Berlin, Philharmonie: RICHARD STRAUSS, 05.05.2011
Festmusik der Stadt Wien, op.133 |
Uraufführung: 9. April 1943 |
Traum durch die Dämmerung, op 29 Nr.1 |
Gesänge, op.33 Nr. 2-4 |
(Gesang der Apollopriesterin, Hymnus, Pilgers Morgenlied) |
Notturno, op.44. Nr.1 |
Winterliebe, op 48, Nr. 5 |
Arabella: Vorspiel zum 3. Akt |
„Sie woll´n mich heiraten“ / „Und du wirst mein Gebieter sein“ |
(Duette Arabella-Mandryka aus dem 2. Akt) |
Festliches Präludium, op. 61 |
Uraufführung: 19. Oktober 1913 |
Kritik:
Richard Strauss, der emsige Vielschreiber unter den Komponisten des 20. Jahrhunderts, war sich selten zu schade dafür, auch Gelegenheitskompositionen auf Bestellung abzuliefern. Selbst (und vor allem) für die Nationalsozialisten. Auch gegen den Missbrauch seiner Werke durch und für die Erwähnten hat er sich nicht gewehrt, auch als er nicht mehr Präsident der Reichsmusikkammer war. So begann also dieses ausschliesslich Richard Strauss gewidmete Konzert der Berliner Philharmoniker unter der Leitung des Strausskenners und -verehrers Christian Thielemann mit der Festmusik der Stadt Wien, einem Stück für 20 Blechbläser und Pauke, welches Strauss aus Anlass der Feierlichkeiten zum fünften Jahrestag des Anschlusses Österreichs an Nazideutschland komponiert hatte. Stalingrad und die sechste Armee waren gerade verloren, die Vernichtungslager liefen auf Hochtouren, der totale Krieg stand bevor – und Strauss feierte Grossdeutschland mit einem schmetternden, jubelnden Trompeten- und Posaunenchor. Sicher, das ist alles sehr gekonnt geschrieben und wurde von den exzellenten Blechbläsern auch entsprechend umgesetzt. Doch die Frage muss erlaubt sein, ob solche Versuche zur Wiederentdeckung von Gelegenheitswerken wirklich in ein teures Konzert eines deutschen Spitzenorchesters gehören. Ähnliches gilt für das das Konzert beschliessende Festliche Präludium, letztmals von den Berliner Philharmonikern unter Hans Knappertsbusch zur Feier von Hitlers Geburtstag am 18. April 1943 aufgeführt. (Allein das sagt schon viel ... . ) Die Komposition entstand 1913 und wurde zur Einweihung des Wiener Konzerthauses gespielt – vor Beethovens Neunter Sinfonie. Strauss spielte hier ganz den Gigantomanen, setzte die Orgel effektvoll zusammen mit einem Riesenorchester von über 150 Musikern ein und wollte damit wohl Beethovens Meisterwerk ernsthaft Konkurrenz durch pure Klangprotzerei machen. Die Berliner Philharmoniker setzten nicht ganz die geforderten 96 Streicher ein, aber an die 60 waren es dann doch. Die Wirkung des Stücks ist zwar enorm, doch nicht nachhaltig. Dafür ist es insgesamt einfach zu flach und eintönig. Interessantere Werke bekam man zwischen diesen eher unverdaulichen Brocken zu hören: Ausschnitte aus Strauss´reichhaltigem Liedschaffen. Dazu bot man zwei ganz grosse, blendend aussehende Sängerstars auf, die amerikanische Sopranisten Renée Fleming und ihren Landsmann, den Bariton Thomas Hampson. Den Hype um Frau Fleming konnte ich nie ganz nachvollziehen. Auf Tonträger klingt ihre Stimme zwar stets herrlich, live erscheint mir ihr Sopran bloss hübsch, aber ein wenig zu dünn. Vor allem die Mittellage klingt eher spröde und farblos. Beglückend dagegen sind die wunderbar klaren Kantilenen in der höheren Lage. So blieben ihre Lieder im ersten Teil – obwohl vom Publikum stark bejubelt – ohne prägenden Eindruck, zumal die Diktion eher verschwommen und durch einige störende Vokalverfärbungen getrübt war. Die rasante Winterliebe war viel zu schnell für ihre Kehle, da erklangen nur noch ein paar wenige Klangfetzen. In ihrer Paraderolle, der Arabella, konnte sie dann endlich die Strauss´schen Silberfäden spinnen. Das war Wohlklang pur, so schön, dass die beiden „Und du wirst mein Gebieter sein“ gleich da capo sangen. Thomas Hampson bekam insgesamt weniger Applaus als seine Kollegin, völlig zu Unrecht. Denn hier stand ein wirklich grossartiger Liedsänger und Interpret auf dem Podium. Vor allem das jede Dimension eines Liedes sprengende Notturno, dieser 13-minütige Totentanz auf einen Text Richard Dehmels, verfehlte seine expressive Wirkung nicht. Es war zugleich die „modernste“, die sperrigste Komposition des Abends, obwohl bereits 1899 entstanden – ein ungemein zerklüftetes Werk mit düsterem Grundton. Ganz anders als die meisten restlichen Schöpfungen, welche meist nach einem Beginn im diffusen Nebel schnell zum strahlenden Licht aufsteigen, sich Schraube um Schraube höher drehen, wie nur Strauss das konnte, um dann in gleissendem C-Dur zu enden, wie eben das unsägliche Festliche Präludium. Die Berliner Philharmoniker konnten sich natürlich sehr effektvoll in Szene setzen, brillierten an allen Pulten, die Holzbläser vor allem im Traum durch die Dämmerung, die Solovioline liess im Notturno aufhorchen und der zuckersüsse Streicherklang begleitete das Duett aus ARABELLA. (Aber gehört dieser Wunschkonzerthit wirklich in die Philharmonie?) Dass Strauss für Christian Thielemann eine wahre Herzensangelegenheit ist, war quasi aus jeder Faser seines angespannten Körpers zu spüren, er dirigierte diese Werke wunderschön differenziert und klanglich perfekt ausbalanciert – doch zu meinem Herzen drang er an diesem Abend mit dieser Werkauswahl nicht nachhaltig vor. Irgendwie wirkte die Zusammenstellung ein wenig beliebig. Wenigstens eine der grossen Tondichtungen des Meisters hätte man ins Programm einbauen können, ja müssen.