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Berlin, Philharmonie: KODÁLY, GRIEG, DVOṘÁK, 30.11.2017

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Dvorak 7. Sinfonie

Antonin Dvořák (1841-1904)

Zoltan Kodály: Tänze aus Galánta | Uraufführung: 23. Oktober 1933 in Budapest | Edvard Grieg: Klavierkonzert in a-Moll | Uraufführung: 3. April 1869 in Kopenhagen | Antonin Dvořák: Sinfonie Nr.7 in d-Moll | Uraufführung: 22. April 1885 in London unter der Leitung des Komponisten | Dieses Konzert in Berlin: 30. 11.2017

Kritik:

 

Drei Werke - entstanden innerhalb von gut 65 Jahren zwischen 1868 und 1933, komponiert von drei Komponisten, denen der Bezug zur und die Auseinandersetzung mit der Kultur ihrer Herkunftsländer stets ausgesprochen wichtig war – standen auf dem Programm des Konzerts des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin gestern Abend in der Philharmonie.

Den Anfang machten Zoltán Kodálys TÄNZE AUS GALÁNTA, das im Konzertsaal wohl beliebteste Werk des ungarischen Komponisten. Unter der Leitung von Cristian Măcelaru gelang dem DSO eine packende, mitreißende und hoch spannende Wiedergabe dieser einstigen „Werbe- und Rekrutierungs“-Tänze für die k.u.k Armee. Sanfte Ruhephasen lösten sich darin mit furiosen Tänzen ab, solistische Aufgaben (vor allem für die Klarinette) wechselten mit gleißenden Orchestertutti. Wunderbar sanft, warm singend und mit der geforderten Virtuosität gelang dem Soloklarinettisten seine wichtige Passage kurz nach Beginn, zusammen mit der Flöte gestaltete er im weiteren Verlauf den Übergang von einem ruhigeren zu einem spritzigeren Teil, aus dem kaum Hörbaren aufsteigend wiegte die Klarinette das Orchester in einen Tanz. Măcelaru lotete zusammen mit dem aufmerksam und rhythmisch äußerst präzise spielenden Orchester die dynamische Bandbreite voll aus, setzte die wunderbaren Forte-Effekte des vollen Orchesterklangs spannungsreich um.

Spannend ist auch das Klavierkonzert von Edvard Grieg, welches zum Glück wieder vermehrt in den Konzertsälen zu erleben ist. Mit dem jungen Jan Lisiecki saß ein herausragender Interpret als Solist am Klavier, mit seinen 22 Jahren kaum jünger als der Komponist es zur Entstehungszeit seines einzigen bedeutenden großformatigen Werkes war. Für Lisiecki vereinte in seinem Spiel sowohl die ungestüme, vorwärtsdrängende Kraft der Hauptmotive als auch das Schwärmerisch-Melancholische der Seitenthemen und des Adagio. Von kristalliner Qualität war der Anschlag, mit gewaltigem Punch meisterte er die Kaskaden und Läufe, baute in der Kadenz eine gewaltige Spannung auf (und sei es nur in einem durchs Pedal mit meisterhaftem Timing bis zum Zerreißen gehaltenen einzelnen Ton). Ganz herrlich traf Lisiecki den schmeichelnden Tonfall des Klaviers im Adagio, als sich das Soloinstrument nach der langen Orchestereinleitung dieses Satzes dann endlich einmischen durfte, führte mit weitgriffigen, enorm wirkungsstarken Akkorden zurück zum Hauptthema und stürzte präzise und rasant in den attaca folgenden Finalsatz, für mich der Höhepunkt dieses Klavierkonzerts. Das Klavier umspielte manchmal wie Gischtkronen die Wogen des Orchesters, trat dann wieder in den Vordergrund, beinahe majestätisch, um gleich darauf wieder alles hinterfragend abzutauchen. Dank des intensiven Kontakts des Solisten mit der Konzertmeisterin und der phantastischen Präsenz des Dirigenten Cristian Măcelaru wurden auch die verzwicktesten musikalischen Klippen wunderbar präzise umschifft, an der dynamischen Schraube bis zum Pathos gedreht – Riesenjubel für die Ausführenden. Als Zugabe wählte Lisiecki Chopins Nocturne op.14, Nr. 1. Mit überaus reifem Einfühlungsvermögen und begeisternder Empfindsamkeit gestaltete er den introvertierten Einleitungsteil, das darauf folgende aufbrausende und fordernde Aufbegehren und das stille Zurücksinken.

Nach der Pause dann Antonin Dvořáks Sinfonie Nr.7. Leider wurde der Dirigent in den Saal gelassen, als noch lange nicht alle ZuschauerInnen Platz genommen hatten. So dauerte es eine Weile, bevor die Musikerinnen und Musiker des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin endlich die geheimnisvollen Einleitungstakte der Sinfonie intonieren konnten, in denen sich das Hauptthema stockend hereinschleicht, immer wieder versteckt aufschimmert, dominierend wird, ekstatisch kulminiert und wieder zurücksinkt. Grandios gestaltet waren diese Spannungsbögen durch den Dirigenten, plastisch herausgearbeitet wurden von ihm und dem Orchester aber auch die mystischen Aspekte, welche in diesem Kopfsatz schlummern und auf den Musikdramatiker Dvořák verweisen, welcher sich in seiner späten Phase ja dann vermehrt der Oper und den musikalischen Legenden zugewandt hatte. Einen exzellenten Eindruck vermittelte das Hornquartett des DSO im zweiten Satz, in welchem dann erneut die Steigerungen des Tutti so mitreißend zelebriert wurden. Sanft und federnd weich fließend gelang das populäre Scherzo, am Ende aber durchaus die Doppelbödigkeit, das Dramatische betonend. Eine Dramatik, welche im Finalsatz dann kulminierte, vom Dirigenten herrlich aufgepeitscht wurde, mit den begeisternden Einwürfen des Blechs, dem sonoren Choralmotiv, den markanten Akzenten – diese Sinfonie von Dvořák MUSS man einfach lieben

Werke:

Die TÄNZE AUS GALÁNTA zählen zu den bekanntesten und beliebtesten Werken des ungarischen Komponisten Zoltan Kodály (1882-1967). Entstanden war das Werk zur Feier des 80. Geburtstages des Budapester Philharmonischen Orchesters. Kodály, der immer gerne der ungarischen Volksmusik nachspürte, bezog die musikalischen Themen und Rhythmen dieser Tänze aus der Musik der Sinti und Roma aus der Gegend von Galánta, wo er selbst auch einen Teil seiner Kindheit verbracht hatte. Das Hauptmotiv kehrt rondoartig wieder und wechselt sich mit stimmungsmässig gegensätzlichen Episoden ab. Vorgestellt wird dieses Hauptthema nach einer kurzen Einleitung von der Klarinette. Aufführungsdauer: ca. 16 Minuten

Das Klavierkonzert in a-Moll von Evard Grieg (1842-1907) zählt zu den wenigen grossformatigen Werken des Norwegers. Grieg war ein Meister der lyrischen Kurzform, liess sich in seinen Kompositionen oft von der Folklore seines Heimatlandes inspirieren. Nichtsdestotrotz gehört jedoch sein einziges Konzert zu den beliebtesten Solokonzerten für Klavier. Deutlich ist in diesem Klavierkonzert des erst 24jährigen Grieg die Nähe zu Schumanns Klavierkonzert zu hören, mit welchem es nicht nur die Tonart gemeinsam hat, auch die kurze, markante Einleitung sowie Stimmung und formale Gestaltung weisen auf Schumanns Klavierkonzert op.54 hin. Die ganz persönliche Färbung erfährt Griegs Konzert durch den für ihn charakteristischen, abwärts geführten Leitton. Wunderbar lyrisch kommt der zweite Satz daher, mit der melancholischen Melodieführung des Klaviers über den sordinierten Streichern. Der dritte Satz schliesslich endet in jubelndem Fortissimo. Hugo Wolfs abschätzige Bemerkung über Griegs Klavierkonzert („ Das Werk ist gerade gut genug, Brillenschlangen in Träume zu lullen oder rhythmische Gefühle in abgerichteten Bären zu erwecken“) wurde von Publikum und Kritik zum Glück nicht geteilt – im Gegenteil, es gehört zu den Rennern im Konzertbetrieb, zu Recht.

Antonin Dvořák (1841-1904) komponierte insgesamt neun Sinfonien, wobei zu seinen Lebzeiten nur die letzten fünf herausgegeben wurden. Dvořák selbst betrachtet seine frühen Sinfonien auch bloss als Studien für die späteren Werke, heute erkennt man jedoch viel mehr in ihnen. Die siebte Sinfonie hingegen war von Beginn weg einer der grössten Erfolge des Tschechen. Zwar steht sie heutzutage etwas im Schatten der Nr. 9 (Aus der Neuen Welt), doch ist sie formal und thematisch stringenter komponiert. Entstanden war sie als Auftragswerk für die London Philharmonic Society und der Komponist leitete die Uraufführung in London selbst. Im Gegensatz zu den vorangehenden Werken, enthält die 7. Sinfonie nur noch wenige Anklänge an die Volksmusik, hingegen lassen Pathos und Form die Nähe zu Beethoven spüren, „durchs Dunkel ins Licht“. Die stürmische Unruhe des ersten Satzes mit seinem überraschend matten, in sich zurückfallenden, beinahe resignativen Ende, die dreiteilige Liedform des innigen Adagios, die wiederkehrende tänzerische Bewegtheit und am Ende erneute Melancholie des Scherzos führen im Finalsatz endlich zur heroischen Befreiung von allem Drückenden. In der Coda endet das Werk dann in triumphalem D-Dur.

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