Barcelona: FAUST, 10.10.2011
Oper in fünf Akten | Musik: Charles Gounod | Libretto: Jules Barbier, Michel Carré | Uraufführung: 19. März 1859 in Paris Aufführungen in Barcelona (konzertant): 07-10 10-10 11-10 15-10 18-10 20-10 22-10 25-10 28-10
Kurzkritik:
Warum um alles in der Welt eine konzertante Aufführung, nein sogar mehrere? FAUST ist nun wirklich keine Oper, welche sich ihres Librettos zu schämen braucht, in einer durchdachten Inszenierung zu begeistern und zu packen vermag. Doch das Liceu muss wohl sparen. So setzte man also neun konzertante Aufführungen an. Aber die Rechnung ging offensichtlich nicht auf. In der von mir besuchten Vorstellung blieben jedenfalls beinahe die Hälfte der Plätze leer. Das mag natürlich auch damit zusammenhängen, dass man eine A und eine B Besetzung verpflichtete. Ich hörte die B Besetzung, welche jedoch sehr zu gefallen wusste. In der Titelrolle sang der junge brasilianische Tenor Fernando Portari. Er legte den Faust sehr lyrisch an, wusste mit Pianokultur vom Feinsten zu gefallen und harmonierte so wunderbar mit seiner Partnerin Guylaine Girard (sie sprang kurzfristig für Ermonela Jaho ein). Ihr apartes Timbre machte sie zu einer Marguerite, welche zwischen Zerbrechlichkeit und hoffnungsvollem Aufbäumen alle Stufen ihres tragischen Schicksals durchleben musste. Sowohl die Erzählung des "Roi de Thulé" als auch die Juwelenarie gerieten grossartig. Der Höhepunkt war dann aber der Schluss, in welchem sich die Phrasen Schraube um Schraube nach oben drehen - um im gewaltigen Chorfinale förmlich zu explodieren. Und dieser Chor des Gran Teatro del Liceu gestaltete das grandios.
Als Star des Abends entpuppte sich jedoch Michele Pertusi als Mephistopheles: Seine ausdrucksstarke, subtil und bruchlos geführte Bassstimme wirkte gerade durch ihre verführerische Schönheit gefährlich. Weder im Lied vom Goldenen Kalb noch in der Kirchenszene musste er zu vordergründig plakativen Gestaltungmitteln greifen um seine Bedrohlichkeit zu vermitteln. Erstklassig!
Herausragend auch der Siébel von Ketevan Kemoklidze: Welch wunderschön satt klingender Mezzosopran. Hochkarätig besetzt die Marthe mit Julia Juon: So geriet das Quartett im zweiten Akt zu einer spannenden Angelegneheit. Gerade durch das leicht szenische Agieren von Frau Juon vermisste man an dieser Stelle eine Inszenierung schmerzlich. Auch die Rolle des Valentin büsst in einer konzertanten (und dann noch gekürzten Highlights-Version - andere Internetblogs schreiben gar von "un FAUST mutilado!") viel an Gewicht ein: Marc Barrard sang seinen Hit "Avant de quitter ces lieux" vom Dirigenten leicht gehetzt und gestaltete einen ergreifenden Tod mit der Verfluchung seiner Schwester.
Pierre Vallet und das wunderbar spielende Orchester liessen die herrliche Musik eindringlich erblühen. Dank zügiger Tempowahl kam jedoch nie Larmoyanz oder gar Kitsch auf.
Unverständlich auch, dass die Ballettmusik nicht gespielt wurde: Gerade in einer konzertanten Aufführung hätte diese doch ihre Berechtigung gehabt, da man hier keine Rücksicht auf einen dramaturgisch sinnvollen Ablauf zu nehmen brauchte.
Fazit: Das LICEU hat mit dieser Version weder dem Werk noch dem Publikum einen Dienst erwiesen. Schade um die wirklich schönen Stimmen!
Besetzung:
A: Krassimira Stoyanova / Piotr Beczala / Erwin Schrott / Ludovic Tézier /Karine Deshayes / Julia Juon
B Guylaine Girard / Fernando Portari / Michele Pertusi / Marc Barrard / Ketevan Kemoklidze / Julia Juon