Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Zürich: FORELLENQUINTETT, Ballettabend, 28.02.2014

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Forellenquintett, Ballettabend II/2014

copyright: Bettina Stöss, mit freundlicher Genehmigung Opernhaus Zürich

Choreografien von Martin Schläpfer (Forellenquintett: Uraufführung 14.10.2010 in Düsseldorf | Douglas Lee (A-Life: Uraufführung: 8.2.2014 in Zürich) | Jiri Kylian (WINGS OF WAX: Uraufführung 23.1.1997 in Den Haag) Aufführungen in Zürich: 8.2. |14.2. | 28.2. | 23.3. | 30.3. | 4.4. | 3.6. | 10.6.2014, in Winterthur: 22.2. | 23.2. | 25.2. | 26.2.2014

Kritik:

 

Drei Choreografien – jede auf ihre Art faszinierend!

Der neue Ballettabend beginnt mit einer Uraufführung: Der freischaffende Brite Douglas Lee präsentiert A-LIFE (Artificial Life), ein Werk, zu welchem er auch das Bühnenbild und die Kostüme selbst geschaffen hat und es zu elektronischer Minimal Music von Bjarnson&Frost, Childs, Kline und Henne tanzen lässt.

Tief hängende Scheinwerfer innerhalb eines durch weisse Leinwände begrenzten Raumes werfen ein kaltes, unwirkliches Licht auf die Bühne. Ein Gruppe von Menschen in engen, anthrazitfarbenen Trikots bewegen sich befremdlich artifiziell, manchmal roboterhaft auf der Bühne. Die wenigen fliessend getanzten Einsprengsel müssen schnell wieder der Mechanik der Choreografie und der Musik weichen. Die Oberkörper sind oft abgewinkelt, die Finger gespreizt, die Bodenhaftung auf der flachen Sohle wird selten verlassen. Es entwickelt sich ein grossartiges Spiel mit Licht und Schatten, die mechanisch wirkenden Bewegungen sind fantastisch an die repetitive Musik angepasst. Aggressionen tauchen auf, werden wieder gedämpft, ein Ausbrechen aus dem Trott scheint kaum möglich. Ein geradezu bezwingend eindringlich getanzter pas de trois ist das zentrale Element des zweiten Teils. Eine Erstarrung folgt, die Gruppe übernimmt wieder, die abgehackten Bewegungen kommen in Einzeltänzen zu ihrem abrupten Ende. Toll!

Diese den Abend eröffnende, leicht skurril wirkende Choreografie wird von Juliette Brunner, Viktorina Kapitonova, Katja Wünsche, Cristian Alex Assis, Wei Chen, Ty Gurfein, William Moore und Filipe Portugal mit mirakulöser Präzision trefflich getanzt!

Als zweites Stück wurde Jiří Kyliáns WINGS OF WAX auf dem Jahre 1997 gewählt. Kylián liess sich von einem Gedicht W.H. Audens inpirieren (Musée des Beaux Arts), in dem der Dichter über Breughels Landschaft mit dem Sturz des Ikarus sinniert. Auf der von Michael Simon gestalteten Bühne mit dem Kopf stehenden Baum und der kreisenden Sonne (!) erleben wir zwar nicht den Sturz des Ikarus, doch wie auf Breughels Bild geht alles seinen ruhigen Lauf, obwohl die Welt eben Kopf steht. Der Tanz der vier Paare (Eva Dewaele, Ty Gurfein, Yen Han, Wei Chen, Viktorina Kapitonova, Filipe Portugal, Esther Pérez Samper, Jan Casier) wirkt bloss auf den ersten Blick unaufgeregt, entpuppt sich aber als in sehr komplexe Figuren verschlungene Bewegungssprache. Besonders eindrücklich gelingt die Szene, in welcher die Damen Skulpturen gleich auf der Bühne stehen, ihre Positionen nur leicht verändern und die Männer kraftvoll zwischen ihnen hindurch flitzen. Die Musik (mit der Passacaglia von Heinrich Ignaz Franz Biber, dem Stück für präpariertes Klavier von John Cage, dem Ausschnitt aus einem Streichquartett von Philipp Glass und dem Arrangement für Streichtrio der Variaton 25 aus den Goldberg Variationen von Bach) verbreitet eine ätherische Stimmung. In inniger, einsamer Umarmung eines Paares geht das Stück zu Ende.

Nach der zweiten Pause folgt dann das Werk des Schweizer Choreografen Martin Schläpfer: FORELLENQUINTETT. Dies ist das einzige Stück, bei dem an diesem Abend die Musik live gespielt wird, und zwar ganz hervorragend von Sarah Tyson (Klavier), Ada Pesch (Violine), Karen Opengroth (Viola), Claudius Herrmann (Violoncello), Dariusz Mizera (Kontrabass). Die flirrende Bühne mit der genialen Lichtgestaltung (Franz-Xaver Schaffer) und die bunten Trikots für die „Forellen“ und die in Schwarz- und Grauschlieren gehaltenen für die „Fischer“ hat Keso Dekker geschaffen. Schläpfer ist eine von feinem Humor (der running gag der Gummistiefel und die Szene mit dem Rotwein!) und zarter Melancholie geprägte tänzerische Umsetzung von Schuberts Quintett gelungen: Aus den Lautsprechern erklingt zu Beginn Don't be shy von The Libertines, ein Tänzerin hört zu, verdreht und verrenkt ihren Körper dazu. Doch dann verwandelt sich zur Musik Schuberts die Bühne in eine Art Fluss, verzückt setzen die Tänze ein, traumhaft präzise die Synchronizität der Gruppentänze, witzig und schön die Soli, mit ihrem Mix aus klassischem Spitzentanz und fantasievoll eingesetztem Bewegungsrepertoire aus zeitgenössischem Tanz. Geschmeidig, schlangen- und lurchartig schleichen sich die Tänzer über die Bühne, zappeln als gefangene Forellen, erweichen das Herz. Herausragend aus dem starken Ensemble sind Arman Grigoryan und Cristian Alex Assis, welcher im vierten Satz (Thema mit Variationen) Kraft, Überheblichkeit, Selbstüberschätzung und Empathie wunderbar zu verbinden vermag! Schläpfer hat auch den Mut, über lange Zeit bloss die Musik (es ist halt schon ein Unterschied, ob diese ab Konserve erklingt oder live gespielt wird!) wirken zu lassen und nicht auf übertriebenen Aktionismus auf der Bühne zu setzen. So geht der vielseitige Ballettabend mit einer gekonnten Mischung aus Erotik (vieles erinnert an einen Sommernachtstraum) und einfühlsam umgesetzter Poesie zu Ende. Wunderbar!

 

Karten

Zurück