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Berlin, Konzerthaus: XAVIER DE MAISTRE und LES SIÈCLES, 24.02.2016

Erstellt von Kaspar Sannemann | | Xavier de Maistre

Gabriel Pierné

Jean-Philippe Rameau: Suite aus der Oper "Daphnis et Eglé" | François Couperin: Concert royaux Nr. 4 | Maurice Ravel: "Le tombeau de Couperin" - Suite für Orchester | Uraufführung der Orchesterfassung: 28. Februar 1920 in Paris | Claude Debussy:"Danse sacrée et danse profane" für Harfe und Streicher | Uraufführung: 6. November 1904 in Paris | Gabriel Pierné: Konzertstück für Harfe und Orchester Ges-Dur op. 39 | Uraufführung: 2. Januar 1903 in Paris | Maurice Ravel: "Ma mère l'oye" - Fünf Kinderstücke für Orchester | Uraufführung der orchestrierten Fassung: 29.Januar 1912 in Paris | Dieses Konzert in Berlin: 24. Februar 2016

Kritik: 

Majestätisch steht sie nach der Pause auf dem Podium des Konzerthauses Berlin, golden strahlend und in warmes Licht getaucht, die Harfe von Lyon & Healy, auf welcher Xavier de Maistre in der kommenden halben Stunde das Publikum beglücken und entrücken wird. Sie ist wahrlich die Königin unter den Instrumenten und der Harfenist entlockte ihr Klänge in allen möglichen Schattierungen. Beginnend mit der Mystik der Danse sacrée Debussys, einschwenkend in die animierteren Passagen der iberisch angehauchten Danse profane, in spätromantischen Klangstrudel eintauchend in Gabriel Piernés Konzertstück op. 39 und kulminierend in der atemberaubenden Virtuosität und klanglichen Vielfalt der Zugabe, Félix Godefroids Variationen Le Carneval de Venise (das neapolitanische Lied, über welches hier Variationen entstanden sind und welches auch schon Paganini für Carnevale di Venezia nutzte, kennt man auch als Meldoie des Volkslieds Mein Hut, der hat drei Ecken), welche den leider nur zu gut drei Viertel besetzten grossen Saal des Konzerthauses zu Begeisterungsstürmen hinriss. Perlende Girlanden, wie eiskalte Diamanten messerscharf glitzernde Töne und Läufe, herrlich sauber und klar ausgeführte Glissandi und Arpeggien prägten das fulminante Spiel des Meisters der Harfe, dem selbst diese Königin unter den Instrumenten Untertan ist. Begleitet wurde Xavier de Maistre vom Orchester LES SIEÈCLES unter der sehr aufmerksamen, engagiert und doch unaufgeregt daherkommenden Leitung von Nicholas Collon. Der Dirigent verstand es durch seine klare Zeichengebung, präzise Einsätze und dynamisch fein und sinnfällig abgestuftes Musizieren zu ermöglichen. Dass das Orchester in verschiedenen Epochen und sehr wohl auf den modernen als auch den historischen Instrumenten vollkommen zu Hause ist, zeigte das hoch interessante Programm dieses Konzerts, welches den Bogen französischer Musik von Rameau und Couperin zu den Impressionisten Ravel und Debussy und zur spätromantischen Klangpracht von Pierné zu spannen wusste! Sehr prägnant und lebendig herausgearbeitet erklangen die von unterschiedlichem Charakter geprägten Teile der Suite aus der Oper DAPHNIS ET EGLÉ von Jean-Philippe Rameau. Die Holzbläser (auf historischen Instrumenten) spielten ihren Part stehend und begeisterten mit dem sanft-weichen Klang ihres Spiels. Aparte rhythmische Klangbeimischungen steuerte der Musiker an den drei Trommeln und mit dem Tamburin bei. Spritzig und wahrlich très vive wurde die finale Contredanse musiziert! Für Couperins Concert royaux Nr.4 musste erst die Beleuchtung für die Notenständer der fünf Musikerinnen und Musiker (Flöte, Oboe, Violine, Cembalo und Viola da gamba) eingerichtet werden (die Flötistin stand komplett im Dunkeln und konnte ihre Noten nicht sehen). Doch nachdem dieses Problem einigermassen gelöst war, konnte man sich kaum satt hören an der wunderbaren Harmonie des Zusammenspiels dieses Quintetts und an den unterschiedlichen, virtuos dargebotenen Tanzmelodien mit Continuo (wunderbar die Viola da gamba), welche schon Ludwig den XV. und Madame Pompadour erfreut und auch Maurice Ravel 200 Jahre später zu seinen sechs Klavierstücken LE TOMBEAU DE COUPERIN inspiriert hatten, deren vier er orchestrierte und die nun das Orchester LES SIÈCLES gleich anschliessend an Couperins Kammermusik erklingen liess. Aufhorchen liess die Interpretation des vierten Stückes: Resolut aufgefächert und mit einer Prise Herbheit versehen war dieser Rigaudon! Nach den bereits erwähnten Danses pour Harpe von Debussy und Piernés schwelgerischem Konzertstück interpretierte das Orchester unter Nicholas Collon dann noch Ravels von bezaubernder, märchenhafter Klangmagie durchwobene Kinderstücke für Orchester. Man begleitete die Belle au bois dormant (Dornröschen) in den Schlaf, den Petit Poucet (der kleine Däumling) bei der aufgeregten Suche nach den verstreuten und verloren gegangenen Brotkrumen, amüsierte sich über die Klangmalerei mit Celesta und Solovioline bei der Unterhaltung zwischen der Schönen und dem Biest und tauchte am Ende erfüllt und beglückt auf aus dem Jardin féerique, in welchen einen die wunderbar lautmalerische Instrumentationskunst Ravels und deren farbige Wiedergabe durch das Orchester LES SIÈCLES unter den klar gestaltenden Händen von Nicholas Collon entführt hatten.

Werke:

Jean-Philippe Rameau (1683 – 1764) war der bedeutendste Komponist des Barock in Frankreich. Die Oper DAPHNIS ET EGLÉ war für Ludwig den XV zur Aufführung in Fontainebleau vorgesehen, doch dazu kam es nicht, da die Hauptprobe anscheinend desaströs verlaufen war. Zu Rameaus Lebzeit wurde das Werk nicht mehr aufgeführt. Inhaltlich gehört die Oper ins damals beliebte Genre der Pastoralen und erzählt die Liebesgeschichte einer Schäferin und eines Schäfers, die mit Cupidos Hilfe ein zueinander finden.

François Couperin (1668-1733) komponierte seine vier Concers Royaux für den Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV zwischen 1714 und 1715. Die Konzerte können in verschiedenen Instrumentierungen aufgeführt werden, von einem Soloinstrument bis zu einem klöein besetzten Ensemble. Jedes dieser Concerts besteht aus einem Prélude und nachfolgenden Tänzen (die Nr. 4 z.B. setzt sich aus diesen Sätzen zusammen: Prélude, Allemande, Courante française, Courante à l'italienne, Sarabande, Rigaudon, Forlane).

Claude Debussys (1862-1918) „sakraler“ und „weltlicher“ Tanz für Harfe und Streichorchester war eine Auftragskomposition des Hauses Pleyel, einer renommierten Pariser Klavier- und Harfenbaufirma, welche damit ihre harpe chromatique propagieren wollte. Doch die Konkurrenz schlief nicht, die Firma Érard engagierte flugs Maurice Ravel, welcher die Introduktion und Allegro für Doppelpedal-Harfe, Streichquartett, Flöte und Klarinette komponierte. Witzigerweise setzte sich die harpe chromatique mit ihrem fragilen, dünnen Klang nicht durch und Debussys wunderschöne Komposition wird heutzutage auf der Doppelpedalharfe gespielt.


Maurice Ravel (1875-1937): LE TOMBEAU DE COUPERIN wurde zwischen 1914 und 1919 von Maurice Ravel als Suite von sechs Stücken für Klavier solo geschrieben. 1919 wählte Ravel vier Stücke daraus aus und orchestrierte sie als Orchestersuite. Mit seiner Komposition ehrte Ravel die grossen Komponisten Frankreichs aus der Zeit des Barocks, wie Couperin oder Rameau. Der ruhig voranschreitende Charakter des Werks kontrastiert mit den tumultösen Kriegserfahrungen des Komponisten. Jeder Satz ist einem gefallenen Freund gewidmet, die Toccata z.B. Dem Musikwissenschaftler Joseph de Marliave, dessen Witwe, Marguerite Long, die Klavierfassung zur Uraufführung brachte.


MA MERE L´OYE

Ravel schrieb das Stück 1910 ursprünglich für Klavier zu vier Händen und widmete es den Godebski Kindern Mimi und Jean. Im selben Jahr wurde das Werk für Solo-Klavier transkribiert durch Ravels Freund Jacques Charlot. Kurze zeit später, 1911, erstellte Ravel eine orchestrierte Fassung der fünf Märchenszenen und baute sie mit zusätzlichen Zwischenspielen zur Ballettmusik aus. Die Märchen, die Ravel bei seiner Vertonung im Kopf hatte, stammten von Charles Perrault (Dornröschen, Däumelinchen), Madame d´Aulnoy (Das hässliche Mädchen) und Jeanne-Marie Le Prince de Beaumont (Die Schöne und das Biest) und einer unbekannten Quelle (Der Zaubergarten).

Ravels eigentlich konservative Harmoniesprache verbindet lyrische Melodien mit exotischen tonleitern. Sehr reizvoll ist der Einsatz des Kontrafagotts in MA MERE L´OYE.

Gabriel Pierné (1863-1937) war ein Schüler von César Franck und Jules Massenet, war Preisträger des renommierten Prix de Rome, Organist und ein bekannter Dirigent. Sein dreisätziges Konzertstück für Harfe gehört zu seinen bekanntesten und schönsten Kompositionen.

Karten


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