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München, Bayerische Staatsoper: DIE VERKAUFT BRAUT, 22.07.2019

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Die verkaufte Braut

copyright: Wilfried Hösel, mit freundlicher Genehmigung Bayerische Staatsoper

Komische Oper in drei Akten | Musik: Bedřich Smetana | Libretto: Karel Sabina | Uraufführung: 30. Mai 1866 in Prag (zwei Akte mit gesprochenen Dialogen, Ausweitung auf drei Akte mit komponierten Rezitativen: 1870 in Prag | Aufführungen in München (Wiederaufnahme): 19.7. | 22.7. 2019 | 10.1. | 12.1. | 15.1. | 18.1.2020

Kritik:

Komische Opern sind bekanntlich nicht ganz einfach zu inszenieren, ja gehören zum wohl Schwierigsten überhaupt. Weder sollen sie bieder-betulich rüberkommen, noch allzu gequält lustig. Der Regisseur David Bösch hat sich mutig auf diesen schmalen Grat begeben – und stürzt nicht ganz ab. Es ist weder klamottig, noch bieder – bloss ein bisschen derb. Macht aber mehrheitlich Spass zu beobachten, was er da auf dem gigantischen, dampfenden Misthaufen (Bühne: Patrick Bannwart) abspielen lässt, der die riesige Bühne der Bayerischen Staatsoper beherrscht. Komödienstadl im Nationaltheater, Bauern und Bäuerinnen in Gummistiefeln, Altrocker, welche die Kirchweih stürmen, ein mit Pin-up bild versehener Lokus, der dann deshalb wohl allzu lange besetzt ist und die männlichen Festgäste zum ausgelassenen Wildpinkeln anregt, in gigantischen Fontänen schiessen die Wasserstrahlen aus dem Hosenstall. A Gaudi halt. Der stotternde Wenzel (wunderbar gesungen von Wolfgang Alblinger-Sperrhacke) wird vom eigentlichen Star des Abends begleitet: dem Hausschwein Willi. Am Ende kriegt das Schwein vom Publikum beinahe mehr Applaus als die Protagonisten – lebende (putzige)Tiere kommen halt immer gut an. Von Mähren nach Bayern ist's ja nicht so weit, und so ist die Verlegung des Spielorts und auch die Ansiedlung in der Jetztzeit nicht zum Schaden von Smetanas wohl bekanntester Oper. Man amüsiert sich, lacht – und nimmt das Ganze nicht so ernst. Und man hat sich glücklischerweise dazu entschieden, die Oper in der deutschen Fassung zu spielen. Die Kurzweiligkeit entsteht auch dadurch, dass der Regisseur die Personen genau führt und diese über viel komödiantisches Talent verfügen. Allen voran natürlich Günther Groissböck als Heiratsvermittler Kezal, der bereits auf dem Zwischenvorhang mit einer kostenpflichtigen Telefonnummer Werbung für seine dubiosen Dienste betreibt. Auftreten tut er dann im weissen Anzug auf dem Strohballentransportband, das Hemd bis zum Nabel aufgeknöpft, gegelter Haarpracht und ständig das Klapphandy am Ohr – schmieriger geht's nicht. Seine wunderbare, bruchlose Bassstimme hingegen ist purer Wohlklang. Herrlich fesch ist die Marie von Selene Zanetti, mit berührender Gestaltung singt sie ihre Arie im dritten Akt Wie fremd und tot ist Alles umher. Pavol Breslik spielt den Hans mit umwerfender Nonchalance, verschmitzt seinen Plan des vermeintlichen Verkaufs seiner Braut durchführend – dabei immer Testosteron gesteuert und überaus sexy agierend und weich intonierend. Grossartig besetzt sind die Charakterpartien der beiden Elternpaare, insbesondere Irmgard Vilsmaier als dominante, sich so vornehm gebärdende Agnes und Helena Zubanovich als bodenständige Kathinka (am Vorabend im CHÉNIER noch die stolze Gräfin, nun mit Gummistiefeln und Kopftuch als derbe Bäuerin agierend). Oliver Zwarg ist ein gefühlvoller Kruschina, Levente Páll gibt den Micha. Ulrich Reß beeindruckt als Zirkuskirektor einer insgesamt amüsanten Zirkustruppe, die einen fulminaten Auftritt im dritten Akt hinlegt, wenn sie mit dem pinkfarbenen Trabi auf dem Misthaufen parkt und dann Esmeralde (Anna El-Khashem) hoch über dem Stadl auf dem Seil tanzen lässt, mit punktgenauer Landung zur Musik auf dem Boden. Herrlich.

Das Bayerische Staatsorchester und der zu Beginn etwas schleppende Chor der Bayerischen Staatsoper sorgen unter der spritzigen Leitung von Tomáš Hanus für gute Laune, ebenso wie die mehrfach ge- und missbrauchte Zuckerwatten-Maschine, das Bier aus dem Jauchewagen und Hans' Traktor mit den Herzballons, den Pavol Breslik ebenso gekonnt steuert wie sein Fahrrad.

Fazit: Das Schwein erzielte den beabsichtigten „Jöh“-Effekt, die Aufführung war derb-lustig und oft amüsant, die Melodien sind natürlich unverwüstliche Ohrwürmer, aber eine VERKAUFTE BRAUT alle 15 Jahre reicht mir persönlich. Da gäbe es aus der Feder Smetanas weit Gewichtigeres zu entdecken.

Inhalt:

ERSTER AKT
In einem böhmischen Dorf wird Kirchweih gefeiert. Man singt von den Freuden der Liebe und der Monotonie im Ehealltag. Marie beklagt sich bei ihrem Geliebten Hans, dass sie auf Geheiß ihrer Eltern noch am selben Tag einen ihr bisher unbekannten Mann heiraten soll, obwohl ihr Herz doch Hans gefört. Hans versucht Marie zu trösten, doch sie vermutet, dass er es gar nicht so ernst meine mit ihr. Auf die Frage nac seiner Herkunft antwortet er, dass er aus reichem Hause stamme, doch nach der Wiedervermählung seines Baters aus dem Haus gejagt worden sei. Hans beklagt den Tod seiner Mutter und wird von Marie getröstet. Die beiden versichern sich ihrer Liebe zueinander. Unterdessen beraten Maries Eltern mit dem Heiratsvermittler Kezal über den Ehevertrag.. Kezal erinnert Maries Vater Kruschina daran, dass er bereits vor Jahren Tobias Micha versprochen habe, dessen Sohn die eigene Tochter zur Frau zu geben. Kathinka schilt ihren Mann, ohne Maries Zustimmung eine Ehe arrangiert zu haben. Marie will nicht klein beigeben. Während Kruschina und Kezal zur Ehe drängen, bekennt sie offen ihre Liebe zu Hans. Den unterschriebenen Vermittlungsvertrag zwischen Kezal und ihrem Vater erkennt sie nicht an. Kezal rät Kruschina zu einem Treffen mit Tobias Micha, um die Situation unter Vätern auszudiskutieren. Die Dorfbewohner betrinken sich und tanzen. 

ZWEITER AKT 
Bier-Chor. Kezal labert über den Wert des Geldes. Tobias Michas Sohn, der stotternde Wenzel, ist mit dem Auftrag, seine ihm versprochene Braut Marie abzuholen, sichtlich überfordert. Er trifft auf Marie, die ihn erkennt, nicht aber er sie. Sie schildert ihm seine Zukünftige in den schwärzesten Farben. Diese liebe einen anderen Mann und werde Wenzel zu Tode quälen. Kezal versucht, Hans zur Trennung von Marie zu bewegen. Erneut preist der Heiratsvermittler das Geld als höheres Gut denn die Liebe und verspricht Hans eine andere Frau mitsamt großem Vermögen. Hans sträubt sich, worauf Kezal ihm Geld bietet, um Marie dem Sohn des Tobias Micha zu überlassen. Für 300 Gulden willigt Hans in einen Vertrag mit diesem Wortlaut ein. Insgeheim triumphiert Hans: Er ist sich sicher, die Weichen für die Hochzeit mit Marie gestellt zu haben. Kezal verkündet vor den Dorfbewohnern die mit Hans getroffenen Vereinbarungen. Dass jemand seine Braut für Geld verkaufen könne, versetzt diese und Kruschina in Empörung. 

DRITTER AKT 
Ein Wanderzirkus unterbricht den zu Tode betrübten Wenzel in seinen Grübeleien über die Schwierigkeiten der Liebe. Der Zirkusdirektor kündigt die Höhepunkte des Programms an: die Tänzerin Esmeralda, einen Indianerhäuptling, einen Kannibalen und als Hauptattraktion einen Bären aus Amerika. Doch Muff, der Indianerdarsteller, erzählt dem Direktor, dass sich der Bärendarsteller im Wirtshaus betrunken habe und nicht mehr einsatzbereit sei. Ein Ersatz sei nicht zu finden – niemand würde in das Bärenkostüm passen. Da fällt ihnen Wenzel auf: Der habe doch genau die richtige Statur. Der Zirkusdirektor wittert seine Chance und lädt Wenzel ein, in die Zirkustruppe einzutreten: Wenn er den Bären spiele und im Kostüm tanze, bekomme er Esmeralda zur Frau. Wenzel vergisst schnell seine Bedenken, dass er nicht tanzen könne und seine Mutter ihn für einen solchen Auftritt tadeln würde, als Esmeralda ihm schöne Augen macht. Seinen Eltern Agnes und Tobias Micha gegenüber will Wenzel nichts mehr von der Verlobung mit Marie wissen. Marie ist entsetzt, weil ihr Hansʼ angeblicher Verrat zu Ohren gekommen ist. Kezal bestätigt ihre Befürchtungen mit Verweis auf den von Hans unterschriebenen Vertrag. Kathinka und Kruschina raten ihrer Tochter zur Verlobung mit Wenzel. Dieser will Marie jetzt sofort heiraten, erkennt er in ihr doch das  Mädchen, das ihm zuvor den Verzichtsschwur abgenommen hatte. Marie beklagt einsam das verlorene Liebesglück mit Hans. Sie will von ihm nichts mehr wissen und lässt ihn gar nicht erst zu Wort kommen, als er versucht, den Vertrag mit Kezal zu erklären. Kezal will nun endlich den Verkauf der Braut zum Abschluss bringen. Marie ist schockiert, dass Hans dazu bereit ist. Zur allgemeinen Verwunderung erkennt Tobias Micha in Hans seinen verschollenen Sohn. Hansʼ Plan geht auf: Da er selbst Sohn des Tobias Micha ist, hat er Marie nicht an einen anderen verkauft. Marie soll sich also zwischen Wenzel und ihm entscheiden, was ihr leicht fällt: Sie wählt Hans. Die Eltern des Brautpaares machen sich über Kezals Versagen lustig, während dieser seinen Verlust an Glaubwürdigkeit beklagt. Plötzlich verbreitet sich die Nachricht über einen entlaufenen Bären. Unter dem Bärenkostüm gibt sich jedoch Wenzel zu erkennen, der nun endgültig zum Gespött aller und von seiner Mutter Agnes für die Schande niedergemacht wird. Tobias Micha versöhnt sich mit seinem Sohn Hans; einer Heirat zwischen ihm und Marie steht nun nichts mehr im Wege. 

Werk:

Bedřich Smetana (1824 – 1884) komponierte seine erfolgreichste Oper DIE VERKAUFTE BRAUT (Prodaná nevěsta) im Jahr 1866. Bald wurde sie zur volkstümlichen Nationaloper der Tschechen. Zusammen mit den Opern von Antonin Dvořák und später denjenigen von Leoš Janáček bildeten Smetanas Werke quasi ein Gegengewicht zu den Opern aus dem italienischen, dem deutschen oder dem französischen Repertoire. Dabei wurde Smetana (als Liszt-Schüler) eher dem Wagnerianismus zugerechnet, während Dvořák Brahms näher stand. DIE VERKAUFTE BRAUT zeichnet sich durch eine Flut von Gassenhauern aus, toll instrumentiert, und mit an Mozart orientierten, kunstvoll gearbeiteten Ensembles aufwartend.

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