Das von Robert Carsen und Peter van Praet gespenstisch ausgeleuchtete Ballett der Braunhemden und der Schuhplattler zum Vorspiel des dritten Aktes, mit den Schlägereien und den unsäglichen Hitlergrüssen hatte was Slapstickartiges, ja geradezu Absurdes und wirkte zunächst wie ein aufgestzter Regietheater-Fremdkörper. Doch wenn dann am Ende, nach der von Jacquelyn Wagner so ergreifend und emanzipatorisch (sie hindert ihren Zukünftigen daran, das berühmte Glas zu zerbrechen) gestalteten Schlussszene die Nazischergen auf den Galerien auftauchen und die ganze Bagagi zu erschiessen drohen, spürt man doch, dass Hofmannsthal und Strauss den Zeitenwechsel wohl gespürt (Hofmannsthal), aber nicht verstanden (Richard Strauss) haben.

Fazit: Nur noch eine Vorstellung dieser Wiederaufnahme, nicht verpassen!

Inhalt:

Der spielsüchtige, verarmte Graf Waldner und seine Gemahlin können es sich nicht leisten, zwei Töchter standesgemäss in die Gesellschaft einzuführen. Sie haben deshalb die jüngere Tochter, Zdenka, in Männerkleider gesteckt und als Zdenko ausgegeben. Die ältere Tochter, Arabella, soll reich verheiratet werden. Sie hat viele Verehrer, wartet aber auf den „Richtigen“. Zdenka hingegen hat sich in einen der Verehrer Arabellas, Matteo, verguckt. In Arabellas Namen schreibt sie ihm immer wieder Liebesbriefe. Auf einem Faschingsball kommen sich der reiche Landadlige Mandryka (der Neffe eines Militärkameraden ihres Vaters) und Arabella näher. Sie weiss nun, dass er der Richtige und ihr Gebieter sein wird. Mandryka beobachtet, wie Zdenko (-a) Matteo einen Brief mit dem Zimmerschlüssel Arabellas überreicht. Rasend vor Eifersucht begibt er sich in das Hotel, wo die Familie des Grafen Waldner logiert. Dort trifft er auf Arabella und Matteo. Die Situation eskaliert. Erst das Erscheinen Zdenkas in Frauenkleidern und ihr Geständnis führen zum Happyend.

Werk:
ARABELLA setzt den Schlusspunkt unter die erfolgreiche Zusammenarbeit von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal. Zugleich bleibt sie die letzte wirklich repertoirefähige Oper des Komponisten. Hofmannsthal starb nach der Beendigung des ersten Aufzugs. Als Huldigung an seinen Librettisten vertonte Strauss die letzten beiden Aufzüge so, wie sie der letzte Entwurf Hofmannsthals vorsah, ohne den letzten Feinschliff, den der versierte Librettist seinen Werken jeweils verpasst hatte. So bleiben einige Figuren doch relativ undifferenziert gezeichnet, die Handlung und die psychologische Durchdringung der Protagonisten weisen Schwächen auf, auch die musikalische Einfallskraft des beinahe 70jährigen Komponisten hat nachgelassen. Die Opferbereitschaft und Unterwürfigkeit der beiden Frauen ist aus heutiger Sicht beinahe unerträglich. Die beiden bekanntesten Nummern der Oper (Aber der Richtige / Und du wirst mein Gebieter sein) sind allerdings von einer betörenden Klangsinnlichkeit. Strauss liess sich dafür von slawischen Volksliedern inspirieren.


Nichtsdestotrotz wurde ARABELLA zu einem Vehikel für die ganz grossen Primadonnen der Oper: Lotte Lehmann, Maria Cebotari, Lisa della Casa (wohl DIE Arabella schlechthin), Anna Tomowa-Sintow, Kiri Te Kanawa und Renée Fleming.

Musikalische Höhepunkte:
Aber der Richtige – wenn’s einen gibt, Duett Arabella-Zdenka, Aufzug I
Mein Elemer…, Schlussszene der Arabella, Aufzug I
Das ist ein Engel, Mandryka, Aufzug II
Und du wirst mein Gebieter sein, Duett Arabella-Mandryka, Aufzug II
Das war sehr gut, Mandryka …, Finale Aufzug III

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