Freiburg: DIE KÖNIGIN VON SABA, 14.05.2015
Oper in vier Akten | Musik: Karl Goldmark | Libretto: Salomon Hermann Moselthal | Uraufführung: 10. März 1875 in Wien | in Freiburg noch am 14.5. | 16.5. | 7.6. | 17.6. | 19.6.2015
Kritik:
Ein ambitioniertes Ziel hat sich das Theater Freiburg mit der Neuproduktion von Goldmarks einstigem Erfolgserstling DIE KÖNIGIN VON SABA gesetzt – und, das darf ich schon mal vorwegnehmen, vor allem in musikalischer Hinsicht reüssiert. Die Frage stellt sich natürlich, woran es genau lag, dass dieses Werk in der Zeit nach seiner Uraufführung und bis Mitte der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts so populär war und weshalb diese Oper auch nach dem Untergang der Nazidiktatur den Weg ins Repertoire nicht mehr gefunden hat.
Doch erst einmal zur Aufführung: Anspruchsvoll sind sie, die fünf Hauptpartien in Goldmarks Oper – glänzend besetzt wurden sie im Theater Freiburg: Nuttaporn Thammati ist ein hervorragender Assad. Mit seinem wunderschön timbrierten Tenor schafft er den schwierigen Spagat zwischen liedhaftem Gesang und heldischem Aplomb. Bruchlos führt er seine Stimme durch die Register, verzichtete wohltuend auf Forcieren und tenorale Schluchzer und zeichnet mit seiner klaren Diktion das Porträt dieses sich selbstzerstörerisch zwischen den beiden Frauen, der femme fatale (Königin von Saba) und der femme fragile (Sulamith), aufreibenden Jünglings. Dass er sich dazu manchmal in lächerlich spastischen Verrenkungen produzieren muss, ist wohl nicht ihm, sondern der Regisseurin anzulasten. Katerina Hebelková in der Titelpartie bringt alles mit, was die Figur der femme fatale glaubhaft erscheinen lässt: Viel Sexappeal, ein ausgesprochen erotisch klingendes Timbre in der raumgreifenden, wunderschön ebenmässig geführten Stimme, die auch in der hohen Lage nie schrill klingt. Nicht nur im Schlussakt, wo sie sich wie eine Mischung aus Barbarella, Pornosternchen Cicciolina und Catwoman raubtierartig über die Bühne schleicht, auch in den ersten drei Akten im tief geschlitzten sexy Pailletten-Abendkleid aus purem Gold (an ein Gemälde Gustav Klimts erinnernd) macht sie eine ausgezeichnete Figur. Sie ist mit jeder Faser ihres Körpers die Frau, die sich selbstbewusst das nimmt, was ihr zuzustehen scheint, emanzipiert, stolz und eben auch verletzlich. Gerade diesen Aspekt der vielschichtigen Figur schälen Frau Hebelková (und natürlich die Regisseurin Kirsten Harms) besonders eindrücklich heraus. Als starke Gegenspielerin erweist sich Petya Ivanova als Assads Braut Sulamith. Goldmark hat hier ja auf eine ähnliche Figurenkonstellation gesetzt wie Bizet in CARMEN (die verführerische Carmen und die jungfräulich reine Micaëla). Frau Ivanova berührt mit ihrem glockenreinen Gesang, ihrem mädchenhaften Timbre. Sie verfügt über eine strahlende Durchschlagskraft in den Ensembles. Besonders ergreifend ist ihre grosse Szene im dritten Akt: Während sie sich die Haare abschneidet, gestaltet sie mit von Trauer umflorter Stimme ihre Todessehnsucht. Am Ende dann lässt Kirsten Harms sie nicht zusammen mit Assad in der Wüste den Liebestod sterben, sondern Sulamith zerschneidet das weisse Band, welches sie symbolhaft immer an das Patriarchat gefesselt hat, lässt Assad in der wüsten Einsamkeit zurück und nimmt den selben Ausgang, welchen die Königin kurz vorher genommen hat: ein Frau hat sich emanzipiert, weil sie ahnt, dass der Mann eben (trotz aller gegenteiligen Schwüre) ein fleischlich schwacher Mann bleiben wird ... . Mit eindringlicher vokaler und szenischer Präsenz überzeugt Juan Orozco als König Salomon. Klar und deutlich seine Diktion, wunderbar satt und reichhaltig strömend sein Bariton. Der weise König darf sich zwischendurch auch als Dr. Freud betätigen: Während Assad ihm seine sexuelle Begegnung mit der Königin von Saba schildert, erscheint auf der Rückwand die Projektion der berühmten Analysecouch (neben Gina Lollobrigida aus King Vidors Film) und Salomon setzt sich mit Brille und Notizbuch neben den „Patienten“. Als gestrenger Hohepriester und Vater Sulamiths verkörpert Andrei Yvan mit markantem Bass das konservative, orthodoxe Element. In der kleinen Partie der Sirene Astaroth lässt Viktoria Varga mit schönen Vokalisen aufhorchen. Ob es wirklich notwendig war, die Stimme mittels Mikrofon und Lautsprecher besonders hallig erklingen zu lassen, sei mal dahingestellt. Kraftvoll und klangschön bewältigen der Opernchor und der Extrachor des Theater Freiburg die extensiven Chortableaus. Zur Unterstreichung der patriarchalischen und strengläubigen Ordnung am Hofe Salomons haben Kirsten Harms und ihr Ehemann Bernd Damovsky (Bühnenbild und Kostüme) auch die Damen des Chores mit Bärten und Pelzhüten ausgestattet. Das Philharmonische Orchester Freiburg unter der Stabführung von Fabrice Bollon interpretiert Goldmarks farbenreiche Orchestrierung mit transparentem, ausgewogenem und schlankem Klang. Bollon deckt die Sänger nie mit der üppig-schwülen Klangsprache zu, sondern überlässt ihnen das Primat. Neben aufpeitschend und mitreissend gestalteten Aktschlüssen und tollen sforzati-Effekten (Ouvertüre) sind auch ganz introvertierte Passagen zu vernehmen, zum Beispiel die wunderbare Introduktion zum dritten Akt.
Kirsten Harms inszeniert die Oper als eine Art Kampf zwischen Eros und Ratio, wie erwähnt mit etwas Freud und vielen Bildern von starkem Symbolgehalt. Einige gelungen (Klagemauer, die von der Projektion der altbabylonischen Darstellung der Lilith überlagert wird), andere etwas rätselhaft (der brennende Dornbusch) oder abgedroschen. In der Ausstattung von Bernd Damovsky dominiert natürlich Schwarz. Daraus heben sich das Goldkleid der Königen von Saba (bei ihrem ersten Auftritt regnet es Goldplättchen vom Bühnenhimmel wie bei Jauchs Wer wird Millionär) und Sulamiths weisses Hochzeitskleid besonders effektvoll ab. Ärgerlich sind die heutzutage allgegenwärtigen hässlichen, weissen Monobloc Stühle, welche beim Wüstensturm in Trümmern von oben schweben (wie im ersten Akt die Gebetsbücher). Dass mit den Monobloc Stühlen im dritten Akt dann auch gleich noch ein Sesseltanz (Reise nach Jerusalem) aufgeführt wird, trägt bloss zur Belustigung des Publikums bei und erklärt die vorzeitige Abreise der Königin. Salomon fragt sie nämlich: „Behagt mein Fest dir nicht?“ Kein Wunder dass die kluge, emanzipierte Königin diesem infantilen Getue der Orthodoxen nichts abgewinnen kann ... .
Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Wird diese Oper den Weg zurück ins Standardrepertoire finden? Da bin ich eher skeptisch. In Freiburg hat man die Oper von den Attributen der Grand Opéra etwas entschlackt, das Ballett z.B. gestrichen, nicht auf Opulenz der Ausstattung gesetzt, sondern das Werk auf die psychoanalytischen und emanzipatorischen Aspekte hin untersucht. Das ist durchaus statthaft und bei andern Opern aus dieser Epoche auch erfolgreich praktiziert worden. Der Autodidakt Goldmark war ein sehr begabter Orchestrierer, doch in der Behandlung der Gesangslinien zeigen sich eklatante Brüche: Das Changieren zwischen Schubertschem Liedgesang und der pathetischen Attitüde Wagners wirkt allzu unausgegoren, die grosse Linie und auch der melodische Einfallsreichtum oder die rhythmische Akzentuierung fehlen über weite Strecken. Dazu gesellt sich noch die allzu blumige Sprache des Librettos mit seinen grobschlächtigen Reimen. Nichtsdestotrotz: Dem Theater Freiburg muss man für diese Ausgrabung dankbar sein und darf sich auch auf die Veröffentlichung der geplanten CD freuen.
Und noch ein kleiner Hinweis: Für die nächste Saison ist Wolf-Ferraris DER SCHMUCK DER MADONNA geplant. Dieser veristische Reisser war einst ebenfalls ein Welterfolg: Man darf gespannt sein.
Inhalt:
Die sagenhaft schöne, kluge und reiche Königin von Saba hat ihren Besuch in Jerusalem bei König Salomon angekündigt. Salomons Liebling und Vertrauter Assad ist mit Sulamith, der Tochter des Hohepriesters verlobt. Doch in letzter Zeit ist Assads Verhalten gegenüber Sulamith relativ kühl. König Salomon erkundigt sich in einem intimen Gespräch mit Assad nach dem Grund des seltsamen Betragens. Assad vertraut dem König an, dass er kürzlich bei einer Reise durch den Libanon einer fremden Frau begegnet sei und sich dieser nach einer Liebesnacht verbunden fühlt.
Die Königin von Saba zieht mit allem Pomp in Jerusalem ein. Als sie sich entschleiert, erkennt Assad bestürzt in ihr die fremde Schöne, in die er sich verliebt hatte.
Nach dem Fest zieht sich die Königin von Saba zurück. Ihre Vertraute Astroth lockt Assad zur Königin. Assad und die Königin von Saba gestehen sich ihre Liebe.
Assads Hochzeit mit Sulamith soll gefeiert werden. Da erscheint die Königin von Saba im Tempel und Assad wirft sich ihr ergeben zu Füssen, mitten in den Vorbereitungen zu seiner Hochzeit. Ziemlich peinliche Situation. Die schöne Königin jedoch verleugnet ihren Geliebten, sie kenne den jungen Mann nicht. Assad rastet nun völlig aus, lästert über das Allerheiligste und wird deshalb von den Priestern zum Tode verdammt. König Salomon zieht Assad mit sich fort, da er die Zusammenhänge zu erahnen beginnt.
Die Königin setzt sich bei Salomon für Assad ein, doch dieser erwidert ihr, sie kenne den jungen Mann ja gar nicht. Und wieder steht die Königin von Saba nicht zur Wahrheit und verleugnet Assad. Sulamith setzt sich bei Salomon ebenfalls für Assad ein. Salomon verrät ihr, wo sie Assad finden könne, nämlich in der syrischen Wüste, wohin Salomon ihn verbannt hat. Doch zuerst trifft die heimreisende Königin in diesem Palmenhain ein. Wiederum spielt sie das ewig lockende Weib, um Assad in ihre Welt zu verführen. Doch diesmal bleibt Assad standhaft. Ein Wüstensturm zieht auf. In einer Fata Morgana sieht er die Abreise der Königin. Sulamith erscheint und der erschöpfte Assad stirbt in ihren Armen.
Werk:
Karl Goldmarks (1830 – 1915) Oper DIE KÖNIGIN VON SABA gehörte Ende des 19. und zu Beginn des 20 Jahrhunderts zu den populärsten Opern überhaupt. Caruso, Slezak sangen den Assad, Mahler, Toscanini, Bruno Walter und Richard Strauss dirigierten die Oper. Goldmarks. Erst das Aufführungsverbot von Opern jüdischer Komponisten durch die Nazis setzte dem Erfolg ein Ende – und leider war nach dem zweiten Weltkrieg die Opulenz und das schwülstige Parfüm der Grand Opéras nicht mehr gefragt. So kam es leider nur noch vereinzelt zu Aufführungen von Goldmarks Opern nach 1945. Goldmark wurde als Sohn ungarisch-jüdischer Eltern geboren. Sein Violinstudium in Wien musste er schon bald infolge Geldmangels aufgeben. Er schulte sich autodidaktisch weiter. Er schlug sich anschliessend als Orchestermusiker und Klavierlehrer mehr schlecht als recht durch. Allmählich wurde man in Wien auf den begabten Komponisten aufmerksam. Er erhielt ein Stipendium und komponierte fleissig. Seine erste Oper war DIE KÖNIGIN VON SABA, welcher (trotz einiger herablassender Kritiken von Seiten Hanslicks) ein grosser Erfolg beschieden war. Goldmark war ein glühender Verehrer von Wagners Werken, doch sind bei ihm auch Einflüsse Mendelssohns und Schumanns hörbar, sowie die ländlichen Klänge seiner ungarischen Heimat. Einer seiner Schüler war Jean Sibelius, der ihn hoch verehrte. Karl Kraus bescheinigte Goldmark, der letzte Exponent des spätromantischen Zeitalters zu sein.
Das Sujet der sagenumwobenen, unfassbar reichen Königin von Saba, welche ihre Spuren in vielen Religionen und Kulturen hinterlassen hat, passt wunderbar in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, als sich viele Künstler in Musik und Malerei dem exotischen Kolorit des Orients (und einer femme fatale im Mittelpunkt) zuwandten. Man denke an Opern von Bizet (LES PÊCHEURS DE PERLES), Saint-Saëns (SAMSON ET DALILA), Massenet (LE ROI DE LAHORE; ESCLARMONDE: HERODIADE), Gounod (der ebenfalls eine KÖNIGIN VON SABA vertonte), Verdi mit seiner AIDA und schliesslich Richard Strauss mit SALOME u.v.a.m.