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Lübeck: L'AMORE DEI TRE RE, 23.02.2023

Erstellt von Kaspar Sannemann | | L'amore dei tre re

copyright aller Bilder: Olaf Malzahn, mit freundlicher Genehmigung Theater Lübeck

Oper in drei Akten | Musik: Itlao Montemezzi | Libretto: Sam Benelli | Uraufführung: 10. April 1913 in Mailand, unter der Leitung von Tullio Serafin, die amerikanische Erstaufführung an der Met 1914 dirigierte Arturo Toscanini

Kritik:

Wozu braucht man schon Drogen, wenn man während 95 Minuten durch Italo Montemezzis geniale Klangwogen in einen ekstatischen, soghaften Rauschzustand versetzt werden kann? Zugegeben, Montemezzis musikalischer Sprache haftet etwas eklektisches an, macht er doch aus seiner Verehrung für Wagners Musikdramen keinen Hehl, lässt daneben durchaus Einflüsse von Debussys PÉLLÉAS ET MÉLISANDE erkennen und würzt das Ganze mit der feurig lodernden Leidenschaft italienischer Operndramatik und der Orchestrierungskunst eines Richard Strauss. So entsteht quasi ein Best-of-Wagner-and-Verismo-Sound in Dauerschleife. 

Wenn dann diese reichhaltigen Klänge noch so glutvoll und farbenprächtig aus dem Orchestergraben aufsteigen wie gestern Abend anlässlich der - leider - letzten Vorstellung von L'AMORE DEI TRE RE, ist das Opernglück vollkommen. Das Philharmonische Orchester der Hansestadt Lübeck unter der mitreißenden Leitung von Takahiro Nagasaki ließ die Wogen der Musik wunderbar aufblühen und vermochte einen Strudel zu erzeugen, dem man nicht entrinnen konnte.

Auf der Bühne standen Sänger*innen, die den gewaltigen Orchesterwogen mehr als gewachsen waren, Leidenschaft und Verzweiflung mit ausdrucksstarken Stimmen zu evozieren vermochten. Die Oper enthält nur eine weibliche Hauptrolle, Fiora, um die die drei Könige wie Motten um das Licht schwirren - und verbrennen. Virginia Felicitas Ferentschiks Stimme ist geradezu perfekt für die Rolle dieser femme fatale. Ihr funkelnd-erotisches Timbre, gepaart mit dynamisch eingesetzter Kraft und Leidenschaft, vermochte zu begeistern. Beeindruckend sang auch ihr tenoraler Liebhaber Avito, der von Yoonik Baek mit großer Emphase interpretiert wurde. Einige manierierte tenorale Schluchzer zu Beginn legten sich bald. In den Duetten mit Fiora schwang er sich zu packender Leidenschaft auf. Der Ehemann Fioras, der Königssohn Manfredo, ist eigentlich die traurigste und bemitleidenswerteste Figur des Stücks. Verliebt in seine Gemahlin, die ihn zwar nicht liebt, aber auch nicht verletzen möchte. Zusätzlich kann er auch den hohen Ansprüchen seines Vaters Archibaldo nicht genügen. Anton Keremidtchiev singt diesen armen Manfredo mit kraftvollem, überragend eindrücklich intonierendem Bariton. Grandios! Sein Vater, der blinde, alte Archibaldo, ist die zentrale Figur der Oper. Der kernige, sonore Bass von Rúni Brattaberg verleiht der rach- und eifersüchtigen Gestalt eindringliches Profil. Man kann sehr gut nachvollziehen, wie sehr er unter seiner Erblindung leidet, und doch rechtfertigt dies in keiner Weise sein schändliches Handeln. Ihm zur Seite steht mit Flamingo quasi ein "Diener zweier Herren". Denn er ist sowohl unentbehrlicher Helfer und "Auge" Archibaldos, als auch Anhänger und Unterstützer des ehemaligen Königs Avito, dessen Affäre mit Fiora er deckt. In dieser Rolle ließ der Tenor Noah Schaul mit heller, kraftvoller Tenorstimme aufhorchen und empfahl sich für größere Aufgaben. Ein Sänger, dessen Karriere man gerne im Auge behalten will! Natalia Bogdanova (Magd/Junge Frau), Thomas Stückemann (Ein junger Mann) und Therese Fauser (alte Frau und Stimme aus dem Off) bereicherten in den kleineren Partien das exzellente Ensemble. Der Chor des Theaters Lübeck untermalte mit düsterer Klangschönheit die Trauerfeier für Fiora.

Inszeniert worden war das düstere, dem Symbolismus nahe stehende Stück von Effi Méndez, im an die monumentalistische Architektur des Faschismus erinnernden Bühnenbild von Stefan Heinrichs und mit den Kostümen von Ilona Holdorf-Schimanke. Dieses Inszenierungsteam hat eine schwülstige, dekadente Atmosphäre geschaffen, die sehr gut zur geschmacklosen Welt eines Zeitgenossen Montemezzis und Benellis passt, des Dichters und faschistischen Ideengebers Mussolinis, Gabriele D'Annunzio. Die Engelsfiguren, welche das Liebesnest Fioras und Avitos hüteten und am Ende Wasser spieen, waren vielleicht des Guten etwas zuviel ... . Hervorragend gelungen erschien mir die Kostümdramturgie der drei Könige: Archibaldo mit blauer und mit vielen Orden geschmückter Gala-Uniform Jacke, Manfredo im Designeranzug und Avito im lockeren Freizeitlook.

Amerikanische Kritiker hatten nach der Erstaufführung 1914 an der Metropolitan Opera (unter der Leitung Toscaninis) geschrieben, dass L'AMORE DEI TRE RE die beste italienische Oper seit Verdis OTELLO sei. Das mag etwas gar enthusiastisch erscheinen (immerhin entstanden in dieser Zeit Opern wie CAVALLERIA RUSTICANA, PAGLIACCI, ANDREA CHÉNIER, LA BOHÈME, TOSCA ....) doch diese amerikanische Begeisterung rechtfertigt nicht die Blasiertheit gewisser Europäer, welche einfach alles was Amerikaner gut finden, als minderwertig abtun. Leider hat Montemezzis dieses Schicksal ereilt, in Europa gab es nach 1930 kaum mehr Aufführungen von L'AMORE DEI TRE RE (löbliche Ausnahmen Bregenz und das Opernhaus Zürich - Marcello Viotti dirigierte, Samuel Ramey sang den Archibaldo). Man kann dem Theater Lübeck nur danken und gratulieren, dass es den mutigen Anlauf genommen hat, um diesem hochinteressanten Werk erneut eine verdiente Chance zu geben!

Inhalt:

Ort: Italien, 10. Jahrhundert

Vorgeschichte:

Archibaldo drang von Nordenher in Italien ein und erhob sich selbst zum König von Altura. Die schöne Prinzessin Fiora war dem rechtmässigen Thronfolger des Königreichs Altura, dem Prinzen Avito, versprochen worden. Archibaldo verlangte jedoch um des Friedens willen, dass sein Sohn Manfredo die Prinzessin Fiora zur Frau bekomme.

Handlung der Oper:

Manfredo weilt im Krieg. Archibaldo und Fiora sind mit einigen Dienern allein im Palast. Archibaldo ist erblindet, an seiner Seite der dem alten und dem neuen Herrscher zugleich dienende Flaminio. Archibaldo wartet besorgt auf die Rückkehr Manfredos. Flaminio erkennt die Melodie einer Hirtenflöte, ein Verabredungszeichen der beiden Liebenden Fiora und Avito. Flaminio führt den blinden Archibaldo weg, damit dieser die Untreue seiner Schwiegertochter nicht mitbekommt. Fiora und Avito schliessen sich leidenschaftlich in die Arme. Ein Geräusch macht die beiden darauf aufmerksam, dass Archibaldo wach ist und in den Saal zurückkehrt. Avito flieht. Archibaldo spürt die Anwesenheit Fioras und will wissen, mit wem sie gesprochen habe. Sie belügt ihn, indem sie beteuert, niemand sei da gewesen. Archibaldo ist misstrauisch. Flaminio meldet Manfredos Rückkehr. Er hatte Sehnsucht nach Fiora und ist deshalb für einige Tage aus dem Krieg zurückgekehrt. Fiora begrüsst ihn eher kühl, lässt sich aber von Archibaldo bestätigen, dass sie Manfredo erwartet habe. Da Archibaldo sie tatsächlich zu dieser Stunde hier angetroffen hat, muss er ihre Aussage bekräftigen.

Manfredo bricht erneut auf, er bittet seine Frau Fiora, ihm mit einem weissen Schleier nachzuwinken, bis er ausser Sicht sei. Mehr aus Mitleid als aus Liebe gibt ihm Fiora dieses Versprechen. Kaum ist Manfredo weg, erscheint Avito als Wachsoldat verkleidet. Eine Magd bringt Fiora ein Kästchen, darin befindet sich ein weisser Schleier. Fiora erinnert sich an ihr Versprechen und steigt auf den Turm. Avito weigert sich, Fioras Aufforderung sie endgültig zu verlassen nachzukommen. Er küsst den Saum ihres Gewandes, Fiora kann ihren eigentlichen Wünschen nicht mehr widerstehen und gibt sich ihm hin. Im letzten Moment nehmen sie die Ankunft Archibaldos wahr. Avito flieht, Fiora muss ich von Archibaldo verhören lassen, da er die Stimmen und Geräusche gehört hatte. Nun wird auch die Ankunft Manfredos vermeldet, der unerwartet zurückkehrt, da er den weissen Schleier nicht mehr auf dem Turm erblickt. Archibaldo verlangt den Namen von Fioras Geliebtem. Nach anfänglicher Weigerung eines Geständnisses richtet sich Fiora auf "wie ein Schlange", gesteht ihre Untreue, verweigert aber immer noch die Nennung des Namens. Archibaldo packt sie und erwürgt sie schliesslich. Manfredo kommt dazu, Archibaldo gesteht den Mord.

Fiora liegt aufgebahrt in der Halle, Klagelieder des Chors erklingen. Avito nähert sich der Leiche und küsst Fioras Lippen. Avito beginnt zu taumeln, wird von Krämpfen geschüttelt. Manfredo kommt hinzu und erklärt, dass Archibaldo Fioras Lippen mit Gift beträufelt habe. Manfredo ist aber trotz allem am Boden zerstört, küsst selbst Fioras Lippen und das Gift beginnt sich in seinem Körper auszubreiten. Archibaldo kommt hinzu. Er stolpert über einen Körper und vermeint, nun Fioras Liebhaber vorzufinden. Doch muss er an der röchelnden Stimme des Sterbenden erkennen, dass es sich um seinen eigenen Sohn handelt, aus dem das Leben schwindet. Sein anfängliches Triumphieren verwandelt sich in Ausrufe höchster Qual.

Werk:

Italo Montemezzi (1875-1952) galt als eklektischer Wagnerianer. Daneben zeigten sich auch Einflüsse des rezitativischen Stils Debussys. Die eher dunklen Klangfarben passen gut zu den symbolistischen Musikdramen Montemezzis, welche die schwüle Atmosphäre des Symbolismus eines Gabriele d'Annunzio mit dem orchestralen Überschwang der Spätromantik verströmen. L'AMORE DEI TRE RE war Montemezzis erfolgreichste von insgesamt acht vollendeten Opern. Dieses Werk feierte in den USA grössere Erfolge als in Europa, wo es nach dem zweiten Weltkrieg eher in Vergessenheit geriet. Nun ist es an der Zeit für eine Wiederentdeckung!

Eine kommerzielle Einspielung mit Anna Moffo, Plácido Domingo, Pablo Elvira und Cesare Siepi aus dem Jahr 1977 unter der Leitung von Nello Santi liegt auf CD vor.

Karten

 

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