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Zürich: IL CORSARO, 22.11.2009

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Il Corsaro

Ein spektakuläres Bühnenbild, bravouröse sängerische Leistungen und eine bezwingende Konzeption des Regisseurs machen diesen CORSARO zu einem hinreissenden Opernabend, welcher restlos begeistert.

Oper in drei Akten

Musik: Giuseppe Verdi

Libretto : Francesco Maria Piave

Uraufführung: 25. Oktober 1848 in Triest

Schweizerische Erstaufführung

Aufführungen in Zürich: 22.11. | 24.11. | 26.11. | 28.11. | 1.12. | 3.12. | 6.12. | 29.12.2009 | 1.1.2010

Kritik:
Lange - allzu lange - hat man in Zürich auf eine rundum geglückte Verdi-Premiere warten müssen. Nun ist sie endlich da - und dies ausgerechnet mit einem Werk, welches viele Kritiker lange Zeit als mittelmässig abgeschrieben hatten, von welchem sich selbst der Komponist distanziert zu haben schien.
Verdi und sein Librettist haben sich in der Gestaltung des Dramas auf kurze, prägnante Szenen fokussiert. Somit blieb kaum Raum für differenzierte Charakterzeichnungen oder psychologische Entwicklungen, wie er sie in seinen reiferen Werken so meisterhaft darstellen konnte. Dies wirkt sich erschwerend auf die Umsetzung auf einer Bühne aus. Regisseur Damiano Michieletto siedelt das abenteuerliche Geschehen auf dramaturgisch schlüssige Art und Weise im Kopf des Dichters Byron an. Die kurzen Szenen wirken deshalb wie Traumsequenzen eines sich in seine eigenen Schriften hineinversetzenden romantischen Dichters, werden in eine effektvolle, sensationell bildgewaltige Sprache übersetzt. Durch die gigantische, schräg gestellte Spiegelwand, das den Ozean - und damit Trennung, Sturm und Drang - symbolisierende, die gesamte Bühne einnehmende Wasserbecken (Bühne: Paolo Fantin), die einmal mehr überragende, geradezu phänomenale Lichtgestaltung (Martin Gebhardt) und die das romantische Zeitalter stilisierenden Kostüme (Carla Teti) erhält der Abend eine flackernde, irisierende Prägung, eine beinahe albtraumhafte Spannung. Die aufwändige Bühnentechnik funktioniert reibungs- und vor allem erstaunlich lautlos, ein Riesenkompliment an die Werkstätten!


Vittorio Grigolo ist dieser an Don Quijote erinnernde Antiheld Corrado, der edle Lord Byron, der sich in jedes Abenteuer stürzt, für das Gute zu kämpfen glaubt und dann doch an seiner eigenen Feigheit im Grossen (Mord) wie im Kleinen (Liebe und Gefühl) scheitert. Er tut dies mit unglaublicher, strahlender Stimmkraft, meidet auch hochdramatische Ausbrüche nicht (Verzweiflungsanfall in der Kerkerszene) und trotz aller stimmlichen Potenz findet der Tenor immer wieder zu tragfähigem, kultiviertem Pianogesang. Klasse!


Gegensätzlich angelegt und äusserst stimmig besetzt sind die beiden in ihn verliebten Sopranistinnen: Einerseits die still und demütig liebende und leidende Medora, welche von Elena Mosuc mit blitzsauberen Fiorituren und samtweichem Tonansatz gesungen wird. Allein schon ihre mit wunderbar zart aufblühender Stimme interpretierte Romanze im ersten Akt ist ein Juwel. Sie macht im Verlauf des Abends keine Wandlung durch, liegt bei ihren beiden Auftritten auf dem grossen Bett, welches wie eine stille, in sich ruhende Insel ohne Ruder durch das aufgewühlte Wasser getrieben wird.


Andererseits ist da die Sklavin Gulnara; sie wird von Carmen Giannattasio mit dramatischerer, dunkler timbrierter Stimme, fulminanten Spitzentönen und herrlich geläufiger Kehle mit grandiosem Aplomb ausgestattet. Bereits ihr erster Auftritt innerhalb der an plastifizierte Spielzeugpuppen erinnernden Harmesdamen ist atemberaubend. Als einziger Figur billigt ihr Verdi eine Entwicklung zu. Sie zeigt ergreifend die Schattierungen dieser Frauengestalt, vom sanft intonierten Selbsmitleid in ihrer Auftritts-Cavatine bis zur leidenschaftlich Liebenden, von der Mörderin an ihrem Unterdrücker Pascha Seid zur am Schluss grossherzig Verzichtenden - eine Lady Macbeth mit Herz, welche trotz des Blutes an ihren Händen - das auch sie nicht wegkriegt - alle Sympathien gewinnt.


Der Bösewicht dieses Albtraums ist Pascha Seid. Der grosse Bariton Juan Pons stellt ihn mit wunderbarer Phrasierungskunst und leicht metallisch gefärbter Stimme dar. Überzeugend auch die Idee des Regisseurs, ihn zwar die hohlen, von religiösem Eifer geprägten Phrasen singen zu lassen, dabei aber die materielle Gier als eigentliche Triebfeder für sein Handeln in den Vordergrund zu stellen. So wird die Bigotterie des Grossindustriellen, der im zwischenmenschlichen wie im politischen Bereich nur den eigenen Vorteil sucht, herausgestrichen.


Aus dem Orchestergraben erklingen neben vielen, für den früheren Verdi charakteristischen Stereotypien, immer wieder wahre Preziosen: Da eine zauberhafte Kantilene der Klarinette oder der Oboe, dort eine traurig schöne, von Bratsche und Cello gespielte Einleitung (zum Beispiel zur Kerkerszene).
Eivind Gullberg Jensen und das herrlich satt spielende Orchester der Oper Zürich sowie der Chor der Oper Zürich verstanden es, sowohl diesen zarten Zwischentönen als auch den schmetternden, mitreissenden Rhythmen den ihnen gebührenden Raum zu geben.

Inhalt:

Corrado, ein Edler, der sich den Piraten angeschlossen hat, erfährt, dass die osmanische Flotte vor Griechenland geankert hat. Er beschliesst, mit seinen Getreuen gegen den muslimischen Anführer Pascha Seid zu kämpfen. Corrados Geliebte Medora versucht vergeblich, ihn zurückzuhalten.

Gulnara ist die Favoritin in Pascha Seids Harem, doch sie verabscheut ihn.

Corrado bittet als Derwisch verkleidet um Schutz bei Pascha Seid. Die Korsaren haben unterdessen Seids Flotte in Flammen gelegt, das Feuer droht auf den Harem überzugreifen. Der Spion wird erkannt. Im darauf folgenden Gemetzel rettet Corrado Gulnara aus dem Harem. Doch die Flucht misslingt, er wird gefangen genommen und zum Tode verurteilt. Gulnara fleht Seid vergebens um Gnade an.

Corrado sinniert über Medoras Unglück. Gulnara will ihm zur Flucht verhelfen, doch er weigert sich vorerst. Gulnara ersticht Pascha Seid. Nun flieht Corrado mit ihr.

Medora hat aus Verzweiflung über den vermeintlichen Tod Corrados Gift getrunken, um wenigstens im Tod mit ihm vereint zu sein. Da trifft das Schiff mit Corrado und Gulnara ein. Medora vermag noch Gulnara für die Rettung ihres Geliebten zu danken, dann stirbt sie in seinen Armen. Corrado stürzt sich von den Klippen ins Meer. Gulnara bricht zusammen.

Werk:

http://www.blogger.com/post-create.g?blogID=9096926180495855939IL CORSARO gehört zu den am seltensten aufgeführten Opern Verdis, sie stammt aus seinen so genannten „Galeerenjahren“, als er aus finanziellen Gründen pro Saison mindestens eine Oper zur Uraufführung bringen musste. Aus verschiedenen Gründen zog sich die Komposition jedoch in die Länge und Verdi hatte sich wohl innerlich bereits von dem Werk mit dem romantischen, aber auch abstrusen, auf Lord Byrons Gedicht THE CORSAIR basierenden, Libretto distanziert. Jedenfalls reiste er nicht zur Uraufführung nach Triest, die dann auch prompt ein Misserfolg wurde. Das Werk wurde bis heute kaum szenisch aufgeführt. Musikalisch jedoch weist es einige sehr schöne und für den frühen Verdi typische Einfälle auf: Dramatische Chorpassagen, fulminante Finali, stimmungsvolle Streichersoli, welche z.B. die Kerkerszene einleiten.

Fazit:

Unbedingt hörens- und sehenswert!!!

Musikalische Höhepunkte:
Si, de corsari il fulmine, Arie mit Chor, Corrado, Akt I
Non so le tetre immagini, Romanze der Medora, Akt I
Vola talor dal carcere...Ah conforto, Cavatina der Gulnara, Akt II
Salve, Allah, Seid mit Chor, Akt II
Resta ancora, Finale Akt II
Eccola...fingasi..Sia l'istante maledetto, Duett Gulnara-Seid, Akt III
Eccomi prigioniero, Kerkerszene Corrado-Gulnara, Akt III 
Per me infelice, Terzett Medora, Corrado, Gulnara und Finale Akt III

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