St.Gallen: DIE LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN, 21.09.2024
Prokofjews witzige, bizarr-groteske und fantastisch orchestrierte Oper unter der Leitung von Modestas Pitrenas, inszeniert von Anna Bernreitner
Oper in vier Akten | Musik: Sergej Prokofiew | Libretto: vom Komponisten und in Zusammenarbeit mit der Sopranistin Véra Janocopulos, nach Gozzis Märchenspiel L'AMORE DELLE TRE MELARANCE in der Fassung von Wsewold Meyerhold | Uraufführung: 30. Dezember 1921 in Chicago | Aufführungen in St.Gallen: 21.9. | 24.9. | 29.9. | 20.10. | 5.11. | 29.11. | 1.12. | 6.12. | 8.12.2014
Kritik: folgt am 22.9. ab 15 Uhr an dieser Stelle
Werk:
Sergej Prokofiew (1891-1953) wurde als Achtjähriger von seiner Mutter erstmals ins Bolschoi-Theater Moskau mitgenommen, wo er Gounods FAUST, Borodins FÜRST IGOR und Tschaikowskis Ballett DORNRÖSCHEN sah. Nach diesem Aufenthalt in Moskau erklärte er: “Mama, ich möchte eine Oper schreiben!” Von seinen insgesamt acht Opern wurden nur vier zur Lebzeit des Komponisten uraufgeführt, zwei davon überlebten die Uraufführung nicht, die restlichen vier Opern wurden erst nach Prokofjews Tod vollständig uraufgeführt. Schuld an diesem Missstand sind vor allem die politischen Verwerfungen, welche die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts prägten: Erst die Russische Revolution, Prokofjews Aufenthalte in den USA (1918-1920) und in Frankreich und kurzzeitig auch in Deutschland, die freiwillige Rückkehr in die unter Stalins Gewaltherrschaft stehende Sowjetunion (1936 bis zu seinem Tod). Es folgte dort die Verunglimpfung durch den kulturpolitischen Führungsanspruch (und damit verbundenen Terror) der kommunistischen Partei. Zu Prokofjews Lebzeiten fand lediglich seine Oper DIE LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN Einzug ins weltweite Repertoire. Seit Mitte der Fünfigerjahre jedoch erfahren auch die restlichen Opern des Komponisten zunehmend Beachtung: So DER SPIELER (nach Dostojewski), DER FEURIGE ENGEL, DIE VERLOBUNG IM KLOSTER und sein Mammutwerk KRIEG UND FRIEDEN (nach Tolstoj).
In DIE LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN spiegelt sich - trotz der Anlehnung an Gozzis Commedia dell'arte aus dem 18. Jahrhundert - auch die Entstehungszeit wieder, die Aufbruchsstimmung nach dem ersten Weltkrieg, die Hinwendung zum Grotesken, zum Abstrakten, zum Absurden (Strömung des Dadaismus), aber auch zur komplexen Erzählweise, die Prokofiew ganz besonders gereizt hat. Diese Oper ist noch weit entfernt vom “Sozialistischen Realismus”, dem er sich z.T. nach seiner Rückkehr in die Sowejtunion zu unterwerfen hatte.
Inhalt:
Die Oper enthält drei ineinander verschachtelte Handlungsebenen: Im Prolog streiten sich die Anhänger der Tragödien mit den Liebhabern des lyrischen Dramas und mit den hohlköpfigen Verfechtern des “Spasstheaters”. Auch im Verlauf der Oper mischen sich diese Gruppen immer wieder mehr oder weniger erfolgreich in die Handlung ein. Die zweite Ebene stellt die höfische Gesellschaft der Oberwelt dar. Der König Treff fürchtet um die psychische Verfassung des Prinzen, der von einer Melancholie besessen ist, die ihn regierungunfähig macht. Somit könnte der Thron an die ehrgeizige Cousine Clarice fallen, die mit dem Minister Leander zusammen intrigiert, um an die Macht zu gelangen. Geheilt werden könnte der melancholische Prinz durch Truffaldino, den Spassmacher vom Dienst. Aber nun haben auch noch phantastische Gestalten aus der Unterwelt (dritte Ebene) ihre Hände im Spiel: Für Clarice und Leander kämpft die böse Fee Fata Morgana mit ihren kleinen Teufeln, für Truffaldino und den Prinzen setzt sich der Magier Celio ein. Als Truffaldino die böse Fee mit einem Fustritt rausbefördert, kann der Prinz endlich lachen (ha-ha-ha haaa, wie das Schicksalsmotiv aus Beethovens 5. Sinfonie). Fata Morgana aber rächt sich mit einem Fluch: Der Prinz muss sich in drei Orangen verlieben. Zusammen mit Truffaldino begibt er sich auf die Reise: Sie finden die drei Orangen in der Küche eines vewunschenen Schlosses, wo sie von einer bösartigen Köchin bewacht werden (tiefer Bass!). Truffaldiono lenkt die Köchin ab und der Prinz schnappt sich die drei Orangen. Auf der Flucht kommen der Prinz und Truffaldino in die Wüste. Sie haben Durst. Die Orangen sind unterdessen auf Mannesgrösse angeschwollen. Sie öffnen die drei Orangen. Drei verzauberte Prinzessinnen entsteigen den Früchten, zwei davon verdursten auf der Stelle. Die dritte, Linetta (nach Prokofjews damaliger Gattin, der Sopranistin Lina Llubera, benannt) wird von den Hohlköpfen gerettet, die ihr einen Eimer Wasser bringen. Der Prinz verliebt sich natürlich in die Schöne, will ihr neue Kleider holen. In der Zwischenzeit verwandelt Fata Morgana Linetta in eine Ratte und schmuggelt die schwarze Smeraldina in die Rolle der Linetta. Zurück am Hofe besteht jedoch der König darauf, dass sich der Prinz mit Smeraldina vereheliche. Celio streitet sich erneut mit Fata Morgana, die den Kampf wiederum für sich entscheidet. Erneut müssen die lächerlichen Hohlköpfe in die Handlung eingreifen. Sie lassen Fata Morgana in einen Turm sperren. Celio vermag es nun, die Ratte in Linetta zurückzuverwandeln. Die “Bösen” Clarice, Leander und Smeraldina werden zum Tode verurteilt, doch Fata Morgana kann aus dem Turm entweichen und zieht ihre Schützlinge in die Tiefen des Bühnenodens. Der Hochzeit des Prinzen steht somit nichts mehr im Wege.