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Zürich: KING ARTHUR, 27.02.2016

Erstellt von Kaspar Sannemann | | King Arthur

Copyright: Hans Jörg Michel, mit freundlicher Genehmigung Opernhaus Zürich

Semi-Opera in in fünf Akten | Musik: Henry Purcell | Libretto: John Dryden | Uraufführung: 1691 in London | Aufführungen in Zürich: 27.02. | 1.3. | 3.3. | 11.3. | 16.3. | 18.3. | 20.3. | 28.3. | 1.4.2016

 

Kritik:

 

„Geht's auch mit Niveau?“ Mit dieser Frage machte ein erboster Zuschauer nach der Pause seinem Ärger über das läppische Getue auf der Bühne Luft. „Niveau, oh, oh, Niveau ...“, äffte ihn die nymphomanische, vampirhafte Zauberin Osmond (Annika Meier) auf der Bühne nach. Man wird den Verdacht nicht ganz los, dass auch dieser Zwischenruf inszeniert war, um die Stimmung etwas aufzulockern und die Zuschauer aus ihrer bisherigen Reserve zu locken, denn die Lacher waren im ersten Teil der Slapstickkomödie, als welche Herbert Fritsch Purcells Semi-Opera KING ARTHUR auf die Bühne des Opernhauses Zürich zauberte, doch eher spärlich geblieben. Jedenfalls brandete nach diesem Zwischenfall nun zum ersten Mal amüsierter Applaus auf. Also falls es inszeniert war, ein kluger Einfall, falls nicht, war die spontane Reaktion der Schauspielerin geradezu genial. Denn tatsächlich dauerte es eine Weile, bis man sich mit dieser Inszenierung anfreunden konnte, gewillt war, das Kind in sich (wieder) zu entdecken, Spass an der unbändigen Blödelei zu haben, den (allzu) repetitiv und breit ausgewalzten Gags, den unsäglich dümmlichen (und manchmal auch witzigen) Reimen, welche die neue Textfassung von Sabrina Zwach prägen („Gesetzt den Fall, dass ich falle – mmh Farfalle“). Doch irgendwann machte es dann Klick und man tauchte ein in die Welt der Ritterspiele und Quijotterien, konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, erinnerte sich an selbst gebastelte Excalibur-Schwerter, mit denen man die Szenen aus den Ritter Eisenherz Comics nachspielte. Allerdings gelang dem Regisseur und den Akteuren auf der Bühne die diffizile Gratwanderung zwischen kindlich und kindisch nicht immer restlos überzeugend und zu oft driftete das Geschehen dann doch eben einfach ins Läppische ab (wie meistens, wenn Erwachsene sich als Kinder gebärden). Auch wenn man sich bemühte, die grandiosen Briten der Gruppe Monty Python zu zitieren (mit ihrem herrlich satirischen Film MONTY PYTHON AND THE HOLY GRAIL hatten sie sich auf meisterhafte Art der Artus-Sage angenommen), dem Theater auf der Opernhausbühne fehlte der doppelte Boden, der schalkhafte Bezug zur Gegenwart, das subtile Augenzwinkern. Da reicht es eben nicht, dass König Arthur (wunderbar komisch mit seiner schweren Rüstung, Helm und Harnisch kämpfend; Wolfram Koch) vom Souffleurkasten springt und „Sprüngli“ ruft oder der Sachsenkönig Oswald (von akrobatischer Agilität: Florian Anderer) zum aufgebrachten Arthur sagt: „C-Dur, B-Dur, äh Arthur, beruhige dich.“ Erfreuen konnte man sich an den fantasievollen, detailverliebten und farbenfrohen Kostümen von Victoria Behr, den ungemein aufwändig gearbeiteten Perücken und der Wahnsinnsarbeit der Maskenbildnerei. Als Bühnenbild (ebenfalls von Herbert Fritsch) diente einzig eine riesige Leinwand, auf welche eine bunte Vektorgrafik aus Polygonen projiziert wurde. Das ständige Flirren und Changieren der entfernt an ein Hundertwasser-Bild erinnernden Projektion ermüdete das Auge jedoch zunehmend, so dass man sich dann doch besser auf das Agieren der exzellenten Schauspielerinnen und Schauspieler auf der grossen Spielfläche konzentrierte. Neben den erwähnten Königen (Koch und Anderer) standen da ganz grosse Namen der Film- , Theater- , und TV-Szene auf der Bühne. Die beiden Zauberer Merlin und Osmond waren Damen anvertraut. Corinna Harfouch (Merlin) und Annika Meier (Osmond) zeichneten die unterschiedlichen Charaktere dieser beiden Magier treffend: Harfouch mit langem dünnem Bart, androgyn und unnahbar wirkend; Meier wie erwähnt obszön, nymphomatisch (herrlich, wenn ihre lüsterne Zunge im Frostbild an der menschlichen Wintertanne anfriert). Die blinde Emmeline wurde von Ruth Rosenfeld genauso toll in Slapstick-Manier gespielt wie ihre Begleiterin und Vertraute Mathilda von der umwerfend lustig agierenden Carol Schuler. Beide verfügen auch über ganz unterschiedlich geschulte, hervorragende Gesangsstimmen: Rosenfeld ganz klassisch, Schuler mit facettenreicher Musical-Stimme. Daneben gab es lustige, trottelige Soldaten und Gefolgsleute: Jean-Pierre Cornu als Emmelines Vater, Jan Bluthardt und Werner Eng als Aurelius und Ablanact und der verfressene Guillamar von Simon Jensen.

Aber da war doch noch was. Ah ja, die Musik von Henry Purcell. Obwohl sie in dieser Semi-Opera bestimmt 50 % ausmacht, waren es in Zürich nur gefühlte 30 %, so stark dominierte die szenische Aktion, was nicht nur die Schuld des Regisseurs, sondern in dieser Art des damaligen britischen Theaters begründet ist, da die Hauptrollen eben Schauspielern anvertraut sind und die Sänger nur in den „Masques“ und Tableaus als Hirten, Götter, Faune, Sirenen usw. die eigentliche Handlung situieren oder kommentieren. Doch den Eindruck von Purcells Meisterschaft, den man an diesem Abend bekam, war überwältigend. Deanna Breiwick (Ehre, Cupido, Waldgeist, Nereide), Hamida Kristofferson (Priesterin, Eine Frau, Sirene, Schäferin), Anna Stéphany (Schäferin, Sirene Venus), Mauro Peter (Held, Schäfer), Spencer Lang (Priester, Geist, Waldgeist), Nicholas Scott (Priester, Geist, Waldgeist), Andrj Börn Robertsson (Priester, Ein Mann, Pan), Charles Dekeyser (Geist, Waldgeist) und Nahuel di Pierro (Kältegeist, Sturmgeist) gestalteten ihre unterschiedlichen Partien allesamt mit fantastischer Reinheit der Intonation, unverbrauchten und schlanken Stimmen, balsamischem Timbre und der einnehmenden Ausdrucksstärke des barocken Gesangs. Mélissa Petit und Hubert Wild hatten als Luftgeist Philidel und Erdgeist Grimbald neben den Sprechanteilen auch gewichtige Gesangspartien und reüssierten in beiden Bereichen. Besonders Hubert Wild, der Bariton und Counter zugleich ist, begeisterte mit seinem Sprechen im Falsett und seinem witzig dazu kontrastierenden Gesang als profunder Bariton. Die musikalische Leitung lag in den Händen eines Kenners der historischen Aufführungspraxis, Laurence Cummings, welcher mit dem hauseigenen, auf historischen Instrumenten spielenden Orchestra LA SCINTILLA einen traumhaft schönen Klangteppich ausbreitete und die Aktion auf der Bühne zusätzlich mit witzigen Geräuschen untermalte. Als am Ende dann auch noch der Dirigent selbst mit einer gesungenen Strophe in die Rondo-Schlussapotheose einstimmte und auch das Publikum zum Mitsingen zu animieren versuchte und alle auf der Bühne Fahnen schwenkten, fühlte man sich schon beinahe wie in der Royal Albert Hall bei der Last Night of the Proms. Davon hätte man sich den ganzen (nicht gerade kurzen) Abend hindurch mehr gewünscht, einen mutigeren Schritt hin zur subtilen Persiflage, zur frechen Offenbachiade. Denn schliesslich sind wir, das erwachsene Publikum, trotz aller nostalgischer Sehnsucht nach der „guten alten Zeit der Kindheit“, eben doch keine Kinder mehr und erwarten von einem dreistündigen Theaterabend schon etwas „Niveau“ ... .

Fazit: Erstaunlich viel und grosser Jubel (auch für den Regisseur, der für den Schlussapplaus aus dem Souffleurkasten gekrochen kam) für einen kurzweiligen Abend, der aber auch Gefahr lief, ins „Kindische“ zu kippen.

Inhalt:

Mit Hilfe des Zauberers Merlin hat der christliche König Arthur grosse Teile Britanniens zurückerobern können und hat die heidnischen Sachsen unter König Oswald in die Grafschaft Kent zurückgedrängt. Doch auch der Sachsenkönig vertraut auf die Hilfe magischer Kräfte, insbesondere auf Osmond und die Geister Grimbald und Philidel. Um die Entscheidungsschlacht zu gewinnen, will Oswald die Götter Wotan, Freia und Thor mittels Opfern gnädig stimmen. Die beiden Könige rivalisieren auch um die Gunst von Arthurs blinder Verlobten, Emmeline. Nach der gewonnenen Schlacht gelingt es Merlin, Philidel auf die Seite der Briten zu ziehen. Doch Grimbald führt die Briten als Hirte verkleidet in ein Moor. Philidel rettet Arthur und seine Krieger. Oswald jedoch raubt mit Hilfe Grimbalds und Osmonds Arthurs Verlobte Emmeline. Doch ihre Gunst gewinnt Oswald nicht. Er sucht vergebens, sie gefügig zu machen, indem er ihre eine „masque“ vorführt, ein allegorisches Spiel, das zeigt, wie die Liebe selbst ein „frostiges“ Wesen auftauen kann. Philidel kann Emmeline von ihrer Blindheit erlösen. Doch noch einmal schlägt Grimbald zu und führt Arthur in einen Zauberwald voller Sirenen und Nixen, um ihn zu verderben. Doch Philidel warnt König Arthur vor den drohenden Gefahren, auch vor dem von Grimbald evozierten Trugbild Emmelines. Den Briten Gelingt die Erstürmung der Burg Oswalds. In einem Zweikampf besiegt Arthur den Sachsenkönig. Endlich sind Arthur und Emmeline wieder vereint. In einer Apotheose werden Britannien, dessen Schutzpatron St. Georg, die Schätze der Natur und die Liebe gefeiert. Arthur schwört, den Briten ein würdiger König zu sein.

Werk:

Henry Purcell (1659 – 1695) begann seine musikalische Laufbahn als Chorist der Königlichen Hofkapelle, nach seinem Stimmbruch stieg er schnell vom Instrumentenwart über die Position des Orgelstimmers in der Westminster Abbey zum Hofkomponisten des königlichen Streichorchesters auf und wurde Nachfolger John Blows als Organist der Westminster Abbey. Nach seinem Tod dauerte es selbst in England lange (200 Jahre), bis er als zweiter grosser Komponist der englischen Barockzeit (neben Händel) anerkannt wurde. Eigentlich hat er nur eine vollständige Oper hinterlassen (DIDO UND AENEAS), seine anderen Bühnenwerke sind sogenannte Semi-Opern. Diese Gattung war ein Spezifikum der englischen Theaterszene, entstanden nach der Aufhebung des puritanischen Theaterbanns. Sie bestanden zur Hälfte aus Musik, zur anderen Hälfte aus Sprechtheater. Mit Hilfe der Musik konnte das verbotene Sprechtheater so überleben. Doch verhinderte diese Form lange Zeit die Entstehung einer eigentlichen britischen Oper, da einige Menschen zwar Theater sehen wollten, doch die Musik nicht mochten, den anderen waren die gesprochenen Dialoge viel zu langatmig. Die Musik und der Gesang war sowieso den Allegorien und den Nebenfiguren anvertraut, während die Hauptpersonen nur sprechen durften. Musikalisch jedoch sind diese Semi-Opern überaus reizvoll, mutig und klanglich überraschend. Aus KING ARTHUR ragt natürlich die „Frostszene“ ganz besonders heraus, diese lautmalerische Szene, in welcher Purcell seiner Zeit mit den quasi Vierteltonlinien weit voraus ist. Die Version dieses „Cold Song“ durch den New Wave Sänger und Countertenor Klaus Nomi machte diese Purcell Arie zu einem weltweiten Hit.

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