Berlin, DOB: RIENZI, 07.02.2010
Grosse tragische Oper in fünf Akten (hier in der Stölzl Version: in zwei Teilen)
Musik: Richard Wagner
Dichtung: vom Komponisten
Uraufführung: 20 Oktober 1842 in Dresden
Kritik:
Adolf H. hat Wagners RIENZI geliebt, die Nazis haben die Musik bei den Parteitagen immer wieder gespielt (missbraucht für Soldatenaufmärsche und pseudo-religiöse Massenbeeinflussung). Regisseur und Bühnengestalter Philipp Stölzl schien um diesen historischen Kontext der Rezeptionsgeschichte des Werks nicht herumzukommen. Doch wurde seine Interpretation des Stoffes nicht wie angekündigt zu einer Parabel vom Aufstieg und Fall eines Diktators des 20. Jahrhunderts, sondern geriet vollumfänglich zu einer Hitler-Groteske mit einem im zweiten Teil von Parkinson gezeichneten Hitler, der aussah wie Reichsmarschall Göring. Die Schwester Irene schien - in inzestuöser Liebe zu ihrem Bruder entbrannt - zu Eva Braun zu mutieren, was nun überhaupt nicht mit der Vorlage zusammenging. RIENZI, stark gekürzt, auf eine Hitler-Parabal zu beschränken, mag naheliegend scheinen, wird dem Stoff jedoch nicht vollumfänglich gerecht. Aber: Neben vielem Ärgerlichen gelangen dem Inszenierungsteam auch wirklich starke, unter die Haut gehende Bilder. So ist die Begnadigung der aufständischen Adligen nur vordergründig und für das tumbe Volk gedacht, im Hintergrund werden die Attentäter von Männern und Frauen gnadenlos erschossen. (Zum Aktfinale allerdings erstehen sie dann allerdings wieder auf, da ihre Partien ja in der Partitur stehen …) Zu Beginn des zweiten Teils sieht man Hitler-Rienzi unten im Führerbunker eingeigelt in fahlgelbem Licht mit den Modellen von Albert Speer Germania spielen, während oben das Volk in blutrotes Licht getaucht unter den Bombenangriffen leidet. Das sind grosse Momente dieser zwiespältigen Regiearbeit. In der Chorführung zeigt sich ebenfalls die Genialität von Stölzls Arbeit und seiner Co-Regie Mitarbeiterin Mara Kurotschka: Die verführbaren , unentschlossenen Massen sind zu Beginn gesichtslose Masken tragende, in ihrer Gorteskheit an Figuren von Otto Dix erinnernde Menschen (in einer George Grosz nachempfundenen hässlichen Grossstadt) und zeigen ihr wahres Gesicht erst, als sie sich dem neuen Führer zuwenden und zu uniformierten, im Gleichschritt marschierenden Parteianhängern mutieren.
Stölzl findet einen grossen Teil der Musik von RIENZI schlecht, deshalb hat er das Werk stark gekürzt. Ob das zulässig ist, sei mal dahingestellt. Ich persönlich finde auch gewisse Passagen im PARSIFAL sind zu lange geraten, würde aber die Gurnemanz Partie nicht zusammenstreichen …
Was aber in dieser (mit Pause) gut dreistündigen Version des RIENZI zu hören war, erfreute das Ohr.
Die immensen Aufgaben des Chors bewältigte der Chor der Deutschen Oper Berlin mit Bravour, zu Recht wurde er am Schluss mit lautstarken Bravi gefeiert. Trotz allen Volumens blieb er immer klangschön und sauber . Strahlender Glanz der Soprane, Profundität der Bässe, rhythmische Präzision sind Merkmale der Arbeit von Chordirektor William Spaulding. Das Orchester unter Sebastian Lang-Lessing bot im Graben Ebenbürtiges, alle Stimmgruppen trugen zu einem satten, ja ich gebs zu - mitreissenden - Wagnerklang bei, der trotz aller Lautstärke immer durchhörbar und nie breiig oder stampfend wurde.
Die äußerst schwierig zu singende Rolle des Tribunen Rienzi füllte Torsten Kerl stimmlich und darstellerisch (genau den Intentionen der Regie folgend) vortrefflich aus. Klug dosierte er die notwendige Kraft, fand beim Gebet im Schlussbild zu zarteren Tönen, ohne dass die Stimme brüchig wurde. Kate Aldrich war darstellerisch zu Beginn ein wunderbar schlaksiger Adriano (Hosenrolle). Sie mutierte vom unsicheren , verführbaren Jüngling zum starken Widerstandskämpfer. Die Stimme von Frau Aldrich besticht durch Wärme in allen Registern, wunderbar runde Tongebung. Camilla Nylund erfüllte die Rolle der Irene mit Leidenschaft und Verzweiflung. Zwar verengte sich ihre eigentlich sehr schöne, etwas kalte Stimme in der Höhe ein wenig, so dass sie die Ensembles und Finali nicht frei überstrahlen konnte, doch insgesamt begeisterte auch sie mit jugendlich frischem Gesang. Ante Jerkunica und Krzysztof Szumanski verliehen dem Colonna, respektive dem Orsini Profil, Lenus Carlson war der Kardinal und Clemens Bieber und Stephen Bronk standen Rienzi als Baroncelli und Cecco dienend und ihrer Sache sicher zur Seite. Der grosse Jubel am Schluss für die Ausführenden war verdient.