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Zürich, Hallenstadion: VIVA VERDI, 13.12.2012

Erstellt von Kaspar Sannemann | | VIVA Verdi

Bild: Habegger AG, mit freundlicher Genehmigung Fredy Burger Management

Musik: Giuseppe Verdi | Uraufführung dieser Show: 13.12.2012 in Zürich | Künstlerische Beratung: Lotfi Mansouri | Aufführungen in Zürich: 13. 12. | 14.12. und 15.12.2012

Kritik:

Die als „Spektakuläre Opernshow“ angekündigte Welturaufführung von VIVA VERDI (des 200. Geburtstags des italienischen Opernmeisters wird in der Musikszene 2013 weltweit gedacht werden) lässt sowohl den Opernliebhaber als auch den Laien etwas ratlos zurück. Denn erstens war von „spektakulär“ wenig zu sehen (geschweige denn zu hören!) und zweitens wurden auch Leute, welche bisher den Zugang zur Oper - noch – nicht gefunden hatten, mit dieser unmotivierten Abfolge von so genannten Highlights oder Wunschkonzertnummern nicht wirklich abgeholt, geschweige denn neugierig auf die Welt der Oper oder wenigstens die Welt Verdis gemacht. Die Produzenten verzichteten also auf einen Bogen, eine Geschichte, einen Einblick in die Musikdramen oder die Biographie des grossen italienischen Maestros. Stattdessen setzten sie auf eine beliebig scheinende Aneinanderreihung von Ouvertüren, Arien, kurzen Szenen. Auf eine Übertitelung wurde verzichtet, ebenso auf eine chronologische Abfolge, welche wenigstens die kompositorische Entwicklung des Komponisten veranschaulicht hätte. Über die unsäglich provinziell daherkommenden Choreographien, welche wohl als eine Art Showelement hätten dienen sollen, hüllt man besser den Mantel des Schweigens. Die als erhellend gedachten Projektionen verwirrten mehr, als dass sie Erleuchtung brachten. Zur Ouvertüre zu NABUCCO wurde in einer Art Bilderbuch ein Kurzabriss des Lebens von Giuseppe Verdi nachgezeichnet, vom kleinen Klavierschüler, über einen weinenden Mann (weshalb er weinte, wussten natürlich nur Kenner und sehr aufmerksame LeserInnen des schön gestalteten Programmhefts) zu zweiter Heirat und Landgut. Dass die Bilder wie aus einem Bilderbuch für Kleinkinder wirkten, hätte man vielleicht noch verschmerzen können. Dass man dann aber nach dem schnell erreichten Todesjahr (1901) nochmals 111 Jahre zu durchschreiten hatte und über Fidel Castro, Gandhi, 9-11 und Steve Jobs zu geklonten Schafen, Hotelbauten in den Arabischen Emiraten und Lady Di kam, war dann doch des Schlechten zu viel. Zwar konnte man sich am Spiel des Orchesters, der Camerata Schweiz unter dem mit grosser Sorgfalt in der Tempowahl dirigierenden Edoardo Müller, erfreuen. Doch war das Auge leider zu abgelenkt und die einen einheitlichen fortissimo Klang erzeugende elektro-akustische Verstärkung war einem ungetrübten Musikgenuss auch nicht gerade zuträglich. Denn Giuseppe Verdi war eben gerade nicht ein Komponist von Monumentalwerken, sondern bevorzugte psychologisch feinsinnig erfasste Seelendramen, welche von ihm meist mit beinahe kammermusikalischer Transparenz in Noten gesetzt wurden. Dass seine Opern dennoch gerade in Arena-Aufführungen grosse Popularität geniessen, liegt an wenigen, dafür um so imposanteren Massierungen, welche aber vollkommen ihre leidenschaftliche und mitreissende Wirkung verlieren, wenn in einer Show wie dieser alles in der selben, zu überdrehten, Lautstärke wiedergegeben wird. Das ist weder die Schuld des Orchesters noch des polternd wirkenden Chores (Akademischer Chor Zürich), sondern allein der aufwändigen Technik anzulasten. Dass es bei Grossevents auch anders geht, zeigen z.B. die St.Galler Festspiele auf dem Klosterhof immer wieder. Nachdem man sich also von Gorbatschow und Mutter Teresa erholt hatte, kam Noëmi Nadelmann mit einigen adretten Komparsen (Compañia Actoral Mexicana) auf die Bühne, Champagner wurde getrunken und das unverwüstliche Libiamo aus LA TRAVIATA vibratoreich interpretiert. Die grosse Szene und Arie der Violetta E 'strano wurde hingegen der jungen, mit ansprechender Stimme ausgestatteten Kanadierin Simone Osborne überlassen, da Nadelmann unterdessen ins etwas schwerere Fach gewechselt hat. Die einst an der Komischen Oper Berlin als Violetta zu Recht gefeierte Nadelmann sang im zweiten Teil nur noch die Arie Ritorna vincitor aus AÏDA, ziemlich angestrengt klingend und mit nicht immer ungetrübter Intonation aufwartend. Aufhorchen liess immerhin Mardi Byers in den Arien beider Leonoren (TROVATORE und FORZA DEL DESTINO), sowie im Finale des zweiten Aktes aus AÏDA. Gut anzuhören und mit überzeugenden Ansätzen zu stimmiger Gestaltung waren auch der Bassist Rubén Amoretti als Filipo aus DON CARLO, Tiziana Carraro als Azucena und Eboli und Seung Hwan Yun als Alfredo. Wobei es wie gesagt bei dieser Art der elektronischen Aussteuerung der Stimmen schwer fällt, eine Interpretation zu beurteilen, da nur schon dynamische Abstufungen praktisch vollkommen der Technik zum Opfer fielen. Nach der Schlussfuge aus FALSTAFF (alle Solistinnen und Solisten waren beteiligt – ausser Frau Nadelmann, mit deren Name ja gross Werbung betrieben worden war!) wurde noch der vergebliche Versuch unternommen, das Publikum zum Mitsingen des Gefangenenchors aus NABUCCO zu motivieren. Die Solisten standen in ihren üppigen, beinahe karnevalesken Roben auf der Laufsteg-artigen Bühne und damit vor dem hinter riesigen, semitransparenten Spiegelsegeln versteckten Chor. In welcher Funktion bei diesem Stück die Solisten eingesetzt wurden, bleibt ein Rätsel. Doch damit der Tiefpunkte nicht genug: Zum DIES IRAE aus dem Requiem wurden KZ-Bilder, Atompilze und Adolf H. projiziert (geschmackloser geht es kaum noch), nahtlos danach der Übergang zur Ouvertüre aus FORZA DEL DESTINO, wo Purzelbäume geschlagen wurden (die Abendunterhaltung des Turnvereins von Hintertupfingen liess grüssen ...). Zum GLORIA ALL'EGITTO wurden einige Opernhäuser und Porträts berühmter Sängerinnen und Sänger eingeblendet. Wozu? fragte man sich erneut.

Dass ein derart unsorgfältig zusammengeschusterter Abend breite Schichten wirklich zur Kunstform Oper führen wird, muss leider bezweifelt werden. Emotional kam einem keine der vielen Figuren näher, Leidenschaft sprang nicht über die Rampe. Für gleich viel oder weniger Geld könnte man sich eine Verdi-Oper in St. Gallen (RIGOLETTO ist sehr zu empfehlen), Luzern (da wird bald TRAVIATA gespielt), Basel (morgen Premiere von UN BALLO IN MASCHERA) oder im Opernhaus Zürich ansehen (ebenfalls UN BALLO IN MASCHERA und bald auch RIGOLETTO und LA TRAVIATA) und sich von einem wirklichen Drama bewegen, stimulieren und rühren lassen.

Fazit:

Enttäuschend praktisch auf der gesamten Linie: Weder war die Show spektakulär (oftmals sogar eher geradezu peinlich unbeholfen in den dürftigen Choreographien) noch gereichte sie musikalisch dem grandiosen Opernkomponisten zur Ehre. Die unausgefeilt ausgefallene elektronische Verstärkung von Solisten, Chor und Orchester liess Verdis Subtilitäten in einem metallisch-halligen, viel zu stark ausgesteuerten Einheitssound untergehen. Scheinbar zusammenhangslos aneinandergereihte Wunschkonzerthits, mit provinzieller Operngestik vorgetragen und einige üppige Karnevalskostüme reichen nicht aus, um die psychologisch differenziert komponierten Gefühslzustände von Verdis Figuren einem breiten Publikum nahe zu bringen.

Der Pressetext hingegen verspricht folgendes:

Eine eindrucksvolle Klassik-Show der Superlative feiert in Zürich ihre Welturaufführung. Anlässlich des 200. Geburtstages von Giuseppe Verdi im kommenden Jahr wird vom 13. bis 15. Dezember 2012 mit VIVA VERDI das Jubiläumsjahr im Hallenstadion eingeläutet – mit dabei als Stargäste: Noëmi Nadelmann, eine der erfolgreichsten Solistinnen der Schweiz, und die weltbekannte Amerikanerin Mardi Byers. Mit atemberaubenden Effekten und einer internationalen Top-Besetzung werden Verdis unsterbliche Melodien für ein heutiges Publikum spektakulär in Szene gesetzt. 

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