Winterthur: LA GROTTA DI TROFONIO, 02.09.2009
Opernhaus Zürich - zur Saisoneröffnung in Winterthur
La Grotta di Trofonio
Opera comica in zwei Akten
Musik: Antonio Salieri
Text: Giovanni Battista Casti
Uraufführung: 12. Oktober 1785 im Burgtheater Wien
Aufführungen in Winterthur: 2.9. | 3.9. | 5.9. und 6.9.09
Kritik:
Das Ohr konnte sich an mancherlei Preziosen erfreuen an diesem Abend im Theater Winterthur: Ein exquisites, virtuoses Sängerensemble bot Arien, Duette und Quartette mit grossem Reichtum an Klangfarben dar. Das Musikkollegium Winterthur (mit Jeffrey Smith am Hammerflügel) unter seinem neuen Chef Douglas Boyd zeigte bereits in der fulminant gestalteten Ouvertüre seine Klasse und unterstrich diese im Verlauf des Abends mit der einfühlsamen aber auch durchaus eigenständigen Begleitung der Sängerinnen und Sänger (hervorragende Leistungen der Bläser liessen aufhorchen). Isabel Rey als lebenslustige Dori hat endlich wieder einmal eine Rolle erhalten, die auf sie zugeschnitten scheint und bei der sie ihr grosses komödiantisches Talent und ihre Gesangskultur voll ausspielen konnte. Ihre umwerfendste Szene als enttäuschte Betrunkene hatte sie zu Beginn des zweiten Aktes. Das war eine Klasseleistung. Serena Malfis Debüt auf der Bühne hatte Ereignischarakter. Hier reift eine wunderbare Mezzosopranisten heran, eine kräftige und doch samtene Stimme paart sich mit schauspielerischem Talent. Die Opernfreunde dürfen sich auf ihre Rosina in Rossinis Barbier im Dezember auf der Zürcher Bühne freuen.
Aber auch die vier Männer wussten zu überzeugen: László Polgár war ein markant witziger Trofonio, Gabriel Bermúdez verlieh dem Plistene mit seinem angenehm weich und sauber klingenden Bariton und dem umwerfenden Spiel grosse Präsenz, Davide Fersini als Vater der beiden Damen gestaltete seine Partie mit viel Augenzwinkern und Humor und last but bei weitem nicht least Kresimir Spicer, der in seinen schwierigen Arien mit seinem bruchlos und differenziert geführten Tenor Begeisterungsstürme auslöste.
Und doch: Stellenweise zog sich der Abend etwas zäh dahin. Das lag daran, dass der Regisseur Mario Pontiggia das Werk (zu) ernst genommen und wenig hinein interpretiert hatte. Gerade diesem Stück hätte aber eine frechere Interpretation nicht geschadet. So wirkte alles zwar niedlich, nett, war begrenzt lustig und hübsch anzuschauen, aber insgesamt zu brav. Selbst die witzigen Running Gags, die zu Beginn zu beobachten waren, wurden in der Folge nicht konsequent weitergeführt.
Der Beginn des zweiten Aktes begann mit etwas mehr Pfiff, doch schon bald breitete sich wieder eine gewisse Langeweile und einschläfernde Betulichkeit aus. Nicht ganz unschuldig daran ist bestimmt auch das zu geschwätzig gehaltene Libretto Castis.
Aber insgesamt: Lohnenswert, vor allem wegen der hervorragenden musikalischen Umsetzung.
Inhalt:
Die ungleichen Zwillinge Ophelia (ernst) und Dori (lebenslustig) haben sich mit ihnen wesensverwandten Männern verlobt. Ophelia mit dem seriösen Artemidor und Dori mit dem fröhlichen Plistenes. Die beiden Männer haben nun beim Zauberer Trofonio Rat geholt und kommen völlig verändert zu ihren Geliebten zurück. Artemidor ist nun der gesellige Typ, während Plistenes sehr introvertiert und nachdenklich wirkt. Den beiden Schwestern gefallen diese Gemütsveränderungen überhaupt nicht. Sie blasen die geplante Vermählung ab und suchen ebenfalls Rat bei Trofonio. Doch auch sie kehren völlig verändert zurück. Dori wirkt nun grüblerisch und Ophelia erfreut sich an Belanglosigkeiten. Nun wenden sich auch die beiden Männer von ihren Geliebten ab. Ein heilloses Durcheinander entsteht. Der Vater der beiden Zwillinge, Aristos, bittet den Zauberer, alles wieder in Ordnung zu bringen. Trofonio – obwohl er an seinem Spiel mit den Liebenden einen Riesenspass gehabt hat – gibt den Paaren ihren eigentlichen Charakter zurück. Dem Happyend steht nichts mehr im Wege.
Komponist und Werk:
Das Gerücht, Salieri habe seinen berühmten Kollegen Mozart vergiftet, hält sich hartnäckig, obwohl keine Beweise oder Anhaltspunkte dafür existieren. Puschkins Novelle (Mozart und Salieri, 1830) oder in jüngerer Zeit Peter Shaffers Theaterstück AMADEUS und die daraus entstandene Verfilmung haben dazu beigetragen, Salieris Ruf zu ruinieren. Immer wieder wurden in jüngster Zeit Versuche gemacht, seinen Ruf als Komponist zu rehabilitieren (Cecilia Bartoli und Diana Damrau mit ihren Solo-Alben, die Mailänder Scala mit L'EUROPA RICONOSCIUTA oder das Opernhaus Zürich vor sechs Jahren ebenfalls in Winterhur mit AXUR, RE D`Ormus). Angesichts von Mozarts Genius haben es Salieris Opern schwer, sich auf den Bühnen durchzusetzen. LA GROTTA DI TROFONIO war zunächst ein grosser Erfolg beim Publikum beschieden. Salieri schrieb eine feinsinnige, farbenreiche Musik zu Castis stellenweise satirischem Text. Besonders die musikalische Charakterisierungskunst des Komponisten verdient Beachtung. Wer genau hinhört, wird musikalische Wendungen entdecken, welche ihm bekannt vorkommen.
Aber aufgepasst: Salieris Werk erschien VOR Mozarts drei da Ponte Opern. Also hat der Mozart sich keineswegs gescheut, bei seinem Rivalen abzukupfern. Auch inhaltlich kommt einem der Plot doch sehr bekannt vor ... Mozart/da Ponte haben das Thema in COSÌ FAN TUTTE aufgenommen. In allen Operntexten Castis trifft man auf satirische Elemente, in La Grotta di Trofonio wird vor allem auf die zur Entstehungszeit besonders grassierende Furcht vor Übersinnlichem angespielt. Salieri antwortet auf die sprachlich gewandte, aber etwas schablonenhaft wirkende Vorlage Castis mit einer ausgesprochen feinsinnigen, farbenreichen Musik, die einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung musikalischer Charakterzeichnung der Protagonisten leistet. Besonders der ausgeklügelte Einsatz der Holzbläser ist bemerkenswert (zum Beispiel eine nur von zwei Englischhörnern und Fagott begleitete Cavatine). Zur ironisierten Schilderung des Übersinnlichen setzt Salieri aparte Orchesterfarben (zum Beispiel im Tritonus gestimmte Pauken) und einen hinter der Szene singenden Männerchor (Coro di spirti dentro la grotta) ein.
LA GROTTA DI TROFONIO erfreute sich nach der Uraufführung grosser Beliebtheit, trat später jedoch hinter die Werke Mozarts zurück. Das Opernhaus Zürich produziert diese Aufführung als Koproduktion mit der Oper Las Palmas, Gran Canaria.