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Zürich: DAS LIED VON DER ERDE u. SINFONIE 103, 14.12.2014

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Das Lied von der Erde

Applaus-Bilder: K. Sannemann; Cornelius Meister und Philharmonia Zürich

Joseph Haydn: Sinfonie Nr.103 in Es-Dur | Uraufführung: 2. März 1795 in London | Gustav Mahler: Das Lied von der Erde | Uraufführung: 20. November 1911 in München (posthum) | Aufführung in Zürich: 14.12.2014

Kritik: 

Haydn und Mahler – ein Kombination, welche auf den ersten Blick etwas gewagt erscheint und doch beim genaueren Reflektieren Sinn macht. Von beiden Komponisten wählte Cornelius Meister für sein Philharmonisches Konzert gestern Abend im Opernhaus Zürich ein Werk aus der späten Schaffensphase. Von Haydn eine der Londoner Sinfonien, die Nr. 103, in welcher der Komponist am Ende des 18. Jahrhunderts die Tür in Richtung Romantik vor allem im zweiten Satz schon weit öffnete, von Mahler sein wohl persönlichstes Werk, DAS LIED VON DER ERDE, welches gut 100 Jahre später entstand,  nicht mehr eindeutig einer Gattung zuzuordnen ist und mit der ausgeweiteten Chromatik an den Rand der Tonalität gerät und somit ebenfalls Türen zur Entwicklung der Musiksprache öffnete.

Cornelius Meister, welcher eben erst am Opernhaus mit der ZAUBERFLÖTE einen grossen Erfolg feiern konnte, dirigierte auch die Haydn-Sinfonie auswendig. Mit seiner plastisch gestaltenden Gestik gelang es ihm, die hervorragend aufspielende Philharmonia Zürich zu einer energiegeladenen Wiedergabe zu führen. Genau ausgehorcht gesetzte Akzente betonten Haydns Meisterschaft der überraschend modulierten thematischen Verarbeitung des motivischen Materials. Mit einem prägnanten Paukenwirbel setzte der erste Satz ein. Dieser Paukenwirbel (welcher der Sinfonie zu ihrem Beinamen verhalf) wurde vor dem Adagio-Teil dieses Satzes noch einmal wiederholt, doch nun hörte er sich wie ein fernes Grollen an und frisch und erleichtert kam der Kopfsatz zu seinem Ende. Ein zögerliches Vorwärtsschreiten charakterisierte den zweiten Satz, das Andante. Die Streicher liessen mit blitzsauberem Spiel aufhorchen. Mit zunehmendem Mut wurde vorangeschritten, und wiederum fielen die präziser herausgearbeiteten Modulationen auf. Aufmerksam lauschte man der Oboe, dem Ping-Pong von erster zu zweiter Violine und der wunderschön gespielten Passage für Solovioline, welche der Konzertmeister Bartlomiej Niziol so berührend intonierte. Cornelius Meister hielt den Spannungsbogen aufrecht, rutschte nie in reine Gefälligkeit ab, schälte die Stimmungswechsel klar heraus. Witzig erklangen die „Hemmer“ der Bläser, welche im dritten Satz das Tänzerische wirkungsvoll unterbrachen. Mit sprühendem Esprit gelangen die chiaroscuro – Wirkungen des Finalsatzes.

Nach der Pause dann stürzte sich die Philharmonia Zürich in Grossbesetzung mit einem WOW-Beginn in die fanfarenartigen ersten Takte von Mahlers LIED VON DER ERDE. Dem Tenor Stuart Skelton gehörte der erste solistische Auftritt, danach wechselten sich die Altistin Elisabeth Kulman und er in den Liedern ab. Skelton schien leicht angeschlagen zu sein, nicht alle Passagen dieser schwierigen Partie gelangen nach Wunsch (gefordert ist ein durchschlagkräftiges, heldisches Timbre, gepaart mit der lyrischen Biegsamkeit eines Operettentenors; deshalb war für mich René Kollo ein idealer Interpret). Neben wirklich fulminanten Spitzentönen brach die Stimme auch ab und an leicht weg und die Diktion wirkte verschwommen. Elisabeth Kulman vermochte mit ihrem ungemein satten, fantastisch fokussierten Alt zu begeistern. Über dem zarten instrumentalen Teppich, welchen ihr Meister und das Orchester auslegten, erhob sich ihre Stimme mit melancholisch gefärbtem Wohlklang.  Liebliche Naturschilderungen des Orchesters vereinten sich mit der reichen Ausdruckspalette der Sängerin zu bewegenden Momenten, jeder Farbtupfer sass perfekt, die traurig-elegische Wirkung dieser „Sinfonie“ kulminierte im überlangen sechsten Teil, mit DER ABSCHIED übertitelt, in welchem es sowohl den Musikern als auch der Sängerin herausragend gelang, den erlangten „inneren Frieden“ zu evozieren – bewegend ins tröstliche Nichts verklingend. Nach einigen Momenten wohltuender Stille durften die Beteiligten den dankbaren und herzlichen Applaus des Publikums entgegennehmen.

Werke:

Mahler: DAS LIED VON DER ERDE

Als textliche Basis und inhaltliche Inspiration benutzte Gustav Mahler Hans Bethges Sammlung chinesischer Lyrik „Die chinesische Flöte“. Mahler, zur Zeit der Komposition in einer schweren, persönlichen Lebenskrise, schuf mit dieser Sinfonie für Altstimme, Tenor und grosses Orchester ein ungeheuer ergreifendes Werk voller Resignation, Todesahnung und Trauer, doch immer wieder scheint auch Utopisches durch, was könnte noch möglich sein, den Durst nach dem Leben zu löschen? An den Dirigenten Bruno Walter schrieb der Komponist 1908: „ Mir war eine schöne Zeit beschieden und ich glaube, dass es wohl das Persönlichste ist, was ich bis jetzt gemacht habe.“ Bruno Walter war es auch, der das Werk gut sechs Monate nach Mahlers Tod zur posthumen Uraufführung brachte (20. November 1911 in München)

Obwohl sich DAS LIED VON DER ERDE immer grosser Publikumsgunst erfreute, ist es kompositorisch weit in die Zukunft weisend, mit Tonalitätsssprengendem und vor allem im letzten Lied „Abschied“ mit auskomponierter „Leere“ Verstörendem. So steht denn auch über den letzten Takten der Partitur „gänzlich ersterbend“.


Haydn: SINFONIE 103 in Es-Dur


Nicht weniger als 107 Sinfonien aus der Feder Joseph Haydns sind bis heute bekannt. Die berühmte und populäre Sinfonie Nr. 103 ist auch unter ihrem Zusatz „mit dem Paukenwirbel“ weit über die Reihen der eingefleischten Klassikfans hinaus berühmt geworden. Sie gehört zu den so genannten Londoner Sinfonien, welche „Papa Haydn“, wie er liebevoll genannt wurde, im Rahmen seiner zweiten Reise nach London im Jahre 1795 schrieb. Den Beinamen ( er stammt übrigens nicht vom Komponisten selbst) erhielt diese Sinfonie wegen ihres für die damalige Zeit sehr ungewöhnlichen Beginns, in welchem die Pauke solistisch auf einer Fermate beginnt. Das viersätzige Werk besticht durch seine Verwendung von religiösen Motiven (eine Art DIES IRAE als Adagio-Einleitung im ersten Satz), volksliedhaften Kantilenen aus Osteuropa (zweiter Satz) und Österreich (dritter Satz), immer wieder kombiniert Haydn diese Anklänge an die Volksmusik mit marschartig gehaltenen Einschüben. Die Sinfonie schliesst mit einem Allegro con spirito, in welchem besonders auf die raffiniert gestaltete Durchführung geachtet werden sollte. Haydn arbeitet in dieser Sinfonie bewusst mit Stimmungsmalereien und einer ausgeklügelten Beherrschung der Klangfarben und weist damit schon weit in die Romantik voraus.

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