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Zürich, Opernhaus: DVORAK, STRAUSS, Philharmonisches Konzert, 29.10.2023

Erstellt von Kaspar Sannemann |

Augustin Hadelich, Applausbild: K. Sannemann

Die Violine im Mittelpunkt: Augustin Hadelich (Dvorak) und der Konzertmeister der Philharmonia Zürich, Bartlomiej Niziol (Strauss) spielen unter der Leitung von Gianandrea Noseda

Antonín Dvořák: Violinkonzert in a-Moll, op 53 | Uraufführung: 14. Oktober 1883 in Prag | Richard Strauss: Ein Heldenleben | Uraufführung: 3. März 1899 in Frankfurt unter der Leitung des Komponisten

Kritik: 

DER ZAUBERKLANG DER VIOLINEN

Gleich zwei herausragende Geiger standen quasi im Zentrum dieses 1. Philharmonischen Konzerts gestern Sonntag im Opernhaus Zürich: Selbstredend Augustin Hadelich in Dvořáks nicht allzu häufig anzutreffendem Violinkonzert, aber auch der Konzertmeister der Philharmonia Zürich, Bartlomiej Niziol, der die diffizilen Solopassagen in Strauss' Tondichtung EIN HELDENLEBEN mit Bravour meisterte. Beide entlockten ihren Instrumenten (Hadelich spielt auf einer Guarneri von 1744) begeisternde, vielschichtige Töne, volkstümlich angehaucht bei Dvořák, einen nicht ganz einfachen weiblichen Charakter beschreibend bei Strauss; Hadelich zeigte in seiner passend gewählten, überaus virtuos dargebotenen Zugabe, einem Ländler, gar, dass die Violine auch atemberaubend "jodeln" kann.

DIFFERENZIERUNGSKUNST I

Nach dem markigen, vehementen Auftakt des Orchesters, von dem der Dirigent Gianandrea Noseda die notwendige Wucht forderte, setzte Hadelich ein, spann das Thema mit vielschichtiger Dynamik fort und setzte der orchestraslen Kraft Ausdruck entgegen. Was dann schon bald zu sanfteren orchestralen Passagen führte, mit wunderbarer Transparenz dargeboten. Nun war die Solovioline vermehrt in der Führungsrolle, übernahm Verantwortung, verströmte wunderbare Wärme. Gerade die vielen Passagen im Piano waren von einer Schönheit erfüllt, die nicht von dieser Welt schien. Hadelich durchschritt die accelerierenden Läufe mit Bravour, stürmte zu lupenreinen Tönen in der höchsten Lage, fand zusammen mit der Philharmonia Zürich zu einer wunderbaren Verschmelzung des Klangs. Gerade im zweiten Satz führte dies zu einer erhabenen Ruhe, die Solovioline verströmte liedhafte, tröstende Kantilenen von überragender Schönheit. Kurz traten aufgerautere Klänge im Mittelteil dazwischen, bevor Hadelich mit fein ziselierten Fiorituren und Trillern wieder zur Zartheit dieses Adagios zurückführte. Der mitreissende Schlusssatz danach war ein gekonntes Wechselspiel zwischen Orchester und Solovioline, geprägt von der stupenden Agilität von Augustin Hadelichs Spiel, ein Satz voller Spritzigkeit, dem Nosedas federndes Dirigat die gebührende Beschwingtheit verlieh. Mit der Zugabe des Ländlers (so im Stil von Joseph Lanner, der Solist sagte das Stück nicht an) setzte Hadelich noch ein überaus virtuoses Sahnehäubchen auf den volkstümlichen Furiant Dvořáks - die Begeisterung des vollbesetzten Zuschauerraums war zu Recht enthusiastisch.

DIFFERENZIERUNGSKUNST II

Obwohl Richard Strauss' EIN HELDENLEBEN durchaus einen Zug ins Monumentale hat, mit einem der überwältigendsten Auftakte seiner Tondichtungen (nur schon die Orchesterbesetzung ist gigantisch, die Musiker*innen der Philharmonia Zürich besetzen mit ihren Instrumenten und Notenpulten praktisch jeden Quadratzentimeter der Bühne und der Abdeckung über dem Orchestergraben), sind doch viele der folgenden Passagen von Verinnerlichung geprägt. Gianandrea Noseda verzichtete wohltuend auf die Zelebrierung des Pathos, er setzte auf Zügigkeit und Dynamik, entfesselte aber durchaus den Strauss'schen, silbernen und so unverwechselbaren Klangzauber des Meisters der Orchestrierungskunst. Wunderbar arbeitete Noseda die keifend schnatternden "Widersacher" des Helden heraus; die schrillen Flöten, quengelnden Oboen, grunzenden Fagotte und blökenden Klarinetten der Philharmonia Zürich waren bestens gelaunt, um diese widerspenstigen Phrasen mit verblüffender Virtuosität zu interpretieren. Höhepunkt des Werks sind für mich immer wieder die vertrackten Arabesken der Solovioline, welche hier vom Konzertmeister der Phiharmonia Zürich, Bartlomiej Niziol (auch er spielt auf einer Guarneri del Gesù, die noch älter ist als Hadelichs Instrument; sie stammt aus dem Jahr 1727!), mit wunderbarer Differenzierungskunst gespielt wurden: Er spielte mal elegisch schön, dann hüpfend, fröhlich, wechselte vom Schmachtenden zum Zänkischen, konnte süsslich liebkosen und schnell wieder ins Streitsüchtige fallen - eben genau so, wie Strauss seine Gemahlin Pauline charakterisierte. Grossartig. Mit dem nahenden Tod und der Verklärung des Helden ging es dann pathetischer weiter: Die Trompeten aus dem Off riefen wie zum Jüngsten Gericht, der Marsch kam martialisch grotesk daher (es klang wie Schostakowitsch), mit der Trommel und dem grellen Blech, es toste und donnerte, bevor die Arpeggien der Harfen zur ewigen Ruhe riefen. Aber nicht bevor ein letztes, stürmisches Aufbäumen die Solovioline nochmals hervorrief, die auf einem fantastisch weichen Teppich des Orchesters ihre verklärende Erinnerung an das Liebesglück intonierte: Von der Phiharmonia Zürich unter ihrem GMD Gianandrea Noseda herausragend interpretierter Strauss - fesselnd und unterhaltsam.

Werke:

Antonín Dvořák (1841-1904) hatte mit seinen Slawischen Tänzen beim Verleger Simrock grossen Eindruck hinterlassen. Simrock bat Antonín Dvořák nun um ein Violinkonzert, das “recht originell, kantilenenreich und für gute Geiger" komponiert sei. Dvořák war selbst ein ausgezeichneter Geiger, bat aber trotzdem den damals berühmtesten Violinisten, Joseph Joachim, um Rat. Joachim lehnte den ersten Entwurf Dvořáks ab und liess, nachdem Dvořák ihm die revidierte Komposition zugestellt hatte, lange Zeit nichts von sich hören. Als er sich schliesslich meldete, brachte er erneut Kritik an der seines Erachtens zu dicken Orchestrierung an (obwohl diese fast durchwegs im Piano geschrieben ist). Simrock schliesslich druckte diese zweite Fassung und die Uraufführung fand ohne Joachim (dem das Werk trotzdem gewidmet ist) statt. 

Den ersten Satz eröffnet das Orchester mit einem markanten Haupttehma, doch bereits nach fünf Takten setzt die Solovioline ein und führt das Thema variationenreich weiter. Der Satz stellt eine Vermischung von Sonatensatz und Rondoform dar. Mit einer dreizehntaktigen Überleitung geht der Kopfsatz unmittelbar in den erhabenen langsamen Satz über. Nach diesem in kontemplativer Versunkenheit verharrenden Mittelteil, mündet das Konzert wie eine Rückkehr ins pralle Leben in ein Allegro giocoso, das den von Dvořák geliebten Volkstanz “Furiant” jubelnd in den blauen Himmel trägt, nur kurz unterbrochen von einer ruhigen Dumka, einer eher intovertierten Volksliedweise.

Richard Strauss (1864-1949) erreichte seine ersten grossen Erfolge als Komponist mit seinen SINFONISCHEN DICHTUNGEN (Don Juan, Don Quichotte, Till Eulenspiegesl lustige Streiche, Also sprach Zarathustra u.a. m.), bevor er sich fast ausschliesslich der Komposition von Opern zuwandte. In EIN HELDENLEBEN, seiner siebten und letzten Tondichtung, beschreibt er nicht den Lebensweg einer historischen Figur, die Komposition trägt u.a. auch autobigrafische Züge, z.B. Strauss' Liebeswerben um seine Gemahlin Pauline und eine Liebesszene. Daneben erleben wir auch einen zweifelnden, dann wieder einen kraftstrotzenden Helden und schliesslich die Verklärung des Helden. Das Werk ist durchkomponiert und dauert etwa 50 Minuten. Ursprünglich hatte Strauss sechs Überschriften eingefügt (Der Held, Des Helden Widersacher, Des Helden Gefährtin, Des Helden Walstatt, Des Helden Friedenswerke, Des Helden Weltflucht und Vollendung). Die gross besetzte Partitur gehört zu den anspruchsvollsten in Strauss' sinfonischem Schaffen. Ihr Orchestrierung ist  - wie immer bei Strauss - brillant, orignell und stimmungs und phantasievoll.

Karten

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