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Zürich: DAS PARADIES UND DIE PERI, 07.07.2013

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Das Paradies und die Peri

Weltliches Oratorium | Musik: Robert Schumann | Libretto: Emil Flechsig und Robert Schumann, nach dem Orient Epos Lalla Rookh von Thomas Moore | Uraufführung: 4. Dezember 1843 in Leipzig | Aufführung in Zürich, Tonhalle: 7. Juli 2013 | Philharmonia Zürich, Leitung: Fabio Luisi, mit Julia Kleiter, Sen Guo, Wiebke Lehmkuhl, Anna Stéphany, Maximilian Schmitt, Fabio Trümpy, Ruben Drole, Bettina Schneebeli

Kritik:

Robert Schumann, der erfolgreiche Komponist unzähliger Lieder, Klavierstücke und Kammermusik, sei kein Musikdramatiker gewesen und habe sich auch wenig auf die Orchestrierung verstanden, wird leider immer noch allzu oft kolportiert. Dass dem nicht so ist, versuchten die Dirigenten Fabio Luisi und Marc Albrecht mit der Philharmonia Zürich in der vergangenen Konzertsaison des Opernhausorchesters mit dem Schwerpunkt auf den Werken des deutschen Romantikers zu beweisen. Den krönenden Abschluss dieser Konzerte bildete nun heute die Aufführung des (viel zu selten aufgeführten) weltlichen Oratoriums DAS PARADIES UND DIE PERI in der Tonhalle Zürich. Man kam aus dem Staunen nicht heraus: Was für eine – auch wenn es ein so genannt weltliches Oratorium ist – göttliche, hoch spannende und ungemein fesselnde Musik in einer Wiedergabe durch alle Beteiligten, welche keine Wünsche offen liess. Zu der exzellent aufspielenden Philharmonia Zürich gesellten sich ein herausragendes Oktett von Sängerinnen und Sängern (mit Ausnahme des Tenors Maximilian Schmitt allesamt Ensemblemitglieder des Opernhauses Zürich) und der Chor, Zusatzchor und die SoprAlti der Oper Zürich (Einstudierung: Jürg Hämmerli). Fabio Luisi schien die Aufführung dieses grandiosen Werkes eine echte Herzensangelegenheit gewesen zu sein. Mit grosser Übersicht, sorgfältiger Zeichengebung, vorwärtsdrängenden, akkuraten Tempi und erzählerischer, differenziert ausmusizierter Gestaltungskraft spannte er die Bögen über die drei Teile dieses Dramas, das trotz stellenweiser Opernhaftigkeit den Untertitel „Oratorium“ verdient. Nach einer kurzen Einleitung mit wunderbar weich fliessend absteigenden Kantilenen der Streicher erhob die Altistin Wiebke Lehmkuhl mit prachtvollem, sattem Klang ihre Stimme (Vor Edens Tor im Morgengrauen) und berichtete von der Ankunft der Peri an den Pforten zum Paradies. Mit einer leuchtenden Sopranstimme, in der Jubel, Freude und Hoffnung schwangen, sang Julia Kleiter als Peri ihre erste Arie. Diese herrlichen, makellos reinen Aufschwünge setzten sich im Verlauf des Werkes fort – Frau Kleiter besitzt wahrlich eine Stimme, der man den Einzug ins Paradies nicht verwehren darf. Dass dies nicht gleich beim ersten Versuch gelingt, ist ein Glücksfall, denn so kommt man in den Genuss des Gesanges dieser Sopranistin, welche vielerlei Emotionen durchschreiten muss, von Mitleid, Trauer (berührend das Grablied am Ende des zweiten Teils), Entsetzen, Enttäuschung bis zum fantastisch crescendierenden finalen, an Carl Maria von Weber gemahnenden Jubel, als sie endlich in Edens Garten aufgenommen wird. Ihre parabelhaften Prüfungen führen die Peri zu diversen Begegnungen: Als ersten trifft sie den gnadenlosen Herrscher Gazna, den Ruben Drole mit kernig-virilem, provozierend forderndem und klang-gewaltigem Bariton sang. In dieser Rolle schien er sich stimmlich wohler zu fühlen als bei den zarten, hohen Einsätzen, welche im Bariton Solo und im Quartett des dritten Teils (O heil'ge Tränen) gefordert waren. Fabio Trümpy war sowohl der mutige Jüngling des ersten Teils als auch der an der Pest dahinsiechende, weich intonierende Jüngling im zweiten Teil. Die Jungfrau und Braut, welche ihm in seinen letzten Lebensmomenten Trost spendend zur Seite eilt, gestaltete Sen Guo mit wunderschönem, lichtem Timbre und präziser Agilität. Balsamischen Trost spendete auch der samt golden gefärbte Mezzosopran von Anna Stéphany (Verlassener Jüngling). Immer wieder setzt Schumann diese Stimmen in unterschiedlicher Zusammensetzung als Quartett ein. Neben den erwähnten Sängerinnen und Sängern kam Bettina Schneebeli im Quartett der vier Peri zu einem schönen Auftritt. Schumann hat neben der eindrücklichen musikalischen Malerei der Stimmungen auch Wert auf fliessende Übergänge gelegt, so dass das Werk wie aus einem Guss daherkommt und nur in den überaus wirkungsintensiven Finali Zäsuren enthält. Dass diese Übergänge dermassen überzeugend und schlüssig gelangen, ist jedoch auch das Verdienst des Erzählers, der - gleich einem Evangelisten in einem geistlichen Oratorium - mit liedhaft melodischen accompagnati die Handlung kommentiert und vorantreibt. Mit dem strahlend hellen und doch leicht geführten Tenor von Maximilian Schmitt (der im Timbre und der ausdrucksstarken Artikulation an den jungen Peter Schreier erinnert) erlebte man eine Besetzung dieser Rolle, wie man sie sich nicht eindrücklicher wünschen könnte. Zu Recht wurde in den begeisterten Schlussapplaus immer wieder der Chor miteinbezogen, welcher seine dankbaren Aufgaben mit überwältigender Bravour, Wucht im martialisch geprägten Finale I, rhythmischer Prägnanz in den tänzerischen Passagen des dritten Teils und erlösender Klangpracht im Schlussgesang gestaltete, einem Schlussgesang, welcher nicht nur der Peri, sondern auch dem Publikum im Saal eine überquellende Freude des Herzens bescherte.

Inhalt und Werk:

Die Peri (persisch für Fee) ist das Kind eines gefallenen Engels und einer Sterblichen. Sie versucht ins Paradies zurückzukehren, von dem sie aufgrund ihrer Herkunft ausgeschlossen wurde. Doch ihre Opfergaben (der letzte Blutstropfen eines Freiheitskämpfers und der letzte Seufzer einer sterbenden Jungfrau) werden von dem Wächter an der Pforte zum Paradies nicht anerkannt. Erst mit den Tränen eines reuigen Verbrechers erreicht die Peri ihr Ziel.

Der sich an romantischen – mit orientalischen Ingredienzien angereicherten - Erlösungsgedanken orientierende Text und die zarte, einfühlsame Melodieführung durch den Komponisten bescherten dem Werk nach der Uraufführung einen beachtenswerten Erfolg. Zur Zeit des ersten Weltkriegs und während der Nazizeit wurde das Oratorium verschiedentlich umgestellt und die vehementer orchestrierten Intermezzi wurden für agitatorische Zwecke missbraucht. Nach dem zweiten Weltkrieg würde Schumanns Oratorium nur noch selten aufgeführt.

Karten

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