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St.Gallen: DIE FLEDERMAUS, 18.12.2010

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Die Fledermaus

copyright: Tanja Dorendorf T+T Fotografie, mit freundlicher Genehmigung Theater St.Gllen

Operette in drei Akten |

Musik: Johann Strauss (1825-1899) |

Text: Richard Genée |

Uraufführung: 5. April 1874, Theater an der Wien, Wien |

Aufführungen in St.Gallen: 18.12. |21.12. |28.12. |31.12.2010 | 9.1. | 13.1. | 15.1. 25.1. | 8.2. | 14.2. | 11.3. |19.3. | 10.4. | 27.4.| 29.4. | 25.5. | 6.6. | 9.6.2011

Kritik:

Wer könnte schon widerstehen, wenn ein gutaussehender Tenor (Derek Taylor) mit schmachtender Stimme singt „ … stille mein Verlangen?“ Die verheiratete Rosalinde (Christiane Boesiger) jedenfalls kann es nicht, obwohl sie sich vordergründig (noch) dagegen sträubt. Und so stillen denn die Protagonisten ein wenig ihr erotisches Verlangen (und vor allem ihr Verlangen nach Alkohol) in dieser Königin der Operette, Johann Strauss' unverwüstlicher FLEDERMAUS. Denn Regisseur Hansjörg Hack betonte in seiner Neuinszenierung des Klassikers eher die trunkenen Seiten des Werks, während er die erotischen Komponenten etwas stiefmütterlich-bieder behandelte. Die aufzudecken hat der Choreograf Götz Hellriegel übernommen, welcher für die Einlage der Schnellpolka „Unter Donner und Blitz“ im zweiten Akt tosenden Applaus ernten durfte. Mit den formidablen Tänzerinnen und Tänzern der Tanzkompagnie des Theaters St.Gallen schuf er eine stupende Einsicht in die wahren Wünsche der Gäste bei Orlofsky, ein rasantes Bacchanal, welches auch vom Sinfonieorchester St.Gallen unter der Leitung von Sébastien Rouland fulminant gespielt wurde. Ansonsten kommt die Inszenierung ohne doppelten Boden oder schiefe Ebenen aus; so stellt man sich eine FLEDERMAUS vor – und wird nicht enttäuscht. Das hatte etwas schon beinahe rührend wirkend Museales. Thomas Kaiser entwarf herrlich geschmacklose Kostüme, von den Cul de Paris Roben der Rosalinde und der Adele über die Tutus der feschen Chordamen (umwerfend komisch!) zu den gockelhaften Anzügen der Männer. Die passenden Räume dazu schuf Robert Geiger: Ein üppiger Salon im Hause Eisenstein, ein kitschiger Ballsaal bei Orlofsky und ein heruntergekommenes Gefängnis für den dritten Akt. Keine aufgesetzten Aktualisierungen störten den kulinarischen Genuss (ausser den obligaten lokalpolitischen Anspielungen des Frosch von Bruno Riedl im dritten Akt: Alt-Bundesrat Leuenberger und die Ausschaffungsinitiative wurden auf die Schippe genommen, der andere Alt-Bundesrat sass im Publikum und wurde verschont ...) – vokaler Wohlklang herrschte auf der Bühne. Alison Trainer sang eine quicklebendige, pralle Adele und verstand es vortrefflich, dem Stubenmädchen neben all den perlenden Koloraturen eine Prise ordinären Klangs beizumischen. Mit kräftiger, die Ensembles mühelos überstrahlender Höhe bis hin zum hohen D, runder Klanggebung in der Mittellage und glaubwürdig-witzigem Spiel vermochte Christiane Boesiger als Rosalinde zu überzeugen. Einzig der Beginn des Csárdás im zweiten Akt liegt zu tief für ihre Stimme. Als Eisenstein glänzte Jörg Schneider mit seinem hell timbrierten Tenor – und lieferte in der Verkleidung als Dr.Blind im dritten Akt ein keifendes Kabinettsstück seiner vokalen Kunstfertigkeit. Weitere vokale Glanzlichter kamen von Ursula Hesse von der Steinen, welche mit ihrer dunklen Stimme die Androgynie des Prinzen Orlofsky betonte, von Tijl Faveyts als Gefängnisdirektor Frank, der mit sonorer Stimme und mit vom Alkoholkonsum geprägtem Gebaren über sein „Vogelhaus“, das fidele Gefängnis, herrschte und vor allem vom Drahtzieher des Stücks, dem Falke von Markus Beam, welcher das champagner-trunkene „Brüderlein, Brüderlein und Schwesterlein“ so herrlich rein und weich intonierte, dass man auf dem Nachhauseweg durch die glatten, schneebedeckten Strassen der Stadt aufpassen musste, nicht in einen gefährlichen Walzerschritt zu verfallen.

Fazit:

Eine sehr traditionell inszenierte Fledermaus, fast rührend museal wirkend - doch ein bisschen mehr Frechheit und das Aufdecken der unter der glatten Oberfläche brodelnden Erotik hätten dem kulinarischen Genuss wohl kaum geschadet.

Inhalt:

Ein Liebhaber wird irrtümlicherweise als Ehemann verhaftet, zwei Männer machen sich gegenseitig vor, Franzosen zu sein, ein Mann flirtet mit einer ungarischen Gräfin und merkt nicht, dass es seine eigene Gemahlin ist, ein Kammermädchen gibt sich als Schauspielerin aus, erscheint im Kostüm ihrer Arbeitgeberin auf dem Ball und lässt sich von ihrem Arbeitgeber bezirzen: Dies alles ist der Racheplan des Dr. Falke, der sich an seinem Freund Eisenstein für einen Streich rächen will, den ihm dieser vor Jahren gespielt hatte. Betrunken und als Fledermaus verkleidet war dieser Dr. Falke von Eisenstein dem Gespött der Wiener Gesellschaft preisgegeben worden.

Im Gefängnis löst sich dann das ganze qui pro quo auf...

Werk:

Unvergängliche Melodien, Heiterkeit und genialer musikalischer Einfallsreichtum zeichnen diese "Königin der Operette" aus. Doch trotz vorherrschender Walzerseligkeit kann man in der Komposition auch Doppelbödigkeit und Gesellschaftskritik entdecken: Doppelmoral, eskapistische Wünsche, um aus dem Gefängnis der Ehe auszubrechen und menschliche Gemeinheiten treten zu Tage.

Musikalische Höhepunkte:
Ouvertüre
Rosalinde: So muss allein ich bleiben, Akt I
Orlofsky: Ich lade gern mir Gäste ein, Akt II
Adele: Mein Herr Marquis, Akt II
Rosalinde: Klänge der Heimat Csárdás, Akt II
Finale Akt II
Adele: Spiel ich die Unschuld vom Lande, Akt III
Terzett: Erzittert, ihr Verräter, Akt III

Informationen und Karten

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