Zürich, Predigerkirche: AMICI DELL'ARTE, Herbstkonzert, 25.10.2015
Leopold Mozart: Sinfonia di caccia, G-Dur | Etienne-Nicolas Méhul: La Chasse du jene Henri | Gioachino Rossini: Le Rendez-vous de Chasse | Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 73, D-Dur „La Chasse“ | Konzert in Pfäffikon ZH: 24.10.2015, Konzert in Zürich: 25.10.2015
Kritik:
Rund um das herbstliche Thema JAGD haben Dirigent Marcel Blanchard und das Kammerorchester AMICI DELL'ARTE ihr Konzert programmiert – ein kluge und stimmige Wahl, gerade für einen so wunderschönen, farbenprächtigen Herbsttag, wie wir ihn gestern erleben durften. Und reich an Farben war auch das präsentierte Konzertprogramm, obwohl die ausgewählten Werke alle innerhalb von ca. 70 Jahren entstanden waren, vom Zeitalter des Spätbarocks (Papa Leopold Mozart) bis zur italienischen Frühromantik (Rossini). Doch nicht nur die eingestreuten musikalischen Jagdmotive setzten dem Konzert einen motivischen Rahmen, genauso wichtig war auch der bei allen Kompositionen durchschimmernde Schalk: Von Leopold Mozarts Sinfonia di Caccia (bei der nur noch das Hundegebell fehlte), über Méhuls ironisch-distanzierte „Verklärung“ der Jugend eines Tyrannen (Henri IV), zu Rossinis Solo für Hornquartett (mit dem schrägen eingestrichenen „b“) und Haydns Sinfonie LA CHASSE. Es ist ja hinlänglich bekannt, dass dieser Komponist immer für witzige Überraschungen gut ist. Und selbst die Zugabe passte dann wunderbar in den herbstlich-schalkhaften Rahmen, die Schnellpolka „Auf der Jagd“ von Johann Strauss Sohn.
Mit Leopold Mozarts Jagdsinfonie gelang dem Orchester ein stimmungsvoller Einstieg in das Konzert, wunderbar die zarten Echowirkungen im ersten Satz, das lockere Voranschreiten im Andante und das beschwingte Menuett des Schlusses. Das Hornquartett der ZhdK (Matthias Fuchs, Astrid Schumacher, Chatal Chwalek, Seraina Hügli) wurde prominent links vor dem Orchester platziert und doch gelang es dem Dirigenten, die klangliche Balance hervorragend zu halten und den diffizilen Hörnerklang in den Gesamtklang einzubetten. Wunderbar dann die Idee, die vier Hörner in Méhuls Ouvertüre zu LE JEUNE HENRI erst aus dem hinteren Kirchenschiff spielen zu lassen und sie erst im Verlauf der gross angelegten Ouvertüre nach vorne zu holen. So entstand eine ungemein plastische, ja geradezu lautmalerische Impression der Jagd im königlichen Wald, auch dank der Prägnanz und der Exaktheit in den galoppierenden Rhythmen, mit welchen das bestens disponierte Orchester das Stück anging. Gerade bei diesem Stück erwies sich die nicht ungefährliche Akustik der Predigerkirche mit ihrem langen Nachhallen als ideal, verlieh sie doch diesem Stück eine zusätzliche Erhabenheit. Vor allem aber machte die Komposition neugierig auf weitere Werke dieses Komponisten, der leider etwas in Vergessenheit geraten ist, obwohl seine Werke von berühmten Kollegen geschätzt wurden, so von Beethoven (er hatte bei Méhul das Trompetensignal seines FIDELIO „geklaut“) oder von Mendelssohn und Schumann, welche Méhuls Sinfonien im Leipziger Gewandhaus zur Aufführung brachten.
Das Hornquartett der ZhdK steigerte sich quasi von Stück zu Stück und bot dann als Höhepunkt seines Könnens das wunderbar sauber intonierte RENDEZ-VOUS DE CHASSE von Rossini dar – ein Hochgenuss. Wunderbar transparent im Klang, die verschiedenen Register perfekt beherrschend.
Den offiziellen Abschluss des kurzweiligen Konzerts bildete die Sinfonie Nr.73 von Joseph Haydn. Marcel Blanchard verlieh der Adagio-Einleitung des ersten Satzes mit dramatischer Akzentsetzung wirkungsvolles Gewicht und arbeitete so den Kontrast zum graziösen Allegro mit dem Tonrepetitions-Auftakt aus drei Achteln sehr wirksam heraus. Der zweite, langsame Satz, klang lieblich, aber nie zu süss, den punktierten Rhythmus fein verklingen lassend. Sehr schön war auch hier zu erleben, wie feinfühlig der Dirigent auf die schwierige Akustik reagierte und den Nachhall durch klug konzipierte Pausen effizient abfedern konnte. Mit kraftvollem Schwung wurde das Menuetto angegangen und dieser Schwung wurde gleich mitgenommen für den jubelnden Einstieg in den Finalsatz. Mit effektvoller Prägnanz erklangen das „Herzklopfen“ vor der Reprise des Hauptthemas und natürlich das der Sinfonie ihren Namen gebende Jagdsignal der Hörner.
Fein ziseliert, nicht überhastet und doch mit Schmiss gestalteten Dirigent und Orchester die Zugabe, die Schnellpolka AUF DER JAGD von Johann Strauss (Sohn) und machten damit auf sympathische Art auf das bevorstehenden Silvesterkonzert der AMICI DELL'ARTE am 31. Dezember 2015 in der reformierten Kirche Pfäffikon ZH aufmerksam.
Werke:
Leopold Mozart (1719-1787) lebte und wirkte im Fürsterzbistum Salzburg und war ein Komponist der Frühklassik. Von seinen Werken sind vor allem die MUSIKALISCHE SCHLITTENFAHRT und die in diesem Konzert der Amici dell'Arte zur Aufführung gelangende, den ausgeprägten Humor seines Schöpfers deutlich widerspiegelnde SINFONIA DI CACCIA noch immer populär. Diese entstand ungefähr ein Jahr vor der Geburt seines Sohnes Wolfgang Amadé, also um 1755.
Etienne-Nicolas Méhul (1763-1817) ging als Komponist der Französischen Revolution in die Musikgeschichte ein. Leider werden seine mehr als 40 Opern, seine 5 Sinfonien, die Ballette und die Hymnen kaum mehr aufgeführt. LA CHASSE DU JEUNE HENRI stellt die Ouvertüre zu einer Oper über das Leben von Henri IV dar. Méhuls Einfluss auf Zeitgenossen (Beethoven, z.B.) darf jedoch nicht unterschätzt werden. Ebenso gilt er als „Erfinder“ von Leitmotiven, wie sie später Richard Wagner in seinen Bühnenwerken zur sublimen Meisterschaft gebracht hatte.
Gioachino Rossini (1792-1868), der unsterbliche Komponist des BARBIERE DI SIVIGLIA, war einer der bedeutendsten Opernkomponisten des Belcanto, er brachte sowohl die opera buffa als auch die opera seria zur grossen Blüte. In seiner Zeit als Opernkomponist, die nur 20 Jahre währte, schuf er 40 Bühnenwerke und schloss sein musikdramatisches Schaffen mit der Grand opèra GUILLAUME TELL ab, bevor er sich für den Rest seines Lebens eher lukullischen Genüssen, Gelegenheitskompositionen und Lehrtätigkeiten hingab. Das RENDEZ-VOUS DE CHASSE entstand 1828 als Rossini in Paris weilte und den Wald von Compiègne, das Jagdgebiet der französischen Könige, besuchte. Auffallend am Stück ist das leicht verstörend klingende eingestrichene b, welches bisher in der musikalischen Jagdliteratur nicht vorkam. Rossini selbst soll den Hornisten demonstriert haben, wie dieser Ton zu blasen sei!
Joseph Haydn (1732-1809) wird als der Vater der klassischen Sinfonie bezeichnet. Viele seiner (bis heute aufgespürten) 107 Sinfonien erfreuen sich immer noch grosser Beliebtheit und tauchen häufig im Konzertleben auf, so die Nr. 22 (Der Philosoph), die Nr. 31 (Hornsignal), die Nr. 55 (Der Schulmeister), die in diesem Konzert zu hörende Nr. 73 (La Chasse), die Nr. 94 (Mit dem Paukenschlag), die Nr. 101 (Die Uhr). LA CHASSE entstand 1781 während Haydns langjährigem Wirken als Kapellmeister des Fürsten Esterházy. Der Titel bezieht sich auf den Finalsatz der Sinfonie, den Haydn aus der Ouvertüre seiner Oper LA FEDELTÁ PREMIATA entnommen hatte. In dieser Oper spielt die griechische Jagdgöttin Diana als Dea ex machina eine wichtige Rolle. Jagdsignale und Echowirkungen prägen das Klangbild diese Satzes. Im codaartigen Schluss verklingt die Sinfonie im pianissimo.